Zusammenfassung
Aus den absoluten Angaben des buchhalterischen Jahresabschlusses lassen sich der Erfolg und das Wirtschaften eines Unternehmens nicht umfassend erkennen und beurteilen. Erst wenn bestimmte Daten und Zahlen aufbereitet und zueinander in Beziehung gesetzt werden, ist eine fundierte und vollständige Information unterschiedlicher Adressaten möglich. Mit dieser zweckgerichteten Auswertung des Jahresabschlusses beschäftigt sich die Bilanzanalyse. Neben Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung werden bei größeren Kapitalgesellschaften auch Anhang und Lagebericht analysiert. Die Bilanzanalyse wird auch als Bilanzkritik, Bilanzprüfung oder Bilanzbeurteilung bezeichnet. Der Beitrag dient vor allem dem Einstieg und verschafft einen Überblick.
1 Aufgaben und Ziele der Bilanzanalyse
Aufgabe der Bilanzanalyse (BA) ist es, aus den verfügbaren Zahlen und Daten des Jahresabschlusses eines Unternehmens zusätzliche Informationen zur Analyse und Bewertung der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu generieren. Ziel ist die Beurteilung der gegenwärtigen und die Prognose der zukünftigen wirtschaftlichen Lage und Entwicklung des betrachteten Unternehmens für interessierte Dritte wie
- Geschäftsführung und Führungskräfte,
- Aktionäre,
- Kreditgeber,
- Aufsichtsbehörden,
- Wirtschaftsprüfer,
- Arbeitnehmer und Gewerkschaften,
- Lieferanten,
- Kunden oder
- andere Geschäfts- und Kooperationspartner, z. B. Entwicklungslabors oder Universitäten.
Besondere Bedeutung hat die Bilanzanalyse, wenn es um Bonitätsbewertungen, Kreditverhandlungen, Finanzanalysen, den Abschluss von Kunden- und Lieferantenverträgen oder um bevorstehende Firmenkäufe oder Börsengänge geht.
2 Dominanz der externen Bilanzanalyse
Es wird zwischen der externen und internen Bilanzanalyse unterschieden, wobei die interne Bilanzanalyse eine umfassende Betriebs- und Unternehmensanalyse darstellt. Es kann auf eine Vielzahl zusätzlicher Informationen aus dem Unternehmen zurückgegriffen werden, die dem externen Betrachter nicht zur Verfügung stehen, etwa zur Auftragsentwicklung, den exakten Auswirkungen geplanter, aber nicht im Abschluss dargestellter Geschäftsfälle (z. B. Investitionen) oder zum genauen Stand von Produktentwicklungen und -markteinführungen. Unter Bilanzanalyse im Allgemeinen wird daher die externe Analyse verstanden und sie ist die Grundlage der weiteren Ausführungen. Hauptinformationsquelle für die externe Bilanzanalyse ist der Jahresabschluss, der nach § 242 Abs. 3 HGB neben der Bilanz die Gewinn- und Verlustrechnung umfasst; bei Kapitalgesellschaften kommen noch Anhang und Lagebericht hinzu.
3 Bilanzanalyse in vier Schritten
3.1 Bilanzlesung
Der Blick auf Kapital, Vermögen, Bilanzsumme, Umsatz und Gewinn verschafft einen ersten Eindruck über das Verhältnis der großen Positionen zueinander und gibt ein Gefühl für Struktur und Verteilung der Proportionen. Selbstverständlich beinhaltet die Bilanzlesung das Studium von Lagebericht und Anhang.
3.2 Zeitvergleich (z. B. mithilfe einer Bewegungsbilanz)
Die Zahlen des aktuellen Jahresabschlusses werden den Zahlen des Vorjahres (besser mehrerer Jahre) gegenübergestellt. Die meisten großen Kapitalgesellschaften sind inzwischen dazu übergegangen, für die wichtigsten Daten Zeitreihen von 5 oder mehr Jahren zu bilden. Die Betrachtung der Veränderung von Bilanzsummen, Umsätzen und Gewinnen ermöglicht das Erkennen von Trends. Die Veränderungen zwischen den Geschäftsjahren lassen sich auch mittels einer Bewegungsbilanz darstellen. Eine Bewegungsbilanz ist eine Bilanz, die nicht wie bei einer "normalen" Bilanz im Jahresabschluss die Bestände ausweist, sondern Veränderungen der Bilanzpositionen während einer Periode, z. B. einem Jahr. Ziel ist es, Mittelherkunft (z. B. Darlehensaufnahme) und Mittelverwendung (z. B. Investitionen in Sachanlagen) transparent darzustellen. Um eine Bewegungsbilanz erstellen und Veränderungen erkennen zu können, werden 2 aufeinanderfolgende Jahresabschlüsse benötigt.
Bewegungsbilanz-Veränderungen |
Mittelverwendung |
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Mittelherkunft |
I. Veränderung Aktiva |
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II. Veränderung Passiva |
1. Anlagevermögen |
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1. Eigenkapital |
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Immaterielle Vermögensgegenstände |
90 |
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Kapital |
0 |
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Sachanlagen |
1.900 |
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Rücklagen |
100 |
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Finanzanlagen |
1.050 |
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Gewinn |
710 |
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Veränderung Anlagevermögen gesamt |
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3.040 |
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Veränderung Eigenkapital gesamt |
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810 |
2. Umlaufvermögen |
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2. Rückstellungen (ohne Pensionsrückstellungen) |
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380 |
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Vorräte |
-700 |
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Forderungen |
670 |
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3. Verbindlichkeiten |
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Sonstige Vermögensgegenstände |
760 |
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Langfristige Verbindlichkeiten |
3.390 |
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Wertpapiere |
1.770 |
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Mittelfristige Verbindlichkeiten |
1.840 |
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Flüssige Mittel |
10 |
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Kurzfristige Verbindlichkeiten |
810 |
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Rechnungsabgrenzungsposten |
550 |
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Rechnungsabgrenzungsposten |
-1.130 |
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Veränderung Umlaufvermögen gesamt |
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3.060 |
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Veränderung Verbindlichkeiten gesamt |
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4.910 |
SUMME AKTIVA |
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6.100 |
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SUMME PASSIVA |
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6.100 |
Abb. 1: Beispiel einer Bewegungsbilanz
3.3 Erstellen einer Strukturbilanz
Üblich ist eine Untergliederung der Einzelpositionen nach Laufzeiten. Hieraus kann der Bilanzanalyst erkennen, welche Geldquellen zu welchem Zeitpunkt erschöpft sind oder wie lange das Kapital beim Einsatz für Investitionen, Vorratsbeschaffung oder für Gel...