Radtour mit Geschäftspartner: Sturz ist kein Arbeitsunfall


Sturz auf privater Radtour ist kein Arbeitsunfall

Ein Sturz auf dem Heimweg einer Radtour mit einem möglichen zukünftigen Mitarbeiter unterfällt nach einem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13.9.2023 nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn bei der Radtour private und nicht geschäftliche Interessen im Vordergrund standen.

Hintergrund

Die gesetzliche Unfallversicherung bietet Versicherungsschutz, unter anderem bei Arbeitsunfällen. Dieser Schutz beinhaltet auch Unfälle auf dem Weg von und zur Arbeit, die sogenannten Wegeunfälle. Es ist jedoch nicht immer einfach festzustellen, ob ein Unfall tatsächlich der versicherten Arbeit zuzurechnen ist. Hierbei kommt es oft darauf an, ob die Motivation für eine bestimmte Handlung – wie das Zurücklegen eines Weges – dem betrieblichen oder dem privaten Bereich zuzuordnen ist.

Der Fall: Sturz anlässlich einer Radtour

Der Kläger, ein selbstständiger Versicherungsmakler, hatte auf dem Rückweg von einer Radtour durch einen Sturz einen Unterschenkelbruch erlitten. Er hatte sich mit R., einem langjährigen Bekannten, an einem Sonntag im Juli 2020 zu einer mehrstündigen Fahrt im Landkreis Ludwigsburg verabredet. Während dieser Radtour grillten die beiden an einem Grillplatz und besuchten danach die Eltern des Klägers. Im Anschluss an diesen Besuch fuhren der Kläger und R. getrennt nach Hause. Auf dem Heimweg stürzte der Kläger auf einem Feldweg, rutschte einen Weinberg hinab, überschlug sich und brach sich den rechten Unterschenkel. Gegenüber seiner gesetzlichen Unfallversicherung, der Beklagten, teilte der Kläger mit, er habe R. als zukünftigen Mitarbeiter bzw. Geschäftspartner für den Vertrieb und die Kundenbetreuung gewinnen wollen. Weil beide gern Sport machten und das Wetter schön gewesen sei, habe man sich zu einer Radtour verabredet, um nebenbei Geschäftliches zu besprechen. Der Besuch bei seinen Eltern habe der Demonstration eines Kundengesprächs gedient. Dies seien vorbereitende Tätigkeiten für ein Arbeitsverhältnis gewesen, das aber nach dem Unfall nicht zustande gekommen sei. Von R. wurden die Angaben des Klägers bestätigt. Die Beklagte lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, da die unfallverursachende Tätigkeit keinen ausreichenden Zusammenhang zu betrieblichen Interessen bzw. zur Tätigkeit als Unternehmer aufgewiesen habe.

LSG: Keine Verrichtung mit gemischter Motivationslage - kein Arbeitsunfall

Nachdem das SG Heilbronn die Klage gegen diese Entscheidung abgewiesen hat, ist der Kläger auch vor dem LSG erfolglos geblieben (Urteil vom 13.9.2023, Az. L 8 U 1620/22). Die Radtour habe, so der zuständige Senat, eine sog. „Verrichtung mit gemischter Motivationslage“ dargestellt. Sie habe sowohl gemeinsamen privaten Interessen (Radfahren) als auch – allerdings insoweit untergeordnet bzw. nachrangig – betrieblichen Interessen dienen sollen (gegenseitiges Kennenlernen, Beobachten des Verhaltens bei Kundengesprächen). Dies ergebe sich etwa aus der Schilderung des Klägers, man „habe sich zu einer Radtour verabredet, um nebenbei Geschäftliches zu besprechen“. Eine Verrichtung mit gemischter Motivationslage erfülle dann den Tatbestand der versicherten Tätigkeit, wenn das konkrete Geschehen hypothetisch auch ohne die private Motivation des Handelns vorgenommen worden wäre. Dies sei vorliegend zu verneinen. Denn ohne das gemeinsame private Interesse am Radfahren hätten der Kläger und R. ihr Kennenlernen nicht im Rahmen einer Fahrradtour durchgeführt, und es wäre insofern auch nicht zu dem unfallverursachenden Unfall des Klägers auf dem Heimweg von dieser Radtour gekommen. 

Wichtig für die Praxis

Ein geradezu lehrbuchartiger Fall, der deutlich macht, wo die Rechtsprechung die Grenzen zieht, wenn keine eindeutige Erwerbstätigkeit vorliegt, die zum Unfall geführt hat.