„Technik allein führt noch keine besseren Entscheidungen herbei. Die Kultur macht den Unterschied.“
Interviewpartner: Prof. Dr. Utz Schäffer ist Inhaber des Lehrstuhls für Controlling und Unternehmenssteuerung an der WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar sowie Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC) der WHU. Die Forschungsschwerpunkte von Utz Schäffer sind die Rolle des Controllers und die digitale Transformation der Finanzfunktion. Er ist Autor zahlreicher Publikationen in führenden Fachzeitschriften, Mitherausgeber der Zeitschrift Controlling & Management Review und des Journals of Management Control (JoMaC) sowie Co-Autor des Standardwerks " Einführung in das Controlling" (16. Aufl. 2020). Darüber hinaus ist Utz Schäffer Vorsitzender des Kuratoriums des Internationalen Controller Vereins (ICV) und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Unternehmensberatung CTcon GmbH.
Der Interviewer: Dr. Markus Kottbauer ist Gründer und Geschäftsführer von decision partners und der decision academy, einem Beratungs- und Trainingsunternehmen mit dem Schwerpunkt auf Entscheidungsfindung. Er ist Dozent zum Thema Strategie und Controlling an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich. Markus Kottbauer war 16 Jahre Trainer und Partner der Controller Akademie, war Herausgeber des Controller Magazins und Berater bei SAP und Ernst&Young Consulting.
Das Interview Teil 2: Entscheidungsprozesse bewusst gestalten
Wer ist Ihrer Erfahrung nach für die Professionalisierung von Entscheidungen in Unternehmen verantwortlich bzw. wer sollte diese verantworten?
Prof. Schäffer: Nun, wer sich Manager nennt, sollte sich hier auch verantwortlich fühlen. Da würde ich keine Ausnahme zulassen. Ich bin fest davon überzeugt: Controlling ist letztlich eine Managementphilosophie und bezüglich der Qualität von Entscheidungsprozessen stehen am Ende des Tages CEO und CFO in der Verantwortung. In der Praxis ist es aber natürlich auch häufig so, dass sich keiner so recht in der Pflicht sieht. Und genau hier kommt Controllern wieder eine zentrale Rolle zu: Sie können und sollen das Management bei der Professionalisierung unterstützen, bei Bedarf auf Defizite hinweisen und deren Beseitigung einklagen. Sie müssen sich kümmern.
Welche Rolle nimmt der Controller heute beim Thema Entscheidungsfindung ein?
Prof. Schäffer: Wir beobachten immer noch eine große Varianz in dem, was Controller im Kontext der Entscheidungsfindung wirklich beitragen. Seit bald 20 Jahren wird ja nun der Controller als Business Partner propagiert, also ein Controller, der in operative und strategische Entscheidungsprozesse involviert ist und dabei auf Augenhöhe mit dem Management agiert. Das ist auch mein Leitbild und so verstehe ich nicht zuletzt die Vision von Albrecht Deyhle. Wir sehen aber, dass die Umsetzung des hehren Ideals in den allermeisten Fällen weit hinter dem Postulat zurückbleibt. Viel zu häufig ist der Controller noch in erster Linie damit befasst, Berichte zu erstellen und händisch die Probleme in der Daten- und Systembasis zu kompensieren. Viel zu selten ist er wirklich der kritische Counterpart, der auch mal die Ideen des Chefs oder allseits geteilte Annahmen infrage stellt, neue Methoden einführt oder politische Spielchen durch eine konsequente Orientierung an Fakten und Analysen bloßstellt. Die gute Nachricht: es geht auch anders. Und viele Business Partner zeigen das durch ihre Arbeit Tag für Tag.
Wie kann erreicht werden, dass Entscheidungsprozesse in den Unternehmen bewusst gestaltet und professionalisiert werden?
Prof. Schäffer: Lassen Sie mich zwei Ansatzpunkte hervorheben. Zunächst: ich brauche einen Kümmerer, darüber hatten wir ja bereits gesprochen. Auch wenn primär die Leitung in der Pflicht ist, brauche ich im Alltag einen Eigentümer, einen, der die Flagge der Rationalitätssicherung voranträgt und immer wieder den Finger in die Wunde unprofessioneller Entscheidungsprozesse legt. Konstruktiv und mit freundlicher Penetranz. Also: Controller müssen sich kümmern! Ohne gute Entscheidungsprozesse kann es kein gutes Controlling geben.
Ein zweiter Ansatzpunkt: Ich muss eingefahrene Entscheidungsroutinen aufbrechen. Das ist nicht einfach, weil etablierte Prozesse und Denkmuster ungemein träge sind. Neben einem Kümmerer brauche ich also einen guten Veränderungsimpuls. Zwei Beispiele dafür:
- Bei der RWE wurden vor einigen Jahren etablierte Entscheidungsprozesse dadurch infrage gestellt, dass der damalige CFO kognitive Verzerrungen – also unbewusste, fehlerbehaftete Wahrnehmungs- und Entscheidungstendenzen von Menschen – als zentralen Engpass auf dem Weg zu besseren Entscheidungen identifiziert hatte. In einem mehrjährigen Projekt wurde dann das Management systematisch bzgl. der Bedeutung solcher Verzerrungen geschult und mit einfachen Techniken vertraut gemacht, die dazu beitragen können, damit verbundene Gefahren zu adressieren.
- Technische Neuerungen wie treiberbasierte Dashboards oder auch der Digital Boardroom von SAP ermöglichen in einem größeren Umfang als bislang datenbasierte Ad-hoc-Analysen in einer Sitzung. Das stellt schnell wenig fundierte Aussagen und eingefahrene Interaktionsmuster infrage. Sicherlich, Technik allein führt noch keine besseren Entscheidungen herbei. Die Kultur macht den Unterschied. Aber die Einführung solcher Systeme ist allemal ein guter Anlass, um auf Veränderungen hinzuwirken. Und auch hier gilt: Konsequentes Vorleben kann Wunder bewirken.
Lesen Sie hier Teil 1 „Neben Daten und Tools kommt es in der Krise vor allem auf die Eigenschaften des Entscheiders an.“
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Hinweis: Das vollständige Interview finden Sie in: Markus Kottbauer/Andreas Klein (Hrsg.), "Unternehmerische Entscheidungen systematisch vorbereiten und treffen", 1. Aufl. 2020. |
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