Absturzunfälle verhindern bei der Jenaer Nahverkehr GmbH
Thomas Jähnig, Bereichsleiter Infrastruktur beim Jenaer Nahverkehr, stellt sich den Fragen der Haufe Arbeitsschutz-Redaktion, wie es zur Entwicklung kam und warum sie sich gelohnt hat.
Herr Jähnig, wie viele Mitarbeiter und wie viele Fahrzeuge hat Ihr Unternehmen?
Beim Jenaer Nahverkehr arbeiten momentan über 316 Mitarbeiter, davon 20 Auszubildende. Unsere Busflotte besteht aus insgesamt 41 Fahrzeugen, davon 14 Gelenkbusse und 27 Standardbusse.
Wie viele Personen sind für die Wartung und Instandhaltung der Busse zuständig?
Den Dacharbeitsstand nutzen in der Regel etwa 10 Mitarbeitern und drei Azubis.
Wer ist auf die Idee des Dacharbeitsstandes gekommen?
Die Recherchen zur Lösung des Arbeitsschutzproblems gingen zunächst ausschließlich in die Richtung eines mobilen Arbeitsstandes bzw. mobilen begehbaren Gerüstes. Der Markt bietet dafür eine ganze Reihe von Lösungsmöglichkeiten. Zur Berücksichtigung sämtlicher Belange sind jedoch sehr aufwendige und kostenintensive Varianten erforderlich. Letztendlich haben alle diese Varianten den Nachteil, dass die Technik bei der Nichtnutzung sehr viel Platz benötigt und die verfügbaren Durchgänge einschränkt. Ein „Abstellen im toten Raum“ ist auch nicht möglich.
Am Beispiel der Straßenbahnwerkstatt wurde deshalb 2011 die Idee eines ortsfesten Dacharbeitsstandes für die Buswerkstatt geboren. Die hauptsächlichen Impulsgeber waren unser stellvertretender Bereichsleiter Technik, Konrad Stahl, und die Sicherheitsfachkraft, Lothar Kuse.
Gab es Arbeitsunfälle – also Absturzunfälle, die Auslöser für die Verbesserung der betrieblichen Sicherheit waren?
Die Wartung und Instandhaltung der Dachaufbauten erfolgte bis zur Inbetriebnahme des Dacharbeitsstandes mit Hilfe von Anstellleitern. Dass diese Lösung sehr große Unfallrisiken birgt, war bekannt. Nachdem sich im März 2009 ein Arbeitsunfall durch Umstürzen einer Leiter ereignete, entstand akuter Handlungsbedarf.
Musste für den Dacharbeitsstand eine neue Halle gebaut werden oder konnten die vorhandenen Räumlichkeiten entsprechend verändert werden?
Der Neubau einer Halle war nicht erforderlich. Es erfolgte die Nutzung von einem der vorhandenen 6 Arbeitsstände in der Buswerkstatt, wobei die Anpassung der Haustechnik im Dachbereich vorgenommen werden musste.
Wer hat den Dacharbeitsstand geplant und gebaut?
Für die Planung des Dacharbeitsstandes wurde das Ingenieurbüro Weißer in Rudolstadt und für die Lieferung bzw. Montage nach Ausschreibung die Suhler Hebezeugtechnik beauftragt.
Was hat der neue Dacharbeitsstand gekostet? Wie viel teurer ist das als der Vorgänger?
Die Gesamtkosten für den Dacharbeitsstand umfassen rund 50.600 € (netto) inkl. Planung und Umbau der Haustechnik. Der „Vorgänger“ war eine Aluminium-Leiter und ist deshalb nicht vergleichbar.
Die ausklappbaren Geländer sehen ein bisschen aus wie die Haltestangen im Bus. Wurde das gleiche Material eingesetzt wie in Ihren Bussen?
Für die gesamte Konstruktion wurde feuerverzinkter Stahl eingesetzt, der für die optische Gestaltung außerdem farblich behandelt wurde. Die Haltestangen in den Bussen sind in der Regel aus Aluminium. Die Funktionen sind jedoch schon vergleichbar.
Ist es zeitaufwendiger mit dieser Sicherheitsmaßnahme zu arbeiten?
Den Dacharbeitsstand an das jeweilige Fahrzeug anzufahren bedarf nur eines geringen zeitlichen Mehraufwands gegenüber der recht instabilen Leitervariante. Unter Betrachtung des Gewinns an Sicherheit und Arbeitskomforts ist dieser Mehraufwand zu vernachlässigen.
Wie haben sich die Unfallzahlen verändert, seit es den Dacharbeitsstand gibt?
Seit Einführung des Dacharbeitsstandes gab es keine Arbeitsunfälle im Zusammenhang mit der Arbeitsdurchführung auf Fahrzeugdächern.
Wie war die Reaktion Ihrer Mitarbeiter auf den neuen Arbeitsstand?
Unsere Mitarbeiter haben den Dacharbeitsstand sehr gut angenommen. Die deutlich erhöhte Arbeitssicherheit verbunden mit verbessertem Arbeitskomfort wurde sehr schnell wahrgenommen.
Gibt es schon neue Ideen, die betriebliche Sicherheit noch mehr zu verbessern?
Die Arbeitssicherheit für unsere Mitarbeiter besitzt in unserem Haus einen hohen Stellenwert. Die Anforderungen dazu entwickeln sich ständig weiter, worauf wir schnellstmöglich reagieren wollen.
Natürlich spielen dabei auch wirtschaftliche Überlegungen eine große Rolle. So werden Ideen weiter entwickelt oder aus dem täglichen Geschäft Notwendigkeiten aufgegriffen. Ich will damit sagen, dass es ein ständiger Prozess ist, die betriebliche Sicherheit zu erhöhen. Die „großen Würfe“ wie im Fall des Dacharbeitsstandes für die Buswerkstatt sind jedoch die Ausnahme und wiederholen sich nicht gleich wieder.
Das Preisgeld wurde übrigens anteilig für die Beschaffung eines Defibrillators verwendet.
Preisträger gelten auch immer als Vorbild. Können Sie Ihr Konzept des Dacharbeitsstandes auch für andere Verkehrsbetriebe empfehlen? Was sollten diese bedenken?
Dieser Dacharbeitsstand für unsere Buswerkstatt ist ein Unikat. Wegen der vergleichsweise einfachen und ausgesprochen funktionalen Bauweise ist die Modifizierung für andere Anwender jedoch problemlos möglich. Die Kosten rechnen sich unter Umständen bereits durch die Verhinderung eines einzigen Arbeitsunfalls.
Für die Beantwortung von Detailfragen stehen die verantwortlichen Mitarbeiter unseres Hauses gern zur Verfügung.
Vielen Dank, Herr Jähnig.
Das Interview führte Bettina Brucker M. A., Freie Journalistin und Autorin.
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