Autonomes Fahren: Fahrsicherheit

In Fahrzeugen mit hochautomatisiertem Fahrmodus können Fahrer das Auto für eine gewisse Zeit selbst steuern lassen und sich anderen Tätigkeiten widmen. Doch was passiert, wenn der Fahrer wieder die Kontrolle übernehmen muss? Eine Studie zeigt, dass nicht fahrbezogene Tätigkeiten die Zeit und Qualität der Übernahme beeinflussen können. Dies wirkt sich auf die Fahrsicherheit aus und hängt von der Art der Aufgabe und den dafür erforderlichen geistigen Ressourcen ab.

Derzeit entwickeln viele Automobilhersteller Fahrzeuge, die es dem Fahrer ermöglichen, Teilstrecken automatisiert zu fahren, ohne die Fahrt ständig überwachen zu müssen. Die rechtliche Lage ist in einigen Bereichen bereits geklärt. In Fahrzeugen, die hochautomatisiertes Fahren anbieten, dürfen Fahrer die Kontrolle an die Automatik abgeben und sich während der Fahrt anderen Tätigkeiten (sogenannten Non-Driving-Related Tasks) widmen, wie zum Beispiel Telefonieren, Surfen im Internet oder Arbeiten am Computer.

Autofahren: Stufen der Automatisierung

Der Automatisierungsgrad des Autofahrens wird in der Regel durch die SAE-Level angegeben, unterschieden wird dabei zwischen assistiertem, automatisiertem und autonomem Fahren. Nur bei Level 3, der „bedingten Fahrautomatisierung“, wechselt die Kontrolle ständig oder zumindest regelmäßig zwischen automatisierter Fahrt und manueller Steuerung durch den Fahrer. Daher ist der Begriff „hochautomatisch“ nach der Terminologie der SAE-Klassifizierung in diesem Zusammenhang auch nicht ganz korrekt. Dieser Begriff gilt vielmehr für die Levels 4 und 5 („hochautomatisch“ und „vollautomatisch“). Bei diesen Levels kann der Fahrer zwar die Kontrolle übernehmen, muss es aber nicht. Bei den unteren Levels (0 bis 2) übernimmt der Fahrer die Steuerung entweder vollständig oder größtenteils. Die Levels 1 und 2 werden dabei als „assistiertes“ und „teilautomatisiertes Fahren“ bezeichnet.

Fahrübernahme beim automatisierten Fahren

Der automatisierte Fahrmodus ist nur innerhalb eines festgelegten Bereichs möglich. Das Fahrsystem erkennt diesen Bereich selbstständig und bietet dem Fahrer die Aktivierung an. Nach der Aktivierung übernimmt das System die Fahraufgabe vollständig, und der Fahrer kann sich auf dem Fahrersitz anderen Tätigkeiten widmen. Sobald das hochautomatisierte Fahrzeug jedoch bestimmte Fahraufgaben nicht mehr bewältigen kann, muss der Fahrer die Steuerung wieder übernehmen. Die Gründe für eine Übernahmeaufforderung (Take-Over-Request, TOR) sind dabei vielfältig: ein technischer Defekt, Witterungsbedingungen oder das Verlassen des zulässigen Systembereichs. Nach der Übernahme durch Deaktivierung des Systems befindet sich der Mensch wieder in der Fahrerrolle und ist vollständig für die Fahraufgabe verantwortlich.

Sicherheitsrisiken bei der Fahrübernahme

Um die Übernahme so sicher wie möglich zu gestalten, ist es entscheidend, dem Fahrer ausreichend Zeit für die Übernahme der manuellen Kontrolle über das Fahrzeug zu geben. Nur dann kann er sein Umfeld wieder vollständig erfassen und ein angemessenes Situationsbewusstsein erlangen. Diese Vorlaufzeit wird wohl in der Realität zumeist etwas über zehn Sekunden betragen. Ein weiteres Sicherheitsproblem sind die Tätigkeiten, die der Fahrer während der Phasen des automatisierten Fahrens ausführt. Der Fahrer darf in dieser Phase weder schlafen noch ruhen, da er weiterhin aufmerksam bleiben muss, um die Fahraufgabe nach Aufforderung des Systems sofort wieder übernehmen zu können. Mit anderen Worten, der Fahrer muss mehr oder weniger aktiv und konzentriert bleiben. Bei vielen kognitiv besonders anstrengenden Aufgaben besteht jedoch die Gefahr, dass der Fahrer so abgelenkt wird, dass er seine Aufmerksamkeit nicht schnell genug wieder auf das Fahren und den Verkehr lenken kann. Welche Aufgaben und Tätigkeiten sollte der Fahrer während der Fahrt also ausführen, und auf welche sollte er besser verzichten?

