Einkünfteerzielung über Instagram, TikTok, YouTube & Co.
Das BMF hat bereits am 30.7.2020 gemeinsam mit den obersten Finanzbehörden der Länder unter Federführung des Bayerischen Landesamt für Steuern ein FAQ mit dem Titel "Ich bin Influencer. Muss ich Steuern zahlen?" veröffentlicht. Damit äußert sich die Finanzverwaltung erstmals bundeseinheitlich zu den neuen Möglichkeiten der Einkünfteerzielung im Bereich der digitalen Wirtschaft.
Steuerliche Relevanz von Instagram, TikTok, YouTube & Co.
Sofern der Bereich der Liebhaberei sowie Freibeträge und Freigrenzen überschritten sind, ergeben sich Fragestellungen im Bereich der
- Einkommensteuer,
- Gewerbesteuer und
- Umsatzsteuer.
Ertragsteuern: Aus Hobby werden einkommensteuerpflichtige Einkünfte
Die Tätigkeit eines Influencers beginnt regelmäßig als ein Hobby und gewinnt erst nach einiger Zeit steuerliche Relevanz. Liegt eine Gewinnerzielungsabsicht vor, werden der einkommensteuerliche Grundfreibetrag (2022: 10.347 EUR bei Einzelveranlagung, 20.694 EUR bei Zusammenveranlagung) sowie der gewerbesteuerliche Freibetrag (2022: 24.500 EUR) überschritten, unterliegt der Gewinn grundsätzlich der Ertragsbesteuerung. Erfolgt die Influencer-Tätigkeit zunächst oder generell nebenberuflich und werden in der Haupttätigkeit Einkünfte aus einem Arbeitnehmerverhältnis erzielt, gilt lediglich eine Freigrenze von 410 EUR (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Hingegen reicht für die Qualifizierung als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes bereits eine Einnahmeerzielungsabsicht aus.
Zunächst ist die Frage zu klären, ob die Einkünfte aus gewerblicher (§ 15 EStG) oder freiberuflicher (§ 18 EStG) Tätigkeit resultieren, da nur gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer unterliegen. Diese Einordnung ist jedoch alles andere als trivial. Während das Testen oder Bewerben von Produkten regelmäßig als gewerbliche Tätigkeit einzustufen ist, ist die Einordnung eines klassischen Bloggers oder Vloggers (= Video Bloggers) weniger eindeutig. Überwiegt der schriftstellerische, unterrichtende bzw. künstlerische Aspekt, können Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit vorliegen. Werden jedoch erheblich Einnahmen durch Werbeanzeigen rund um den medialen Beitrag erzielt, spricht dies eher für eine Einordnung als gewerbliche Tätigkeit. In der Mehrheit der Fälle liegen überwiegend gewerbliche Einkünfte vor. Letztendlich ist dies aber stark vom Einzelfall abhängig.
Praxis-Hinweis: Rechtzeitige Abstimmung mit dem Finanzamt
Die Einordnung sollte in jedem Fall so früh wie möglich – idealerweise bereits mit dem Ausfüllen des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung – mit dem Finanzamt abgestimmt werden, um spätere unerwünschte Steuer- und Sozialversicherungnachzahlungen gegebenenfalls zzgl. Zinsen zu vermeiden. Bei Abgrenzungsschwierigkeiten kann es gerade zur Vorbereitung einer fundierten Argumentation ratsam sein, einen Steuerberater hinzuzuziehen.
Gewerbesteuer kann auf Einkommensteuer angerechnet werden
Kommt es zu einer Gewerbesteuerpflicht, kann die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer des Influencers bis zu einer bestimmten Höhe angerechnet werden (§ 35 EStG). Dies ist maßgeblich abhängig vom Gewerbesteuerhebesatz der jeweiligen Gemeinde. Bis zu einem Hebesatz von 422 % kann sich im Spitzeneinkommensteuersatz inkl. Solidaritätszuschlag unter weiteren Voraussetzungen eine vollständige finanzielle Entlastung von der Gewerbesteuer ergeben. Der damit verbundene Aufwand bleibt hingegen bestehen. Selbst dann, wenn der Freibetrag von 24.500 EUR nicht überschritten wird, ist zu beachten, dass dennoch eine Gewerbesteuererklärung einzureichen ist.
Gewinnermittlung: Bilanz oder Einnahmen-Überschussrechnung?
Je nach Umfang der Tätigkeit kann die Gewinnermittlung mittels Einnahmen-Überschussrechnung (auch für gewerbliche Einkünfte in den Grenzen des § 241a HGB bzw. § 141 AO) oder mittels Bilanzierung (Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 EStG) erfolgen. Unabhängig von der Ermittlungsart ist zunächst zu betrachten, was – berufsspezifisch – als Betriebseinnahme und Betriebsausgabe in Frage kommt.
Als Betriebseinnahmen sind neben
- den Affiliate-Marketing-Einnahmen und Werbeeinnahmen (beides meist Barzuflüsse)
- insbesondere die Gestellung von Produkten zu betrachten.
