Rz. 144
Die Analyse der Vermögensstruktur liefert Informationen über die Zusammensetzung der Aktivseite einer Bilanz. Die Verwendung des Kapitals soll dabei nach Art und Zusammensetzung der konkreten investiven Nutzung untersucht werden. Daneben sollen Informationen über die in den Vermögensgegenständen gebundene Liquidität sichtbar werden. Je geringer die Dauer der Vermögensbindung, desto positiver wirkt dies auf die Liquiditätssituation des Unternehmens, die Gefahr der Illiquidität nimmt ab, die Anpassungsfähigkeit an Beschäftigungsänderungen und die Flexibilität des Unternehmens nehmen zu. Als Einstieg sind vor allem folgende Gliederungs- bzw. Intensitätskennzahlen bedeutsam:
Langfristvermögensintensität |
= |
langfristiges Vermögen |
Gesamtvermögen |
Sachanlagevermögensintensität |
= |
Sachanlagevermögen |
Gesamtvermögen |
Goodwill-Intensität |
= |
Goodwill |
Gesamtvermögen |
Lieferforderungenintensität |
= |
Lieferforderungen |
Gesamtvermögen |
Zahlungsmittelintensität |
= |
Zahlungsmittel und -äquivalente |
Gesamtvermögen |
Rz. 145
Diese Gliederungszahlen heben Investitionsschwerpunkte, das betriebliche Liquiditätspotenzial, Bindungsrisiken sowie die Dispositionselastizität des Managements hervor. Zur betriebswirtschaftlichen Bewertung werden diese Kennzahlen im zeitlichen Vergleich hinsichtlich ihrer Veränderung und im überbetrieblichen Vergleich z. B. mit Branchendurchschnittswerten verglichen, um Auffälligkeiten in der Vermögensbindung des Unternehmens festzustellen. Für die finanzielle Analyse sind daraus Hinweise auf Investitionsschwerpunkte, Liquidierbarkeit, Bindungsrisiken und finanzielle Dispositionselastizität des Vermögens zu entnehmen.
Rz. 146
Die Analyse von Vermögensgegebenheiten auf der Basis ausgewiesener Bilanzzahlen ist nicht unproblematisch. Zum einen sind diese Zahlen beeinflusst durch Ansatz- und Bewertungswahlrechte handels- und ggf. noch steuerrechtlicher Art oder abweichende Regelungen nach IFRS sowie durch unvermeidliche Einschätzungsspielräume, z. B. wegen Zukunftsungewissheit. Zum anderen bestehen unterschiedliche Bewertungsobergrenzen, sodass u. U. beträchtliche stille Reserven durch über den Anschaffungswert hinaus gestiegene Zeitwerte vorhanden sein können bzw. auch ausgewiesen sind. Gerade etwa bei der Goodwill-Intensität prallen Abbildungen aufeinander, wo ggf. nach HGB noch erfolgsneutral verrechnete oder planmäßig abgeschriebene Geschäfts- oder Firmenwerte kaum nennenswerte Buchwerte ausmachen, während nach IFRS durch die Aktivierungspflicht und nur außerplanmäßige Abschreibungsnotwendigkeit dort sehr große Beträge stehen können.
Rz. 147
Zudem ist in den letzten Jahren eine starke Änderung der Vermögensstrukturen durch Finanzierungsgeschäfte zu konstatieren. Immer mehr Unternehmen insbesondere aus dem Automobil-, Flugzeug-, Schiff- und Anlagenbau haben die Finanzierung des Absatzes entweder als wertschaffende Erweiterung des Geschäftes oder aber auf Druck der Nachfrager mit anzubieten. Dies führt dazu, dass Unternehmen der verarbeitenden Industrie somit häufig hohe Finanzvermögens- und Finanzschuldenanteile in der Bilanz auszuweisen haben, die die Relationsbetrachtungen erschweren. Im Gegenzug führt diese Entwicklung, je nach Ausgestaltung der Leasingverträge, in anderen Branchen ebenfalls zu verzerrten Vermögensrelationen, da betriebsnotwendiges Vermögen in der Bilanz nicht mehr ausgewiesen wird.