Dipl.-Finw. (FH) Anna M. Nolte
Bei der Beurteilung eines Buchführungsfehlers ist nicht auf die formale Bedeutung des Mangels, sondern auf dessen sachliches Gewicht abzustellen. Wurden vorwiegend Bargeschäfte getätigt, können Mängel der Kassenführung den gesamten Aufzeichnungen die Ordnungsmäßigkeit nehmen.
Bei Fehlen von geordnet aufzubewahrenden Belegen ist eine Buchführung nicht ordnungsgemäß. Da zu jeder Buchung ein Beleg vorhanden sein muss, ist der Begriff des Belegs funktional zu verstehen. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung anhand von Belegen verfolgen lassen. Weisen Tagesendsummenbons (sog. Z-Bons) keine Stornobuchungen aus, lässt sich nicht mehr feststellen, ob lediglich Fehlbuchungen oder auch Einnahmebuchungen an sich gelöscht wurden. Die erforderliche Vollständigkeit der Buchungen ist infolge dieser Veränderungen nicht gewährleistet.
Verstöße gegen die Vorschriften zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen (§§ 140 – 147 AO) können die folgenden Maßnahmen nach sich ziehen:
Anwendung von Zwangsmitteln
, Schätzung oder eine Ahndung. Die Verletzung der Buchführungspflichten ist unter bestimmten Voraussetzungen als Insolvenzstraftat strafbar.
Die Überschreitung der Frist zur Erstellung der Bilanz kann die Nicht-Ordnungsmäßigkeit der gesamten Buchführung nach sich ziehen.
6.1.7.1. Anwendung von Zangsmitteln
Zwangsmittel sind z. B. denkbar in Fällen der Führung und Aufbewahrung von elektronischen Büchern oder sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen oder Teilen davon in einem Drittstaat, wenn der Steuerpflichtige bestimmten Aufforderungen der Finanzverwaltung zur Einräumung des Datenzugriffs nicht nachkommt (§ 146 Abs. 2c AO, ggf. i. V. mit § 328 AO).
6.1.7.2. Schätzung
Werden bei bestehender Buchführungspflicht keine Bücher geführt oder ist die Buchführung nicht ordnungsmäßig, ist der Gewinn unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls zu schätzen. Das gilt auch bei nicht ordnungsmäßger freiwilliger Buchführung. Ggf. erfolgt die Schätzung durch Anwendung von Richtsätzen. Stützt das FG die von ihm angenommene Schätzungsbefugnis auf einen formellen Mangel der Buchführung oder der Aufzeichnungen, muss es Feststellungen dazu treffen, welches Gewicht dieser Mangel hat. Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall maßgebend. Dabei berechtigen formelle Buchführungsmängel nur zur Schätzung, soweit die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses aus nachvollziehbaren Gründen anzuzweifeln ist. Auf einen ggf. geplanten Austausch der Schätzungsmethode hat das FG zuvor im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs gerichtlich hinzuweisen (§ 76 Abs. 2 FGO).
6.1.7.3. Ahndung
Seit Einführung des § 146a AO durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen v. 22.12.2016 wurden drei weitere Steuergefährdungstatbestände aufgenommen, und zwar die unrichtige Verwendung eines in § 146a Abs. 1 Satz 1 AO genannten Systems, den mangelnden Schutz eines in § 146a Abs. 1 Satz 2 AO genannten Systems sowie die unrechtmäßige Bewerbung oder das unrechtmäßige In-Verkehr-bringen von in § 146a Abs. 1 Satz 5 AO genannten Systemen. Die Regelungen dazu sind enthalten in § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4-6, Abs. 6 AO. Eine solche Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 25.000 EUR geahndet werden. Darunter fallen Vorgänge, in denen z. B. aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge nicht einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und/oder geordnet aufgezeichnet werden. Darüber hinaus wurde klargestellt, dass künftig auch die nachträgliche Manipulation von Grundaufzeichnungen, wie z. B. durch Manipulations-Software, unter den Steuergefährdungstatbestand des § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO fällt.
Weitere Steuergefährdungstatbestände wurden durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates v. 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts v. 20.12.2022 (BGBl. 2022 I S. 2730) mit Wirkung ab 1.1.2023 aufgenommen:
- Nach § 379 Abs. 1 Nr. 7, 8 AO handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen der Regelungen des § 147 Abs. 1 Nr. 1-3 oder 4 AO (z. B. Bücher, Aufzeichnungen, Buchungsbelege) nicht oder nicht für die vorgeschriebene Dauer aufbewahrt oder entgegen der Regelungen des § 147a Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 AO (Aufzeichnungen und Unterlagen bestimmter Steuerpflichtiger) eine Aufzeichnung oder eine Unterlage nicht oder nicht mindestens 6 Jahre aufbewahrt. Begründet wird die Regelung damit, dass aufbewahrungspflichtige Aufzeichnungen und Unterlagen ein wesentliches Instrument sind, um die Richtigkeit der Angaben des Steuerpflichtigen überprüfen zu können. Sofern ein Steuerpflichtiger diese Unterlagen nicht vollständig oder gar nicht aufbewahrt oder nachträglich vernichtet, kann dieses eine Außenprü...