Belastungen des Muskel-Skelett-Systems: Alles Wissenswerte zur DGUV-Empfehlung


DGUV Empfehlung: Muskel-Skelett-System

Rund 80 Prozent der Beschäftigten erleiden mindestens einmal im Leben eine Muskel-Skelett-Erkrankung. Grund hierfür sind in vielen Fällen die körperlichen Belastungen am Arbeitsplatz. Mit der DGUV-Empfehlung „Belastungen des Muskel-Skelett-Systems einschließlich Vibrationen“ sollen die Folgen von arbeitsbedingten Belastungen des Beschäftigten ermittelt und bei Erkrankungen Möglichkeiten für eine wirksame Therapie identifiziert werden. 

Körperliche Belastungen sind Bestandteil vieler Berufe des Arbeitslebens. Gefährdungen des Muskel- und Skelettapparates zählen deshalb zu den am meisten auftretenden Gesundheitsrisiken in Unternehmen. Vor allem Tätigkeiten, in denen schwere Lasten gehoben oder getragen werden müssen, und Arbeiten, die mit hoher Frequenz ausgeführt werden (zum Beispiel Hämmern oder Klopfen), sind für einen großen Teil der Berufskrankheiten verantwortlich. Besonders häufig treten körperliche Über- und Fehlbelastungen bei Tätigkeiten auf, bei denen die Beschäftigten zusätzlich zu den oben genannten Belastungen einer Ganzkörper- oder einer Hand-Arm-Vibration ausgesetzt sind (beispielsweise Arbeiten mit dem Presslufthammer).

Welche Vorsorgearten können durchgeführt werden?

Es handelt sich um eine Pflichtvorsorge, wenn die folgenden Expositionsgrenzwerte (Tagesexpositionswert) erreicht oder überschritten werden:

  • Tagesexpositionswert A (8) ≥ 5 m/s² für Tätigkeiten mit Hand-Arm-Vibrationen
  • Tagesexpositionswert A (8) ≥ 1,15 m/s² für Tätigkeiten mit Ganzkörper-Vibrationen in X- oder Y-Richtung
  • Tagesexpositionswert A (8) ≥ 0,8 m/s² für Tätigkeiten mit Ganzkörper-Vibrationen in Z-Richtung.

Eine Angebotsvorsorge muss vom Arbeitgeber bei Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen angeboten werden, die mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System verbunden. Das sind Tätigkeiten mit Lastenhandhabung beim Heben, Halten, Tragen, Ziehen oder Schieben sowie sich wiederholende manuelle Tätigkeiten oder Arbeiten in erzwungenen Körperhaltungen und Zwangshaltungen. Zusätzlich wird die Angebotsvorsorge auch bei Tätigkeiten mit Exposition durch Vibrationen gefordert, wenn die folgenden Auslösewerte überschritten werden:

  • Tagesexpositionswert A (8) ≥ 2,5 m/s² für Tätigkeiten mit Hand-Arm-Vibrationen
  • Tagesexpositionswert A (8) ≥ 0,5 m/s² für Tätigkeiten mit Ganzkörper-Vibrationen.

Eine Wunschvorsorge ist dem Beschäftigten ebenfalls zu ermöglichen, es sei denn aufgrund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen.

Wie läuft die Vorsorge ab?

