Regelmäßig beschäftigt sich das IFRS IC mit einer Vielzahl von Fragestellungen. Bei einigen dieser Fragen wurde entschieden, sie nicht auf die Agenda des IFRS IC zu nehmen. Diese Agenda-Entscheidungen verändern nicht die Anforderungen der IFRS. Dies gilt auch, soweit sie Begründungen enthalten, die in dem von der IFRS Foundation veröffentlichten Due Process Handbook als erläuternde Materialien (Explanatory Material) bezeichnet werden. Diese Entscheidungen wurden jeweils mit einer Begründung im IFRIC Update veröffentlicht. Die erläuternden Materialien geben Hinweise, wie die anwendbaren Prinzipien und Anforderungen der IFRS auf die in der Agenda-Entscheidung beschriebenen Geschäftsvorfälle und Sachverhalte anzuwenden sind. Erläuternde Materialien in Agenda-Entscheidungen können zusätzliche Erkenntnisse liefern, die das Verständnis eines Unternehmens von den Anforderungen in den IFRS verändern können.
Da die Agenda-Entscheidungen keine IFRS darstellen, enthalten sie auch keinen Erstanwendungszeitpunkt. Muss ein Unternehmen als Folge von erläuternden Materialien in einer Agenda-Entscheidung seine eigene Rechnungslegungspolitik ändern, soll es dennoch ausreichend Zeit haben, um diese Entscheidung zu treffen und jede notwendige Änderung der Bilanzierungsmethoden umzusetzen (bspw. müssen ggf. neue Informationen eingeholt oder Systeme angepasst werden). Die Bestimmung, wie viel Zeit für eine Änderung der Bilanzierungsmethoden ausreicht, ist eine Ermessensfrage, die von den besonderen Tatsachen und Umständen eines Unternehmens abhängt. Nichtsdestotrotz wird von einem Unternehmen erwartet, dass es jede Änderung zeitnah umsetzt und, falls wesentlich, prüft, ob die IFRS eine Angabe im Zusammenhang mit der Änderung verlangen. In einer Rede führte das ehemalige IASB-Mitglied Sue Lloyd aus, dass der IASB hinsichtlich der Umsetzung einer Agenda-Entscheidung eher an Monate als an Jahre gedacht habe.
Nachfolgend wird ein kurzer Überblick über ausgewählte Agenda-Entscheidungen der letzten 12 Monate gegeben, bei denen Hinweise zur Anwendung der Prinzipien und Anforderungen der IFRS auf die in der Agenda-Entscheidung beschriebenen Geschäftsvorfälle und Sachverhalte aus den erläuternden Materialien erkennbar waren. Eine vollständige Liste von Themen, die nicht auf die Agenda des IFRS IC genommen wurden, ist mit der jeweiligen Begründung auf der Website des IASB (www.ifrs.org) abrufbar.
3.1 IFRS 15: Softwarehändler als Prinzipal oder Agent (April 2022)
In dieser Agenda-Entscheidung befasste sich das IFRS IC mit der Frage, ob ein Softwarehändler im dargestellten Sachverhalt als Prinzipal oder als Agent bei der Anwendung von IFRS 15 zu behandeln ist.
Die Entscheidung des IFRS IC erfolgte auf der Basis des folgenden Sachverhalts:
- Ein Händler hat eine Vertriebsvereinbarung mit einem Softwarehersteller, die dem Händler das Recht einräumt, die Standardsoftwarelizenzen des Herstellers an Kunden zu verkaufen. Der Händler ist verpflichtet, jeden Kunden vor dem Verkauf der Softwarelizenzen zu beraten, um die Art und Anzahl der Softwarelizenzen zu ermitteln, die den Bedürfnissen des Kunden entsprechen. Außerdem legt der Händler die Preise für die Softwarelizenzen fest.
- Falls der Kunde sich entscheidet, keine Softwarelizenzen zu kaufen, bezahlt er nichts. In diesem Fall kommt zwischen dem Händler und dem Kunden kein Vertrag zustande. Falls der Kunde sich für den Kauf einer bestimmten Art und Anzahl von Softwarelizenzen entscheidet, legt der Händler den Preis fest, gibt im Namen des Kunden eine Bestellung beim Softwarehersteller auf (und bezahlt den Hersteller) und stellt dem Kunden den vereinbarten Preis in Rechnung.
- Der Softwarehersteller stellt dem Kunden die bestellten und auf seinen Namen ausgestellten Softwarelizenzen über ein Softwareportal zusammen mit dem benötigten Aktivierungsschlüssel zur Verfügung. Der Softwarehersteller und der Kunde schließen einen Vertrag, in dem das Recht des Kunden zur Nutzung der Software, eine Garantie für die Funktionalität der Software und die Laufzeit der Lizenz festgelegt sind.
- Wenn der Händler den Kunden falsch berät, kann der Kunde die Lizenzen ablehnen. Der Händler kann die nicht abgenommenen Lizenzen nicht an den Softwarehersteller zurückgeben oder an einen anderen Kunden verkaufen.
Die Einstufung des Händlers als Agent oder Prinzipal erfolgt nach den Regelungen in IFRS 15.B34 – B38. Wenn eine andere Partei an der Lieferung der Güter oder an der Erbringung der Dienstleistung an den Kunden beteiligt ist, hat das Unternehmen die Art seiner Zusage zu bestimmen und festzustellen, ob seine Leistungsverpflichtung darin besteht, die Güter zu liefern oder die Dienstleistung selbst zu erbringen (in diesem Fall agiert es als Prinzipal), oder darin, diese andere Partei mit der Lieferung der Güter bzw. Erbringung der Dienstleistung zu beauftragen (in diesem Fall agiert es als Agent).
Um die Art der Zusage zu bestimmen, sind nach IFRS 15.B34A zunächst die gemäß Vertrag versprochenen Güter und Dienstleistungen zu bestimmen. Anschließend ist zu prüfen, ob der Händler für jedes spezif...