Entstrickung von Einzelwirtschaftsgütern
Beispiel: Erick Abel ist Influencer und spezialisiert auf Zweirad-Motorsport. Seine Tätigkeit übt er als Einzelunternehmer aus. Diese ist vollumfänglich als gewerblich zu qualifizieren. Er ist aufgrund seines Wohnsitzes in der Eifel (Deutschland) mit seinem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig. Die der Tätigkeit zugehörige Betriebsstätte befindet sich an seinem Wohnsitz. Dort verfügt er über semi-professionell eingerichtete Aufnahmeräume. In seinen Video-Blogs berichtet er insbesondere über neue Motorradtypen, Motorradtechnik, Zubehör, Anbau- und Tuningteile und testet diese auf einer nahegelegenen Rennstrecke.
Da die in der Eifel gelegene Rennstrecke über die Wintermonate nur eingeschränkt nutzbar ist und sein Geschäftsmodell bzw. seine Zielgruppe nach permanent erzeugtem Content verlangt, beschließt er Räumlichkeiten an einer in Südeuropa gelegenen Rennstrecke anzumieten. Dort richtet er ebenfalls ein Produktionsstudio ein. Die Räumlichkeiten verfügen über eine Möglichkeit kleinere Reparaturen vorzunehmen oder bestimmte Tuning-Teile zu montieren. Die Testprodukte lässt er von den Herstellern direkt dort anliefern. Die Annahme übernimmt ein Rentner, den Abel auf Stundenbasis angestellt hat. Insgesamt liegt sowohl nach deutschem Recht als auch nach dem Recht des ausländischen Staates eine Betriebsstätte vor. Abel begründet weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland.
Überführt Abel nun Wirtschaftsgüter in die ausländische Betriebsstätte (bspw. Werkstattgeräte, Motorräder, Video- oder IT-Ausstattung), die dem Anlage- oder Umlaufvermögen zuzurechnen sind, kommt es zur Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz EStG (fiktive Entnahme) mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist. Auf den Differenzbetrag zum Buchwert (fiktiver Veräußerungsgewinn) im Zeitpunkt der Entnahme (aufgedeckte stille Reserven) kann er auf Antrag einen Ausgleichsposten nach § 4g EStG bilden. Dieser ist im Wirtschaftsjahr der Bildung sowie in den vier Folgejahren in 5 gleichen Teilen aufzulösen. Betragen die stillen Reserven bspw. 40.000 EUR und wird das Wirtschaftsgut im Oktober entnommen, sind vom zu bildenden Ausgleichsposten i. H. v. 40.000 EUR im Jahr der Bildung 8.000 EUR (= 40.000 x 1/5) gewinnerhöhend aufzulösen. Würde Abel den Antrag nicht stellen, hätte er anstatt 8.000 EUR den gesamten Betrag von 40.000 EUR im Jahr der Entnahme zu versteuern.
Die Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG ist auch bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG möglich. Auch abkommensrechtlich ist der fiktive Veräußerungsgewinn dem abgebenden Staat bzw. Unternehmensteil zuzuordnen. Deutschland behält demnach regelmäßig auch bei Bestehen eines DBA das Besteuerungsrecht. Die Abschreibungen fallen nach Übertragung fortan der ausländischen Betriebsstätte zu.
Die Entstrickung einzelner Wirtschaftsgüter bei einer Kapitalgesellschaft richtet sich nach § 12 Abs. 1 KStG i. V. m. § 4g EStG.