Studie der DGUV

Diese Frage untersucht das Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) in Dresden in einer Studie gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden (TUD). Im Fokus der Forschung steht der Einfluss verschiedener Aufgabenmerkmale auf die Übernahmezeit und -qualität sowie die negativen Folgen der Beanspruchung. Die zentralen Fragen waren: Gibt es Aufgaben, die als nichtfahrbezogene Tätigkeiten besser geeignet sind als andere? Welchen zusätzlichen psychischen Belastungen sind Fahrende ausgesetzt, die während der hochautomatisierten Fahrt nichtfahrbezogene, aber berufsbezogene Tätigkeiten erledigen? Im Rahmen der Studie wurden 76 Versuchspersonen getestet, die den umfangreichen Einschlusskriterien (wie jährliche Fahrleistung, Fahrpraxis, Sehvermögen und Gesundheitswerte) entsprachen. Von diesen hatten lediglich 28 Personen bisher keinerlei Erfahrungen mit fortschrittlichen Assistenzsystemen (ADAS) gemacht.

Studiendesign

In der Simulationssoftware SILAB entwickelte das Projektteam mehrere Fahrten mit drei unterschiedlichen Übernahmeszenarien (Spurwechsel, Überholmanöver, Fahrt von Parkplatz auf Autobahn). Die Fahrer hatten acht Sekunden Zeit, die Kontrolle zu übernehmen und mussten anschließend auf unvorhersehbare Ereignisse reagieren, wie etwa ein stark bremsendes vorausfahrendes Fahrzeug. Die untersuchten Aufgabeneigenschaften wurden hinsichtlich der Geschwindigkeit, mit der die Fahrer die Kontrolle übernahmen, und ihres Unfallpotenzials bewertet. Zudem wurde die psychische Beanspruchung unter anderem durch die Messung der Blickbewegungen und der Herzratenvariabilität untersucht.

In der Studie führten die Teilnehmer drei 40-minütige Fahrten mit der hochautomatisierten Fahrfunktion durch. Nach 28 bzw. 35 Minuten löste das System eine Aufforderung zur Übernahme aus. Eine Gruppe von 34 Personen bearbeitete Aufgaben, bei denen es erforderlich war, sich ständig den aktuellen Stand der Aufgabe zu merken, um die Route nach einer Unterbrechung fortsetzen zu können (Beanspruchung der Problemzustandsressource). Die anderen 35 Personen bearbeiteten die Routenplanungsaufgabe, ohne sich den aktuellen Stand merken zu müssen (keine Beanspruchung der Problemzustandsressource). Jede Person bearbeitete die Aufgaben einmal unter Bedingungen, die das Lesen der Informationen und das Ausführen der Routenplanung per Drag-and-drop erschwerten (erhöhte visuell-manuelle Beanspruchung), und einmal unter normalen Bedingungen, ohne erhöhte visuell-manuelle Beanspruchung.

Welche Tätigkeiten lassen sich während automatisiertem Fahren erledigen?

Welche Aufgaben stellen ein Sicherheitsrisiko dar, und welche Tätigkeiten lassen sich problemlos während des Umstiegs auf die Autosteuerung bewältigen? Die Forscher kamen zu einem klaren Ergebnis: Arbeiten, die sowohl kognitiv als auch visuell wenig anspruchsvoll waren und ohne die Verwendung eines Handgeräts ausgeführt werden konnten, erwiesen sich als am besten geeignet. Tätigkeiten hingegen, die eine hohe visuelle und kognitive Aufmerksamkeit erforderten, beeinträchtigten die Fahrtüchtigkeit des Fahrers und minderten somit die Fahrsicherheit. Wenn zudem ein (elektronisches) Gerät während der Ausführung in den Händen gehalten werden musste, verstärkte dies die Ablenkung des Fahrers noch weiter. Mit anderen Worten: Auf die Fahrt sollte man möglichst nur einfache (Routine-) Arbeit mitnehmen. Wichtige, detaillierte und anspruchsvolle Arbeitsmaterialien und -dokumente, deren Bearbeitung die volle Konzentration erfordern und von denen wichtige Entscheidungen und Weichenstellungen für die Arbeit abhängen, sollten dagegen besser im Büro, Homeoffice oder Zug erledigt werden.

DGUV forum 4/2024

Schlagworte zum Thema:  DGUV, Studie, Arbeitssicherheit