Frachtcontainer: Eine Ladung voller Gefahren für die Hafenfacharbeiter
Aktuell werden fast 93 Prozent des globalen Güterverkehrs mithilfe von Frachtcontainern durchgeführt, Tendenz weiter steigend. Allein in deutschen Seehäfen sind es pro Jahr mehr als 15 Millionen TEU (Maßeinheit zur Größenbeschreibung von Containern). Allein schon aufgrund dieser riesigen Menge an importierten Schiffscontainern ist es nicht verwunderlich, dass das Öffnen und Entladen für die Hafenfacharbeiter nicht nur ein zentrales Tätigkeitsfeld ist, sondern auch ein nicht zu unterschätzendes Gesundheitsrisiko.
Frachtcontainer mit Überraschungen
Für die Hafen- und Lagerarbeiter am Bestimmungs- bzw. Umschlagsort ist es häufig nicht vorherzusehen, welche Gefahren für ihre Gesundheit sie im Innern der Frachteinheit erwarten. In den Frachtcontainern können gesundheitsgefährdende Gase und Dämpfe entstanden sein. Schimmelpilze und sogenannte Schadorganismen, die vor allem aus tropischen Regionen mitgeführt werden, bilden weitere Risiken. Zusätzlich, an dieser Stelle aber nicht weiter thematisiert, können umgestürzte und beschädigte Waren Unfälle beim Löschen der Container verursachen.
Gefährdung durch Gas
Die größte Gefahr stellen gesundheitsschädliche Gase dar. Die in den Containern vorhandenen Gase haben sich dort aber nur in Ausnahmefällen ohne Zutun des Menschen gebildet. In erster Linie handelt es sich um Gase und Dämpfe, die durch menschliche Behandlungen des Containers entstanden sind. Vor allem handelt es sich dabei um Substanzen, die bei der Begasung des Containers benutzt werden, um Schädlinge und Schimmelpilze zu bekämpfen oder um Korrosion zu verhindern. Aber auch die im Container transportieren Waren können Substanzen (Industriechemikalien) ausgasen, mit denen sie während des Herstellungsprozesses behandelt worden sind. Da fast alle dieser Substanzen geruchlos sind oder aber durch andere, stärkere Gerüche überdeckt werden können, werden sie von den Hafen- und Lagerarbeitern oft nicht schnell genug bemerkt.
Frachtcontainer: Messungen und Entgasung
Nur mit Messungen lässt sich daher mit Sicherheit feststellen, ob ein Container und sein Inhalt gasfrei ist oder nicht. Bei Messungen in zwei großen deutschen Nordseehäfen stellte man in immerhin 20 Prozent der Fälle bedenkliche Schadstoffkonzentrationen in der Containerluft fest, darunter Formaldehyd, Benzol, Phosphorwasserstoff, Brommethan oder Trichlornitromethan (Chlorpikrin). In solchen Fällen müssen Container in speziellen Anlagen entgast werden, wie es sie beispielsweise auf dem Hamburger Hafen gibt. Begaste Container müssen zwar mit Warnhinweisen gekennzeichnet sein, doch diese sind vielen Fällen so beschädigt, dass sie für die Arbeiter nicht mehr sofort erkennbar sind, oder sie fehlen manchmal sogar ganz.
Blinde Passagiere in den Frachtcontainern
Schädlinge, wie Spinnen, Schlangen, Würmer oder Käfer, im Fachjargon Schadorganismen genannt, sind das zweite große Problem in den Containern – insbesondere, wenn diese aus subtropischen oder tropischen Gebieten kommen, wo es auch viele giftige Arten gibt. Dabei ist die Gefährdung der Hafenarbeiter und Lageristen nicht die einzige Gefahr, die von diesen Tieren ausgeht. Gelangen sie an Land, können sie als exotische und „invasive“ Arten heimische Arten und ganze Ökosysteme bedrohen – oder in Form von Forst- und Holzschädlingen auch ganze Wirtschaftsbranchen schädigen. Eine besonders effektive Methode, um diese Schadorganismen noch vor Transportbeginn zu töten, sind Hitzebehandlungen. Da diese jedoch sehr teuer sind, werden Container in der Regel begast. Bei der Ankunft im Ziel- oder Umschlaghafen müssen insbesondere Lebens- und Genussmittel wie Kaffee, Tee, Gewürze oder Tabak bei Verdacht auf Schädlingsbefall in speziell hierfür geeigneten Begasungsanlagen behandelt werden, ehe sie weiterverarbeitet werden können. Hierfür wird vor allem Phosphorwasserstoff und Sulfuryldifluorid eingesetzt. Die Begasung ist Thema der Technischen? Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 512 "Begasungen".
