Erste Übertragungen verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse auf den Bereich der Arbeitssicherheit erfolgten bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. H. W. Heinrich gehörte zu den Pionieren: Er untersuchte, wie sich die Sicherheitskultur eines Unternehmens auf die Unfallzahlen auswirkt. Das Ergebnis wurde als "Sicherheitspyramide" (auch: "Heinrichs Dreieck") bekannt (vgl. Abb. 2).
Abb. 2: Die Unfallpyramide
Ausgehend von den Ergebnissen einer mehrere tausend Fälle umfassenden Studie wurde ermittelt, dass auf jeden schweren Unfall insgesamt 29 leichtere Unfälle, 300 Unfälle ohne Verletzungsfolgen (Beinahe-Unfälle) und eine unbekannte, aber sehr hohe Anzahl von unsicheren Verhaltensweisen und Arbeitsbedingungen kommen. Diese Ergebnisse wurden in Form einer Pyramide veranschaulicht, bei der die tödlichen Unfälle die "Spitze des Eisbergs" darstellen und die riskanten Verhaltensweisen bzw. Arbeitsbedingungen das Fundament. Mit jeder Veränderung am Boden der Pyramide, die zu einer Reduzierung von gefährlichen Verhaltensweisen und Arbeitsbedingungen führt, wird automatisch auch das Aufkommen von schweren, leichten oder Beinahe-Unfällen positiv beeinflusst.
Die Prägnanz dieser Abbildung – Bördlein bezeichnet sie treffend als "didaktisches Hilfsmittel" – hat dazu geführt, dass Heinrichs Sicherheitspyramide bis heute immer wieder in der Literatur zitiert wird. Hinzu kommt, dass der zahlenmäßige Zusammenhang zwischen schweren, leichten und Beinahe-Unfällen durch andere Studien empirisch bestätigt wurde. Auch Heinrichs "Domino-Theorie", wonach der Auslöser für jeden schweren Unfall letztendlich in einem riskanten Verhalten oder einer unsicheren Arbeitsbedingung besteht, wird in der Literatur nach wie vor aufgegriffen. Die neuere Forschung sieht Sicherheitspyramide und Domino-Theorie jedoch in einem differenzierterem Licht und verweist unter anderem darauf, dass "(…) jedes Unfallmodell ohne den expliziten Einbezug organisationaler Faktoren zur Erklärung von Unfällen der Komplexität der Realität nicht gerecht wird".
In den 1970er-Jahren wurde die Verhaltensanalyse – Bördlein nennt beispielhaft die Arbeiten von Bird/Schlesinger sowie von McIntire/White – weiter in der Arbeitswissenschaft verankert. Die Frage, wie sich Beinahe-Unfälle und riskantes Verhalten vermeiden lassen, gewann an Bedeutung; dabei rückte die Sicherheitskultur eines Unternehmens weiter in den Mittelpunkt der Betrachtung. In den späten 1970er-Jahren prägte schließlich der US-Forscher E. Scott Geller den Begriff Behavior Based Safety (BBS), für den sich bereits "verhaltensorientierter Arbeitsschutz" als deutsche Übersetzung eingebürgert hat. Auch in Deutschland ist die Zahl der Unternehmen gestiegen, die Ansätze des verhaltensorientierten Arbeitsschutzes umsetzen, wobei eine mehr oder weniger starke Anpassung der aus den USA stammenden BBS-Systemen an die deutsche Kultur erfolgt.