Prof. Dr. Ronald Gleich, Manfred Blachfellner
3.4.1 Pay-per-Part Modell – disruptives Equipment-as-a-Service Geschäftsmodell
TRUMPF validiert aktuell ein neuartiges Servitization-Modell in einer intensiven Lernphase mit zahlenden Kunden in einem partnerschaftlichen Ansatz mit der Munich RE Group. Das gemeinsam entwickelte Modell ermöglicht es Kunden, Laservollautomaten von TRUMPF nutzen zu können, ohne diese kaufen oder leasen zu müssen. Kunden zahlen stattdessen für jedes geschnittene Blechteil einen zuvor vereinbarten Preis. Auf diese Weise können sie ihre Produktion deutlich flexibilisieren und dynamischer auf Veränderungen im Marktumfeld reagieren.
Abb. 15: Schematische Struktur des Geschäftsmodells
Die Munich RE Group agiert in diesem Modell als Business Enabler: Sie finanziert die Maschine und trägt damit das Investitionsrisiko, schafft aber auch die für die Umsetzung des Geschäftsmodells nötigen vertraglichen Beziehungen. Der IoT-Dienstleister relayr, ein Tochterunternehmen der Munich RE, stellt die benötigten Datenanalysen für das Finanzierungsmodell zur Verfügung. Zudem werden EaaS-spezifische Technologien wie die Optimierung des Teile-Bestellprozesses entwickelt und bereitgestellt. TRUMPF liefert den Kunden die für die Produktion benötigten Komponenten, also sowohl die Maschinen für deren Fabrikhalle als auch die zugehörige Software und Services zur Herstellung der Blechbauteile. Da der Kunde die Produktionsleistung der Maschine als Service bezieht, wird dieses Geschäftsmodell als Equipment-as-a-Service (EaaS) bezeichnet. Der Produktionsprozess ist im Rahmen des Modells auf die Anforderungen der Kunden zugeschnitten. Das Leistungsversprechen des Angebots umfasst den Zugang zu einer vollautomatischen Laserschneidmaschine, einem Lagersystem, dem Produktions-Support und notwendigen Serviceteilen von TRUMPF sowie die Wartung der Anlagen und die Bereitstellung der zu verwendenden Rohstoffe. Der Kunde wird von TRUMPF durch neue Services unterstützt, wie bspw. durch einen Programmierservice oder einen Remote-Stillstandsbehebungsservice. Diese und andere Tätigkeiten, die bisher zum Teil vom Kunden selbst übernommen wurden, können durch TRUMPF aufgrund der internen technologischen Möglichkeiten effizienter durchgeführt und skaliert werden. Das Pay-per-part-Modell bietet Unternehmen in der Blechbearbeitung damit völlig neue, disruptive Geschäfts- und Produktionsmöglichkeiten. Kunden erhalten Zugriff auf die neuesten automatisierten Laserschneidtechnologien, ohne größere Investitionen tätigen zu müssen. Das Produktionsvolumen kann leicht an die Nachfrage angepasst werden. Dank der geplanten Leistungsgarantie der Munich RE Group sind Kunden in Zukunft zudem gegen die finanziellen Auswirkungen potenzieller Produktionsausfälle abgesichert. Hierfür erhält die Munich RE Group eine Versicherungsprämie.
3.4.2 Beurteilung der strategischen Relevanz und Weichenstellung
Die Entscheidung, ob und in welcher Form ein solch neues Servitization-Geschäftsmodell im Unternehmen eingeführt werden soll, muss sorgfältig getroffen werden. Wenn sich diese Modelle im breiten Markt des Maschinenbaus durchsetzen, haben sie eine erhebliche strategische Tragweite. Das Pay-per-Part Modell bei TRUMPF umfasst weit mehr als eine neue Bezahlform. Unternehmen verändern und ergänzen ihre bestehenden Geschäftsmodelle nicht sehr häufig. Business Cases für neuartige Geschäftsmodelle lassen sich nur schwer mit klassischen Projekten vergleichen und passen oft nicht zu existierenden Prozessen und Standards. Die Vorbereitung und Validierung der Entscheidung über die Einführung solcher Modelle wird maßgeblich durch den Controller gesteuert. Er hat die Fähigkeit, die strategische Dimension der Vorteile für den Anbieter zu verstehen, aufzubereiten und innerhalb des Unternehmens zu kommunizieren. In vielen EaaS-Modellen werden durch Entwicklungen im IoT-Bereich und durch die tiefere Integration in den Kundenprozess Regelkreise geschlossen, die zu selbstverstärkenden Effekten führen. Je mehr Kunden das System einsetzen, desto größer wird der Wert für jeden einzelnen. Das Controlling bei TRUMPF nutzt dieses Wissen, um das Zielbild des Geschäftsmodells auszutarieren. Der Controller wägt sorgfältig zwischen kurzfristiger Optimierung gegenüber langfristigem Abschöpfen einer groß gewachsenen Kundenbasis ab. Ein tiefes Verständnis der zukünftigen Potenziale solcher Modelle durch die verwendeten Technologien ist notwendige Voraussetzung für eine korrekte Bewertung. Das Controlling nimmt auch bei der Ausgestaltung des Modells bei TRUMPF eine leitende Rolle ein. Die Auswahl eines Setups, das bei neuer Value Proposition eine frühe Skalierbarkeit der Unternehmung zulässt, ist wichtig. Im gewählten Setup erhält der Kunde die Leistung mehrerer Partner in einem einzigen gebündelten Vertrag. Die Munich RE Group trägt die Maschinen des Modells auf der Bilanz, TRUMPF partizipiert über die Laufzeit des Modells. Der Controller nimmt die orchestrierende Rolle bei der Gestaltung des Modells ein.
3.4.3 Daten und Risiko – Vom Shop Floor des Kunden bis zur P&L von TRUMPF
TRUMPF und Munich RE Group werten in diesem Geschäftsmodell eine große Anzahl an Daten der eingesetzten Maschinen und Softwaresysteme aus. Durch diese Daten kann eine Leist...