  • Beratung des Unternehmens durch den Betriebsarzt.
  • Gefährdungsbeurteilung durch das Unternehmen, die ggf. Anlass für eine Vorsorge ist.
  • Der Unternehmer teilt dem Arzt den Anlass für den Vorsorgetermin mit und beauftragt ihn, die Vorsorge durchzuführen.
  • Der durchführende Arzt muss sich im Vorfeld der Beratung die notwendigen Kenntnisse über den Arbeitsplatz des Beschäftigten sowie dessen gesundheitliche Risiken verschafft haben. 
  • Darauf folgt als erster Schritt der eigentlichen Vorsorge die Eingangsberatung einschließlich einer Anamnese. Bei der allgemeinen Anamnese geht es um die gesundheitliche Vorgeschichte des Beschäftigten, die von ihm genommenen Medikamente sowie der unterschiedlichsten Behandlungen am Muskel-Skelettsystem bzw. mit Bezug zum Muskel-Skelettsystem in den vorausgegangenen 12 Monaten. Bei der Arbeitsanamnese werden insbesondere die gegenwärtige Arbeitssituation sowie die aktuelle Gefährdungsbeurteilung besprochen.
  • Der Arzt stellt dabei fest, ob eine weitergehende ärztliche Untersuchung erforderlich ist. Ist sie das seiner Meinung nach, kann sie aber dennoch vom Beschäftigten abgelehnt werden.
  • Die Untersuchung gliedert sich in eine körperliche Grunduntersuchung sowie ggf. eine ergänzende klinische Untersuchung.
  • Bei der körperlichen Grunduntersuchung wird eine Untersuchung des Muskel-Skelettsystems mit Inspektion im Stehen und Gehen sowie eine orientierende Prüfung der aktiven Beweglichkeit und Funktionsfähigkeit durchgeführt. Kommt es zu auffälligen medizinischen Befunden wird der Arzt in der Regel eine zusätzliche spezielle Untersuchung empfehlen.
  • Bei Tätigkeiten mit Belastungen durch Hand-Arm-Vibrationen erfolgt im Rahmen der Grunduntersuchung eine ergänzende ärztliche Anamnese für Hand-Arm-Vibrationsbelastungen.
  • Bei der klinischen Untersuchung konzentriert sich die ärztliche Diagnostik je nach Befunden bzw. festgestellten Beschwerden der Grunduntersuchung auf spezifische Körperregionen und untersucht sie in Hinblick auf die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten und deren Belastungen für den Beschäftigten. Die klinische Untersuchung wird daher auch als vertiefende oder ergänzende Untersuchung bezeichnet.
  • Im Anschluss an die Untersuchung bzw. Untersuchungen kommt es zu einem weiteren Beratungstermin. Neben der Beratung des Beschäftigten kann ggf. auch eine Beratung des Arbeitgebers stattfinden.
  • Bei der Beratung des Beschäftigten stellt der Arzt diesem spezifische Maßnahmen vor, um dessen Arbeitskraft zu erhalten oder zu verbessern. Hierzu gehören insbesondere individualpräventive Maßnahmen oder die Übernahme alternativer Tätigkeiten im Betrieb.
  • Zum Abschluss händigt der Arzt sowohl dem Beschäftigten als auch dem Unternehmer eine Vorsorgebescheinigung aus. Diese erhalten beide Personen in jedem Fall, egal, ob neben der Eingangsberatung auch eine Untersuchung stattgefunden hat oder nicht. In dieser Bescheinigung kann falls erforderlich auch schon der nächste Vorsorgetermin angegeben sein.
  • Nach der Vorsorge muss der Arzt alle Ergebnisse auswerten. Meint er, dass die Schutzmaßnahmen am betreffenden Arbeitsplatz nicht ausreichen, hat er darüber den Arbeitgeber/Unternehmer zu informieren und muss diesem darüber hinaus auch bessere Schutzmaßnahmen vorschlagen. Hierzu gehören unter anderem:
    • Beschaffung von ergonomischen Arbeitsmitteln für die Beschäftigten.
    • Vermeidung von besonders monotonen oder extremen Belastungen für die Beschäftigten.
    • Ergonomisch sinnvolle Veränderungen der besonders belastenden Arbeitsplätze im Unternehmen.
    • Hinweise zur Information und Unterweisung der Beschäftigten. 
    • Hinweise zur spezifischen Beratung zu Belastungen des Muskel-Skelettsystems im Rahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung.
    • Die ärztlichen Ergebnisse muss das Unternehmen wiederum in der Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung und seiner Schutzmaßnahmen berücksichtigen. 


 


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