Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Element im Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Was ist eine Gefährdungsbeurteilung?
Sie umfasst das systematische Ermitteln und Beurteilen bzw. Bewerten möglicher Gefährdungen am Arbeitsplatz sowie das Festlegen erforderlicher Maßnahmen (vgl. Arbeitsschutzgesetz, Gefahrstoffverordnung, Betriebssicherheitsverordnung). Ziel ist, Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu gewährleisten. Als Werkzeug zur Prävention können Unfälle und Berufskrankheiten verhindert bzw. verringert werden.
Die Gefährdungsbeurteilung kann sich auf den Arbeitsplatz oder Arbeitsbereich, die Tätigkeit, Arbeitsorganisation oder bestimmte Themen beziehen. So kann z.B. das Thema „Sicherheitsschuhe“ für das gesamte Unternehmen zusammenfassend beurteilt werden. Im Fokus können auch Personen stehen wie z.B. besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen (Jugendliche, Schwangere, Stillende oder - im Hinblick auf die Corona-Pandemie - ältere Beschäftigte oder Mitarbeiter mit Vorerkrankungen). Das Thema Mutterschutz muss in jeder Gefährdungsbeurteilung bearbeitet werden.
Gesetzliche Grundlage für die Gefährdungsbeurteilung sind i.W. §§ 5-6 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Konkrete Pflichten für den Umgang mit Gefahrstoffen, das Betreiben von Arbeitsmitteln und Arbeitsstätten sind in der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) bzw. Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) festgelegt. Dazugehörige Technische Regeln (TRGS, TRBS, ASR) liefern mögliche Maßnahmen und Hilfen für die Praxis. Auf der Ebene der Arbeitsstätten definiert z.B. die ASR V3 Gefährdungsbeurteilung als „die auf das Einrichten und Betreiben der Arbeitsstätte ausgerichtete systematische Ermittlung und Beurteilung aller möglichen Gefährdungen der Beschäftigten einschließlich der Festlegung der erforderlichen Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.“
Gefährdungsbeurteilung laut Arbeitsschutzgesetz
Die Gefährdungsbeurteilung wurde im ArbSchG erstmals 1996 geregelt. Im Rahmen von Aktualisierungen folgte u.a. eine verschärfte Dokumentationspflicht. Seit September 2013 müssen auch Gefährdungen betrachtet werden, die sich durch psychische Belastungen bei der Arbeit ergeben, also z.B. wie sich Zeitdruck oder neue Arbeitsformen auf die Beschäftigten auswirken. Ziel ist eine ganzheitliche Betrachtung, nämlich die menschengerechte Gestaltung der Arbeit.
Laut § 5 ArbSchG muss der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Gefährdungen können sich ergeben durch:
- Gestaltung und Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
- physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
- Gestaltung, Auswahl und Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
- Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
- unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
- psychische Belastungen bei der Arbeit.
Neben der Arbeitsorganisation müssen daraus abgeleitete Gefährdungs- und Belastungsfaktoren betrachtet werden. Dabei sind Faktoren der Sammelbegriff für Gefährdungen bzw. Belastungen, die durch gleichartige oder ähnliche Wirkungsweisen gekennzeichnet sind, z.B. mechanische Gefährdung oder psychische Belastungsfaktoren.
Bei welchen Arbeitsplätzen die Gefährdungsbeurteilung Pflicht ist
Eine Gefährdungsbeurteilung muss für jeden Arbeitsplatz im Unternehmen durchgeführt werden, sobald mind. ein Mitarbeiter beschäftigt ist. Allerdings ist bei gleichartigen Arbeitsbedingungen die Beurteilung eines Arbeitsplatzes bzw. einer Tätigkeit ausreichend und auch sinnvoll.
Wer darf eine Gefährdungsbeurteilung durchführen?
Der Arbeitgeber ist verantwortlich, dass Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt werden und zwar fachkundig. Nach § 13 Abs. 2 ArbSchG kann er zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen. Allerdings muss er überwachen bzw. kontrollieren, dass Gefährdungsbeurteilungen tatsächlich durchgeführt werden. Für etwaige Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftatbestände muss der Arbeitgeber rechtlich einstehen (Garantenstellung).
Wann muss eine Gefährdungsbeurteilung gemacht werden?
Eine Gefährdungsbeurteilung muss erfolgen, bevor der Beschäftigte seine Tätigkeit beginnt. Eine Aktualisierung ist erforderlich v.a. bei:
- Neubeschaffung von Arbeitsmitteln,
- Einführen neuer Stoffe,
- Änderung von Arbeits- und Verkehrsbereichen, von Arbeitsverfahren und Tätigkeitsabläufen (Prozesse), der Betriebsorganisation, von gesetzlichen Vorgaben und Einstufungen, des Standes der Technik,
- Auftreten von Unfällen, Beinaheunfällen, Berufserkrankungen und anderen Erkrankungen.
Hinweis: Wenn Beschäftigte verschiedener Arbeitgeber zusammenarbeiten (Fremdfirmenmanagement) braucht es eine Koordination, wichtiger Bestandteil ist auch hier eine Gefährdungsbeurteilung.
Rechtssichere Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung
Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung müssen dokumentiert werden. Bei Unfällen oder Auftreten von Berufskrankheiten kann so gegenüber Behörden und der Berufsgenossenschaft belegt werden, dass der Unternehmer seine Pflicht erfüllt hat, Gefährdungen zu ermitteln und Schutzmaßnahmen festzulegen. Obwohl die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung auch ohne Unterschrift gültig ist, empfiehlt es sich diese zu unterschreiben.
Da die Auswahl der Dokumentationsform entscheidend zum Erfolg der Gefährdungsbeurteilung und deren nachhaltiger Einführung beiträgt, muss jedes Unternehmen die für sich passende Form finden. In der Praxis werden Softwarelösungen, Checklisten oder formfreie Lösungen eingesetzt.
Haufe Gefährdungsbeurteilung
Die intuitive Software bildet den gesamten Prozess der Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen ab: einfach und selbsterklärend, ohne Schulungsaufwand. Ein umfangreicher Gefährdungskatalog mit Schutzmaßnahmen und Muster-Gefährdungsbeurteilungen erleichtert die Arbeit und macht eine übersichtliche und rechtssichere Dokumentation möglich.
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Fazit
Die Gefährdungsbeurteilung ist Pflicht des Arbeitgebers: Für jeden Arbeitsplatz bzw. jede Tätigkeit, das Verwenden von Arbeitsmitteln, den Umgang mit Gefahrstoffen und wenn besonders schutzbedürftige Personen beschäftigt werden, müssen Gefährdungen ermittelt und beurteilt sowie erforderliche Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Bei Änderungen muss eine Aktualisierung erfolgen. Technische Regeln konkretisieren Vorschriften im Arbeitsschutz und liefern Informationen für die Umsetzung in der Praxis.