Prof. Dr. Reinhold Hölscher
Zusammenfassung
Die Finanzlage ist für ein Unternehmen von existenzieller Bedeutung, da Illiquidität die Insolvenz zur Folge hat. Daher dürfen im Finanzbereich eines Unternehmens nicht Improvisation und Reaktion vorherrschen. Vielmehr muss ein geplantes Handeln Platz greifen. Unter Finanzplanung verstehen wir folglich die zukunftsbezogene Erfassung und die an den Zielen des Unternehmens orientierte Gestaltung der finanziellen Größen, wie z. B. der Finanzströme und der Finanzbestände.
1 Begriff und Aufgaben der Finanzplanung
- Aktuelle Liquiditätssicherung: Im Rahmen der aktuellen (auch laufenden oder situativen) Liquiditätssicherung muss die jederzeitige Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens sichergestellt werden. Hierzu werden die zu erwartenden Ein- und Auszahlungen unter Berücksichtigung von Anfangsbeständen an finanziellen Mitteln einander gegenübergestellt. Gegebenenfalls anfallende Fehlbeträge sind auszugleichen, auftretende Überschüsse hingegen verzinslich anzulegen. Aufgrund der erforderlichen Präzision der Plangrößen umfasst die aktuelle Liquiditätssicherung lediglich einen Planungszeitraum von bis zu einem Jahr, wobei gestaffelte Teilplanungen vorgenommen werden, die eine umso größere Detailgenauigkeit aufweisen, je kürzer ihr Planungshorizont ist.
- Strukturelle Liquiditätssicherung: Je weiter der Planungshorizont in der Zukunft liegt, desto schwieriger ist die Prognose von Ein- und Auszahlungen. Daher verlagert sich die Betrachtung mit zunehmendem Planungshorizont von Zahlungsgrößen zu Vermögens- und Kapitalgrößen. Die strukturelle Liquiditätssicherung beruht auf der Analyse und Abstimmung von Kapitalbedarf und Kapitalbereitstellung, die im Wesentlichen in bilanziellen Größen zum Ausdruck kommen. Die strukturelle Liquidität wird allgemein dann als sichergestellt angesehen, wenn die bilanziellen Größen gewisse Normvorstellungen erfüllen, die in so genannten Finanzierungsregeln sichtbar werden.
- Rentabilitätssteigerung: Die Finanzplanung hat neben der Sicherstellung der Liquidität auch einen Beitrag zur Steigerung der Rentabilität zu leisten. Dies kann im Wesentlichen durch eine Minimierung der Finanzierungskosten, durch die Renditeoptimierung bei der Anlage überschüssiger Mittel sowie durch die Schaffung einer finanziellen Flexibilität, beispielsweise zur Realisierung leistungswirtschaftlicher Investitionsmöglichkeiten, erreicht werden.
- Vorhalten einer Liquiditätsreserve: Insbesondere aufgrund der mit der Finanzplanung verbundenen Unsicherheit über die Höhe und das zeitliche Auftreten zukünftiger Ein- und Auszahlungen muss ein Unternehmen zur Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit eine Liquiditätsreserve vorhalten. Die Bestimmungsfaktoren der Höhe der Liquiditätsreserve sind neben dem Risiko, dass die tatsächlichen Zahlungen von den geplanten abweichen, auch die (Opportunitäts-)Kosten der Liquiditätsreserve.
2 Konzeptionelle Grundtypen der Finanzplanung
Die Grundtypen der Finanzplanung können anhand der Kriterien Planungshorizont, Planungsebene, Anlass, Vollständigkeit, Erstellungsart, Erstellungszweck, zeitliche Aufeinanderfolge sowie Zusammenhang zu anderen betrieblichen Teilplänen deutlich gemacht werden.
Kriterium |
Gundtypen der Finanzplanung |
Planungshorizont |
Langfristige Finanzplanung Mittelfristige Finanzplanung Kurzfristige Finanzplanung |
Anlass der Planung |
Ordentliche Finanzplanung Außerordentliche Finanzplanung |
Vollständigkeit |
Finanzplanung auf Basis von Totalplänen Finanzplanung auf Basis von Partialplänen |
Erstellungsart |
Originär erstellte Finanzplanungen Derivativ erstellte Finanzplanungen |
Erstellungszweck |
Vorschau-Finanzplanung Vorgabe-Finanzplanung |
Zeitliche Aufeinanderfolge |
Rollende Finanzplanung Sich anschließende Finanzplanung |
Zusammenhang zu anderen betrieblichen Teilplanungen |
Sukzessive Finanzplanung Simultane Finanzplanung |
Tab. 1: Grundtypen der Finanzplanung
Nach der Fristigkeit können kurzfristige, mittelfristige und langfristige Finanzplanungen unterschieden werden. Während kurzfristige Finanzplanungen einen Planungshorizont von einem Monat bis zu zwölf Monaten aufweisen, überdecken mittelfristige Planungen Zeiträume von einem bis zwei Jahren. Langfristige Planungen beziehen sich auf Zeiträume von mehreren Jahren. Kurzfristige Planungen verwenden als Planungseinheit den Tag, die Woche, die Dekade oder den Monat. Demgegenüber legen mittel- und langfristige Planungen regelmäßig als Planungseinheit das Jahr zugrunde.
In Bezug auf den Planungsanlass lässt sich die Finanzplanung in eine ordentliche und eine außerordentliche Planung unterscheiden. Während bei der ordentlichen Finanzplanung normalerweise ein Finanzplan erstellt wird, der die Zahlungsströme des laufenden Leistungserstellungs- und Leistungsverwertungsprozesses beinhaltet, werden diskontinuierlich anfallende Zahlungen, die sich im Rahmen von z. B. Unternehmensgründungen oder Erweiterungsinvestitionen ergeben, oftmals in außerordentlichen Finanzplänen erfasst.
Wird die Finanzplanung nach dem Kriterium der Vollständigkeit differenziert, lassen sich Partial- und Totalfinanzpläne unterscheiden. Im Gegensatz zu Totalfinanzp...