In der Literatur besteht Einigkeit, dass diese Produkte in Form einer Sachzuwendung steuerlich relevante Betriebseinnahmen gem. § 6 Abs. 4 EStG darstellen, welche entsprechend § 8 Abs. 2 S. 1 EStG mit dem üblichen Endpreis am Abgabeort zu bewerten sind.
Häufig wird diese Aussage jedoch nicht konsequent zu Ende gedacht. Denn die Einnahme führt zu Anschaffungskosten im Betriebsvermögen und zu einem betrieblichem Werteverzehr, welcher im Umlaufvermögen über den Verbrauch bzw. im Anlagevermögen über Abschreibung (ggf. als geringwertiges Wirtschaftsgut im Sinne von § 6 Abs. 2 EStG) zu Betriebsausgaben führt. Die Gestellung von sog. Werbe- und Streuartikeln (Wert < 10 EUR) ist generell steuerfrei. Bei anschließender, überwiegender Privatnutzung des Produkts liegt eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG vor (vgl. auch Brunckhorst/Sterzinger, DStR 2018, S. 1693). Dies soll folgendes Beispiel verdeutlichen:
Beispiel: Gestellung von Sportschuhen richtig bewerten Der Influencer A erhält von einem Sportartikelhersteller regelmäßig Sportschuhe im Wert von 120 EUR unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Diese bewirbt A auf seinem Instagram-Profil mit Bildern, Reels sowie Stories und einer kurzen Rezession. In Höhe von 115,20 EUR (= 120 EUR x 0,96; um 4 % geminderter Endpreis) führt die Gestellung der Schuhe zu einer Betriebseinnahme. Gleichzeitig erfolgt in selbiger Höhe der Ansatz einer Betriebsausgabe, da A die Schuhe als "Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe" für seine Tätigkeit benötigt bzw. verbraucht. Sodann wird unterstellt, dass A eine Entnahme aus seinem Betrieb tätigt, da er die Schuhe auch privat trägt und nicht überwiegend zu Influencer-Fototerminen oder aus sonstigen beruflichen Anlässen. Wie hoch ist aber der Teilwert eines gebrauchten Sportschuhs? An dieser Stelle ist erneut die Abstimmung mit dem Finanzamt geboten. Im Beispiel soll der Teilwert der Entnahme mit 24 EUR (20 % von 120 EUR) angesetzt werden, sodass aus dem Sachverhalt ein Gewinn in Höhe von 24 EUR resultieren würde. Gesamtbetrachtet erhält A somit einen Sportschuh im Wert von 120 EUR und ist mit der Steuerzahlung auf 24 EUR belastet. |
Praxis-Tipp: Wertermittlung privatgenutzter Produkte
Wie ersichtlich ist, ist die letztendliche Steuerbelastung abhängig vom Teilwert des Produkts bei Entnahme. Während ein gebrauchter Sportschuh relativ schnell an Wert verlieren dürfte, ist dies bei Smartphones, Kleidung oder Schmuck oftmals anders zu beurteilen. Orientierung zur Ermittlung von Vergleichspreisen oder Abschlagssätzen können Verkaufspreise auf Onlineplattformen für gebrauchte Gegenstände bieten.
Folgende Maßnahmen haben Einfluss auf die Besteuerung der Produktgestellung:
Maßnahme | Rechtsfolge |
1) Rücksendung des Produkts | keine steuerpflichtige Entnahme |
2) (ggf. medienwirksame) Verlosung an (z.B.) Follower | |
3) Pauschalierung der Sachzuwendung durch den Gesteller nach § 37b EStG | Sachzuwendung bleibt beim Influencer außer Ansatz |
4) Sachspende | Entnahme zum Buchwert |
Den Betriebseinnahmen sind zur Gewinnermittlung die Betriebsausgaben gegenüberzustellen. Neben typischen Betriebsausgaben wie u. a. für
- Telefon/Internet,
- Domain/Website,
- Foto/Videoequipment,
- (Steuer-)Beratung,
- Buchhaltung und
- Versicherungen,
sind in Abhängigkeit des Fokus eines Influencers auch eher untypische Betriebsausgaben zu erwägen, wie z. B.:
- Sport-Influencer: Kosten für Fitnessstudio, Fahrtkosten zum Lauftreff, etc.
- Beauty-Influencer: Kosten für Friseur, Nagelstudio, Kosmetikbehandlung, etc.
Ob die Kosten in voller Höhe oder in einen beruflichen und privaten Nutzungsanteil aufzuteilen sind, ist im Einzelfall zu beurteilen.