Sicherer Umgang mit den Frachtcontainern
Wie sollten sich Hafenfacharbeiter verhalten, um die Risiken bei der Öffnung und Entladung von Containern möglichst gering zu halten? Folgende Punkte sind hierbei hilfreich:
- Arbeitgeber, deren Beschäftigte Container öffnen, prüfen oder entladen, sollen in ihrer Gefährdungsbeurteilung konkrete Maßnahmen beschreiben, wie verdächtige Container erkannt und welche Maßnahmen in diesen Fällen zu treffen sind.
- Sofern technische oder organisatorische Maßnahmen beim Öffnen und Entladen von Frachtcontainern keinen ausreichenden Schutz der Beschäftigten gewährleisten, müssen zusätzlich persönliche Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. Hierzu zählen vor allem das Tragen von Schutzkleidung (Einmal-Schutzanzug, Schutzschuhe, Warnkleidung) und von spezifischem Atemschutz für die Filterung von Gasen und Dämpfen.
- Jeder Container sollte mindestens eine halbe Stunde vor dem Ausladen zur Belüftung offen gelassen werden, gleichgültig, ob es bekannt ist, dass dieser im Vorfeld begast worden ist oder nicht.
- Dabei sind die Container so zu lüften, dass vorhandene Gase sich nicht an der Umschlagrampe oder in den Lagergebäuden konzentrieren und stattdessen dort für Gesundheitsgefährdungen sorgen können. Daher ist insbesondere innerhalb der Lagergebäude für eine ausreichende Belüftung zu sorgen.
- Ist es unsicher, ob der Container ausreichend belüftet ist, dürfen die Beschäftigten den Container nur unter Einsatz von Atemschutz betreten und entladen. Um eine Gasvergiftung vollständig ausschließen zu können, sollte Atemschutz mit Frischluftzufuhr (zum Beispiel Isoliergeräte) eingesetzt werden.
- Ein aussagekräftiger Hinweis auf Gas im Container ist der Zustand von Lüftungsschlitzen und Schlauchstücken. Sind diese verklebt, befindet sich mit großer Wahrscheinlichkeit Gas im Container.
- Im Zweifelsfall müssen das Vorkommen und die Konzentration von Gasen durch Messung ermittelt werden. Ist die Entgasung wegen der spezifischen Containerladung nicht ohnehin vorgeschrieben, muss der Container in die Entgasungsanlage des Hafens gebracht werden.
- Die Beschäftigten, die für das Öffnen und Entladen der Container eingesetzt werden, sind regelmäßig zu unterweisen und zu schulen.
- Die am Löschen beteiligten Unternehmen müssen klare Regeln für das Vorgehen beim Öffnen und der Entladung von Containern vornehmen und diese Prozesse regelmäßig kontrollieren.
- Verschimmelte Materialien oder Produkte sollten mit einem Staubsauger der Filterklasse H entfernt werden. Alternativ können Oberflächen von Materialien oder Produkten mit Wasser und Spülmittel gereinigt bzw. die betroffenen Flächen mit Sprühpflaster behandelt werden.
- Sollten sich lebende oder tote Tiere im Container befinden, sollte der Container sofort verschlossen und ein Schädlingsbekämpfer beauftragt werden.
Problem weitgehend ignoriert
Laut Angaben des NDR hat zwischen 2015 und 2020 mit Ausnahme von Bremen in keinem norddeutschen Bundesland eine Arbeitsschutzbehörde den Zoll um Informationen zu Schadstoffen in Containern gebeten. Weder der Zoll noch die Arbeitsschutzbehörden verfügen derzeit über konkrete Zahlen zu potentiell schadstoffbelasteten Containern. Amtliche Schätzungen gehen aber von zumindest 20 Prozent aller Container aus, was durch unabhängige Studien bestätigt wurde. Das Problem scheint für die Behörden daher leider (noch) nur zweitrangig zu sein. Es sind anscheinend Gefährdungen, die inzwischen als alltäglich akzeptiert werden. Das ist umso besorgniserregender, weil die Schadstoffe von den Containern somit unter Umständen sogar bis in die Haushalte der Verbraucher gelangen können.
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