Dr. Walter Schmidt, Dipl.-Ing. Rainer Vieregge
1.2.1 Wertschöpfung entsteht in der Schnittmenge von Wertrealisierung und Werthaltigkeit
Das Modell der wirtschaftlich relevanten Qualität führt direkt zum Themenfeld der Wertschöpfung, die im Zentrum der auf die nachhaltige Entwicklung des Unternehmenswertes gerichteten Führung mit messbaren Zielen steht. Im Controlling spricht man in diesem Zusammenhang von "wertorientierter Unternehmenssteuerung".
Nachhaltige Wertschöpfung im Fokus
Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Wertschöpfung benötigt das Zusammenspiel von Wertrealisierung und Werthaltigkeit (s. Abb. 7).
Abb. 7: Wertschöpfung
Wert ist die Zuordnung eines Präferenzmaßes für den Willen, eine Kooperations- und Zahlungsbeziehung zwischen Menschen zu realisieren, die Güter und Leistungen miteinander tauschen. Dabei ist vorausgesetzt, dass beide Kooperationspartner Gut bzw. Leistung des jeweils anderen ohne Tausch nicht erlangen können.
Wertrealisierung setzt Einigung über Wert voraus
Wenn wir auf einer Bergwanderung Wasser aus einem Bach trinken, werden wir nicht auf die Idee kommen, dafür Geld zu bezahlen. Auf der Berghütte angekommen, zahlen wir selbstverständlich für ein kühles Radler, weil es uns ohne den Tausch gegen Geld nicht zur Verfügung steht.
Solange der Tausch nicht stattfindet, haben die Tauschobjekte (in unserem Beispiel Radler und Geld) sowohl für den Wirt als auch für den Wanderer nur einen fiktiven Wert. Der Wirt kalkuliert den Preis für das Radler, hat aber noch kein Geld. Der Wanderer kalkuliert die Kaufkraft seines Geldes, hat aber noch kein Radler. Wenn sich beide in einem der Situation angemessenen Zielbereich einigen können, kommt es zum Tausch und damit zur Realisierung des Werts – d. h. der Kooperations- und Zahlungsbeziehung zwischen Wirt und Wanderer.
Eindeutige Definitionen vermeiden Missverständnisse
An dieser Stelle zeigt sich eine Quelle für Missverständnisse zwischen Controllern und Qualitätsmanagern: Wenn Controller von "Bewertung" sprechen, meinen sie die Kalkulation des Preises für ein Tauschobjekt bzw. die Kalkulation der Kaufkraft des verfügbaren Geldes. Wenn Qualitätsmanager von "Bewertung" sprechen, meinen sie die meist durch Messungen festzustellende Bedeutung eines Sachverhalts.
Langfristige Beziehungen aufbauen
Wertrealisierung ist also an jeweils einzigartige und einmalige Tauschvorgänge gebunden. Unser Hüttenwirt z. B. kann darauf setzen, dass zufällig immer andere Wanderer vorbeikommen und sein Radler kaufen. Er kann aber auch darauf setzen, dass seine Hütte auf den Wanderkarten verzeichnet ist, dass sich sein freundlicher Service und die tolle Lage der Hütte herumsprechen etc. Wenn er damit erfolgreich ist, kommen Menschen zum Teil wegen der Reputation seiner Hütte. Es kommt zum Aufbau stabiler, längerfristiger Beziehungen mit der Intention, mehrfache Tauschgeschäfte zu realisieren. Das verstetigt die Chancen für Hüttenwirt und Wanderer, miteinander ins Geschäft zu kommen. Das Verhältnis greift über den einzelnen Vorgang hinaus. Die Beziehungen halten länger – es entsteht "Werthaltigkeit". Je besser es Hüttenwirt und Wanderern gelingt, Werthaltigkeit und Wertrealisierung zu verbinden, umso dauerhafter wird das gegenseitige Geschäft. Wertschöpfung beruht auf dieser Verbindung.
Wenden wir uns den beiden Seiten etwas näher zu.
1.2.2 Aspekte der Wertrealisierung
Auszahlungen, Einzahlungen und Einkommen
Die Wertrealisierung gliedert sich in 3 verschiedene und zugleich eng miteinander verzahnte Bereiche (s. Abb. 8).
Wertrealisierung erst mit Einzahlung
Unternehmen erzeugen zunächst weder Einzahlungen noch wirtschaftlich relevante Qualität, sondern ausschließlich Auszahlungen. Inwieweit sich diese Auszahlungen in wirtschaftlich relevanter Qualität niederschlagen und daraus Einzahlungen entstehen, erweist sich erst im Nachhinein auf dem Absatzmarkt. Man darf daher nicht aus der Buchung (Fakturierung) von Umsatz vorschnell auf analoge Einzahlungen schließen. Aus dem Umsatz entstehen Forderungen, mehr nicht. Viele Unternehmen haben diesbezüglich schmerzvolle Erfahrungen mit dem Zahlungsverhalten ihrer Kunden und der damit verbundenen Finanzierung offener Posten. Wertrealisierung entsteht erst dann, wenn offene Posten durch Einzahlungen ausgeglichen sind.
Abb. 8: Aspekte der Wertrealisierung
Balance aus laufendem Geschäft und Zukunftssicherung
Aus den Einzahlungen der Wertrealisierung speisen sich die Auszahlungsmöglichkeiten sowohl für die laufende Erzeugung/Beschaffung und Verwertung von Produkten und Leistungen als auch für Tilgung und Zinsen, Kapitalkosten und Entnahmen sowie die Zukunftssicherung. Inwiefern zwischen Ein- und Auszahlungen eine Balance erreicht werden kann, hängt also weitgehend auch davon ab, welche Anforderungen an das laufende Geschäft und die Zukunftssicherung gestellt werden.
Insofern ist die möglichst frühzeitige Einbeziehung von Controllern und Qualitätsmanagern in die Entwicklung und Umsetzung der Unternehmensstrategie ein wichtiger Wettbewerbsfaktor: Wo können einerseits Qualitätsreserven und andererseits Verschwendung von Ressourcen im laufenden Geschäft identifiziert werden? Mit welchen Produkten und Leist...