Umsatzsteuerpflicht, sobald die Kleinunternehmergrenze überschritten ist
Umsatzsteuerlich wird die Tätigkeit als Influencer insbesondere relevant, sobald die Grenzen als Kleinunternehmer nach § 19 UStG (Umsätze zzgl. Umsatzsteuer im vorangegangenen Kalenderjahr größer als 22.000 EUR und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht größer als 50.000 EUR) überschritten sind. Dabei ist zu beachten, dass Sachzuwendungen als Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs grundsätzlich zum (tauschähnlichen) Umsatz zählen. Kleinunternehmer müssen zwar keine Umsatzsteuervoranmeldungen einreichen, jedoch sind auch sie nicht grundsätzlich von der Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung befreit. Ein Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung kann vor allem bei hohen Anfangsinvestitionen aufgrund des Vorsteuerabzugs betriebswirtschaftlich sinnvoll sein. Findet diese keine Anwendung, sind die umfangreicheren Erklärungspflichten und Anforderungen an die Rechnungsstellung zu beachten.
Praxis-Hinweis: Hohes Schadenpotenzial bis hin zur Existenzgefährdung
Gerade bei der Umsatzsteuer ist aufgrund der umsatz- und nicht gewinnabhängigen Bemessungsgrundlagen Sorgfalt geboten, da selbst in kurzer Zeit hohe Nachzahlungsbeträge oder Haftungsbeträge entstehen können. In Zweifelsfällen sollte unbedingt ein Steuerberater konsultiert werden.
Umsatzsteuerliche Problemfelder
Problematisch stellt sich ein Vorsteuerabzug im Rahmen des durch die betriebliche Verwendung der Sachzuwendung veranlassten betrieblichen Werteverzehrs dar, weil der Gesteller für die Zurverfügungstellung des Produkts regelmäßig keine den umsatzsteuerlichen Vorschriften entsprechende Rechnung ausstellen wird. Ein Ausweg könnte die Abrechnung mittels Gutschrift nach § 14 Abs. 2 S. 2 UStG sein. Hierbei ist die Abstimmung mit dem Produktlieferanten geboten.
Entsprechend sind die Auswirkungen auf die umsatzsteuerliche Behandlung der Privatentnahme in Form einer unentgeltlichen Wertabgabe zu beachten. Auch hier stellt sich wiederum die Problematik der angemessenen Bewertung. Voraussetzung einer steuerpflichtigen unentgeltlichen Wertabgabe gem. § 3 Abs. 1b S. 2 UStG ist, dass ein Vorsteuerabzugsrecht im Rahmen der Anschaffung bestand.
Bei Umsätzen über Plattformen, welche ihren Sitz im europäischen Ausland haben, ist insbesondere zu überprüfen, ob es zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft im Rahmen des sog. Reverse-Charge-Verfahrens (§ 13b UStG) kommt. Sowohl bei innereuropäischen Leistungsbeziehungen als auch bei solchen mit Vertragspartnern und Kunden außerhalb der EU, sind die umsatzsteuerlichen Vorschriften des jeweiligen Staates zu beachten. Oftmals können umfassende steuerliche Pflichten (v. a. umsatzsteuerliche Registrierung, Bestellung eines Fiskalvertreters, Erklärung und Entrichtung von Steuern) bereits ab dem ersten Euro Umsatz begründet werden.
Ausblick: Mahnende Finanzverwaltung stellt Influencer-Leitfaden in Aussicht
Der vom BMF veröffentliche FAQ macht deutlich, dass die Einkünfteerzielung über die Sozialen Medien längst aus ihrem steuerlichen Schattendasein herausgetreten ist. Die Finanzverwaltung ist zunehmend für diese Berufsgruppe sensibilisiert (BT-Drs. 19/21307) und bestrebt, im Rahmen des zur Verfügung stehenden Instrumentariums Zugriff auf steuerrelevante Informationen zu erhalten. Die Finanzverwaltung macht deutlich, woran ihr gelegen ist. Neben der Offenlegung von Einkünften, steht die nachvollziehbare und ordnungsgemäße Dokumentation im Vordergrund.
Der hier von der Finanzverwaltung eingeschlagene Weg der Aufklärung, Hilfestellung, aber auch der Anmahnung von Konsequenzen bei Nichtbefolgung, ist zu begrüßen (§ 89 AO). Ein tendenziell weniger vom Über-Unterordnungsverhältnis geprägtes, vielmehr partnerschaftsähnliches Verhältnis dient nicht nur der Sicherstellung des Steueraufkommens, sondern auch den Steuerpflichtigen, insbesondere Existenzgründern. Davon zeugt auch die Ankündigung der Bundesregierung, zeitnah einen Influencer-Leitfaden für alle drei hier angesprochenen Steuerarten durch das BMF erstellen und auf dessen Internetpräsenz veröffentlichen zu lassen (BT-Drs. 19/21307).
Was mit den sog. "Ebay-Fällen" begonnen und sich über die Plattformen der "Sharing Economy" fortgesetzt hat, erreicht zunehmend auch Einkünfte über "Social-Media-Plattformen". Es ist daher anzuraten, auch hier frühzeitig – ggf. steuerlich beraten – die entsprechenden Einkünfte zu dokumentieren und dem Finanzamt anzuzeigen, um negative bis hin zu strafrechtlich relevanten Folgen zu vermeiden.
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