Prof. Harald Schnell, Prof. Dr. Peter Saile
Zur Erreichung all dieser Anforderungen und Ziele werden in Anlehnung an das Toyota-Produktionsmodell Leitlinien zur Gestaltung des Fertigungsflusses formuliert, die im Nachfolgenden nur kurz angerissen werden können.
- Leitlinie 1: Montage entsprechend des Kundentakts
Kundentakt gibt Fließgeschwindigkeit vor
Wichtigste Leitlinie ist die konsequente Ausrichtung der Produktion am Kundentakt. Dadurch versucht man Montage- und Absatzgeschwindigkeit zu synchronisieren und Überproduktion zu unterbinden. Der Kundentakt berechnet sich, im dem man die verfügbare Zeit pro Schicht durch die vom Kunden benötigte Produktionsmenge pro Schicht teilt:
Kundentakt = |
Verfügbare Betriebszeit pro Schicht |
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Vom Kunden geforderte Produktionsmenge pro Schicht |
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Formel 1: Berechnung des Kundentakts
Demnach ergibt sich beispielhaft in einem Unternehmen mit einer verfügbaren Betriebszeit von 49.200 Sekunden und einer Plan-Produktionsmenge von 820 ein Kundentakt von 60 Sekunden pro Stück. Dies bedeutet, dass die Fertigung so auszulegen ist, dass alle 60 Sekunden ein Produkt fertig gestellt werden kann.
- Leitlinie 2: Einführung einer kontinuierlichen Fließfertigung
Des Weiteren sind die einzelnen Fertigungsprozesse so zu gestalten, dass eine kontinuierliche Fließfertigung entsteht und im Idealfall jedes gefertigte Produkt unmittelbar an die nächste Fertigungsstation weitergereicht werden kann (One-Piece-Flow). Durch Umsetzung dieses Prinzips sollen Puffer und Bestände vermieden werden. Falls in einer Fertigung doch Sicherheitsbestände erforderlich erscheinen, wird die Einführung von "Supermarkt-Pull-Systemen" empfohlen.
- Leitlinie 3: Verwendung von Supermarkt-Pull-Systeme
Einsatz als Bestandspuffer
Supermarkt-Pull-Systeme dienen als Bestandspuffer und werden an Fertigungsstationen eingebaut, wo eine kontinuierliche Fertigung nicht umsetzbar erscheint. Dies gilt vor allem für Prozesse, die technisch-bedingt lange Durchlaufzeiten aufweisen, räumlich zu weit entfernt stattfinden (z. B. Fremdfertigung) oder regelmäßig umgerüstet werden müssen, da sie mehrere Produktfamilien bedienen. Trotz der dadurch entstehenden Entkoppelung dieser Prozesse vom übrigen Fertigungsfluss gilt auch hier das Pull-Prinzip: es darf nur so viel produziert werden, wie die nachfolgende Prozesse unter Berücksichtigung der Sicherheitsbestände benötigen. Ggf. ist die Produktion zu unterbrechen.
- Leitlinie 4: Ansetzen der Produktionssteuerung an nur einer Stelle im Wertstrom
Ausrichtung Schrittmacher-Prozess
Die Produktionssteuerung wird bei Lean Production-Konzepten nur an einem Fertigungsprozess ausgerichtet, dem so genannten Schrittmacher-Prozess. Dessen Produktionsgeschwindigkeit wird durch den Kundentakt bestimmt. Gleichzeitig orientiert sich der Rhythmus der vorgelagerten Arbeitsschritte gemäß der Leitlinien 2 und 3 – soweit möglich – an dessen Fertigungsgeschwindigkeit.
- Leitlinie 5: Ausgleich des Produktionsmixes
Kleinere Losgrößen
Zur Vermeidung unnötiger Wartezeiten und dem Aufbau zu großer Bestände innerhalb des Produktionsflusses gilt das Prinzip, die geplante Produktionsmenge auf kleinere Losgrößen unterschiedlicher Varianten zu verteilen und das Produktionsprogramm häufiger zu wechseln. Zwar erhöhen sich dadurch die Rüstaufwendungen nicht unerheblich, dafür aber steigt die Flexibilität in der Produktion deutlich bei gleichzeitiger Vermeidung der sonst entstehenden Verschwendung.
- Leitlinie 6: Ausgleich des Produktionsvolumens
Transparenz durch ähnliche Produktionsvolumina
In Anknüpfung an Leitlinie 5 ist es des Weiteren Aufgabe der Produktionssteuerung, an Stelle zu großer Lose eine gleichmäßige Produktionsmenge am Schrittmacherprozess einzuplanen. So bleibt der gleichmäßige Fluss der Fertigung gewahrt, wodurch man den Überblick über das Verhältnis zwischen Fertigung und Kundenbedarf bewahrt, flexibel bleibt und Probleme rechtzeitig erkennen kann.
- Leitlinie 7: Aufbau der Fähigkeit "jedes Teil jeden Tag" produzieren zu können
Jedes Teil soll täglich produzierbar sein!
Als Konsequenz aus den genannten Leitlinien ergibt sich abschließend der Anspruch, in den dem Schrittmacherprozess vorgelagerten Prozessen, "jedes Teil jeden Tag" (Englisch auch EPEI genannt: Every Part Every Interval) produzieren zu können. Dies macht eine Reduktion sonst üblicher Losgrößen erforderlich, was wiederum eine hohe Flexibilität der Prozesse und Mitarbeiter voraussetzt. Dabei stellt das Umrüsten der Anlagen oftmals einen Engpass dar, weshalb es mit Einführung von Lean Production vordringlich notwendig ist, sämtliche Rüstprozesse im Unternehmen konsequent zu optimieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei Beachtung dieser Leitlinien mithilfe der Wertstrom-Methode ein optimierter Fertigungsablauf entstehen soll, bei dem die einzelnen Fertigungsschritte entweder mit dem jeweiligen Kunden "abgetaktet" sind oder durch Supermarkt-Pull-Systeme verbunden sind. Im Idealfall reicht dabei jede Fertigungsstation die bearbeiteten Teile einzeln an die nächste Station weiter ("One-piece-flow"). Damit ...