Prof. Dr. Reinhold Hölscher, Dr. Matthias Michael Nelde
Während die Liquiditätsbündelung durch Kapitaltransfers die Grundlage des beschriebenen physischen Cash Poolings bildet, werden die Salden der Quellenkonten beim Fiktiven Cash Pooling, auch virtuelles oder Notional Cash Pooling genannt, nicht auf einem reellen Master Account zusammengefasst. Vielmehr findet die Zusammenführung nur rechnerisch auf einem internen Verrechnungskonto statt, um so die Grundlage für die Ermittlung der Soll- und Habenzinsen zu erhalten. Die Salden der Quellenkonten bleiben jedoch unverändert bestehen.
Art der Zinsverrechnung
Die fiktiv zu einem aggregierten Gesamtsaldo saldierten Konten bilden die Berechnungsgrundlage für die tägliche Zinsermittlung der Bank, wobei sich bei der praktischen Umsetzung des Verfahrens drei Methoden unterscheiden lassen. Bei der Brutto-Methode werden den Quellenkonten zunächst die vereinbarten Zinsen zugerechnet. Der Vergleich der kumulierten Quellenkontenzinsen mit der fiktiven Zinszahlung bei Saldierung aller Einzelsalden ergibt dann einen Ausgleichsbetrag, der von dem Kreditinstitut an die Konzernmutter überwiesen wird. Hierbei besteht wiederum die Möglichkeit, diesen Zinsvorteil bei der Konzernmutter zu belassen oder diesen über einen geeigneten Verteilungsschlüssel innerhalb eines internen Verrechnungssystems den Konzerntöchtern gutzuschreiben. Bei der Netto-Methode werden für die Quellenkonten keine bankseitigen Zinszahlungen ausgelöst, da diese zinsfrei gestellt werden. Vielmehr legt die Bank unmittelbar den fiktiven Gesamtsaldo aller einbezogenen Pool-Konten der Zinsberechnung zugrunde. Die Konzernmutter kann diese Gesamtzinszahlungen dann über ein internes Verrechnungssystem auf die Konzerntöchter verteilen. Bei dem Verfahren der Zinssatzanpassung werden auf Basis unterschiedlicher Berechnungen die Zinssätze der Quellenkonten angepasst, so dass dabei ein positiver Zinseffekt über alle Einzelkonten gegenüber einer unangepassten Zinssituation resultiert. Über einen vereinbarten Verteilungsschlüssel passt das Kreditinstitut in Abhängigkeit des fiktiven Gesamtsaldos des Konzerns die Zinssätze in der Form an, dass die Haben-Zinssätze von Quellenkonten mit Haben-Saldo erhöht und umgekehrt die Soll-Zinssätze bei Soll-Salden-Konten vermindert werden. Gegenüber der Brutto- und Nettomethode besteht dabei nicht die Notwendigkeit der Verrechnung der Zinsvorteile aus dem fiktiven Cash Pooling über ein Transfersystem, da diese direkt über die originären Zinssätze der Quellenkonten allokiert werden.
Eignung des fiktiven Cash Poolings
Das fiktive Cash Pooling bietet sich an, wenn auf Ebene des Konzerns keine Liquidität benötigt wird, eine reale Umverteilung der Liquidität zwischen den Konzerngesellschaften nicht gewünscht ist, die Konzerntöchter die Finanzmittelhoheit behalten sollen oder die bestehenden Salden der Quellenkonten nur gering ausgeprägt sind und dadurch hohe Verwaltungskosten vermieden werden können. Nicht geeignet ist das fiktive Cash Pooling für bankenübergreifende Cash Pooling-Systeme (Overlay Strukturen), da nur schwer eine Lösung für die Verteilung des entstandenen Zinsverlustes zwischen den beteiligten Kreditinstituten gefunden werden kann.
Wirkung des Zero Balancing
Das folgende Beispiel dient der Verdeutlichung der Wirkung des Zero Balancing als klassische und weitverbreitete Variante des Cash Poolings.
Salden
Ein Konzern verfügt über vier Tochterunternehmen T1, T2, T3 und T4. Tochterunternehmen T1 weist auf seinem Konto einen Positivsaldo von 2 Mio. EUR auf, die Salden der Tochterunternehmen T2 bis T4 belaufen sich auf 1 Mio. EUR, -1,5 Mio. EUR und 1,5 Mio. EUR. Der Saldo des Kontos des Mutterunternehmens M beträgt -0,75 Mio. EUR.
Zinsertrag/-aufwand ohne Cash Pooling
Die Töchter T1, T2 und T4 erzielen durch ihre Guthaben, die vom Kreditinstitut mit 1 % p. a., 1,5 % p. a. und 1,25 % p. a. verzinst werden, monatliche Zinserträge in Höhe von 1.667 EUR, 1.250 EUR und 1.563 EUR (diese berechnen sich aufgrund der unterjährigen Verzinsung als Produkt aus Kontensaldo mal 1/12 des Jahreszinssatzes). Hingegen müssen sowohl das Mutter- als auch das Tochterunternehmen T3 aufgrund der Negativsalden Sollzinsen von 6,5 % p. a. bzw. 7,0 % p. a. zahlen. Daraus resultiert eine monatliche Zinsbelastung in Höhe von 4.063 EUR bzw. 8.750 EUR. Aus dem Saldo der einzelnen Zinsbeträge folgt, dass trotz eines konzernweit vorhandenen positiven Liquidiätsbestands eine monatliche Zinsbelastung von 8.333 EUR besteht (vgl. Abb. 2).
Abb. 2: Monatliche Zinszahlungen ohne Cash Pooling (Vorzeichen der Zahlungsströme aus Konzernsicht, Kontensaldo < 0 Zinsaufwand, Kontensaldo > 0 Zinsertrag)
Effekt des Cash Pooling-Modells
Beim Cash Pooling werden die Ursprungskonten der Tochter- und des Mutterunternehmens hingegen zunächst auf der Ebene der Konzernspitze zusammengefasst. Durch Kumulation der Kontensalden ergibt sich auf dem Master Account ein Gesamtguthaben von 2,25 Mio. EUR (= 2 Mio. EUR + 1,0 Mio. EUR - 1,5 Mio. EUR + 1,5 Mio. EUR - 0,75 Mio. EUR = 2,25 Mio. EUR). Di...