Prof. Dr. Werner Gleißner, Prof. Dr. Rainer Kalwait
Zielorientierte Unternehmenssteuerung auf unterschiedlichen Ebenen gewährleisten
Wenngleich das Controlling in Unternehmen durchaus recht vielfältige Aufgaben wahrnimmt, sollte man doch die primäre Aufgabe nicht aus dem Auge verlieren: Das Controlling dient der betriebswirtschaftlichen Rationalitätssicherung durch Entscheidungsvorbereitungen. Der zu erwartende Erfolg eines Unternehmens hängt maßgeblich von der Qualität der Entscheidungen ab, die Vorstand bzw. Geschäftsführung treffen. Entscheidungen zu treffen, ist die primäre Aufgabe der Unternehmensführung und die Vorbereitung dieser Entscheidungen ist die primäre Aufgabe des Controllings. Dieses sollte zur Vorbereitung anstehender Entscheidungen der Unternehmensführung eine adäquate Methodik auswählen, die für diese notwendigen Informationen beschaffen und damit einen transparenten und fundierten Entscheidungsvorschlag unterbreiten. Mindestanforderungen dazu regelt sogar der Gesetzgeber durch § 93 Aktiengesetz, wo die angemessenen Informationen als Entscheidungsgrundlage gefordert werden. Es ist erwähnenswert, dass bei einer derartig entscheidungsorientierten Ausrichtung des Controllings viel mehr erwartet wird als das Reporting "irgendwelcher" Informationen. Es sollten eigentlich genau die für eine bestimmte Entscheidung relevanten Informationen bereitgestellt und durch die entscheidungsunterstützenden Methoden ausgewertet werden.
Die Aufgabe des Controllings, die Entscheidungsvorbereitung für die Unternehmensführung zu unterstützen, wäre ziemlich einfach, wenn man die Zukunft sicher vorhersehen könnte. Es sind die aus einer nicht sicher vorhersehbaren Zukunft resultierenden Chancen und Gefahren, die zu einer großen Bandbreite möglicher Zukunftsszenarien führen (und Abweichungen von jeder Planung verursachen können). Diese Aufgabe des Controllings ist damit nicht lösbar, wenn man nicht Chancen und Gefahren explizit betrachtet und deren Implikationen beurteilt. Deterministische (einwertige) Planungen, Scheingenauigkeit und die von den Psychologen regelmäßig festgestellte Kontrollillusion, helfen nicht weiter. Ein entscheidungsorientiertes Controlling muss geeignete Methoden haben (und diese anwenden), die
- systematisch Chancen und Gefahren (Risiken) identifizieren und quantifizieren helfen,
- quantifizierte Einzelrisiken zum Gesamtrisikoumfang aggregieren und
- die Implikationen der Planung und der Risiken, die Planabweichungen auslösen können, für (a) Eigentümer (Performancemaß) und (b) Gläubiger (Rating) beurteilen können.
Controlling benötigt Werkzeuge des Risikomanagements
Man sieht unmittelbar, dass hier genau die Werkzeuge des Risikomanagements gefordert sind. Es geht darum systematisch unsichere Planannahmen und exogene Risiken (z. B. durch die unsicheren Auswirkungen technologischer Trends oder Veränderungen der Wettbewerbskräfte) zu erfassen. Diese müssen durch geeignete Wahrscheinlichkeitsverteilungen beschrieben werden (im einfachsten Fall durch Angabe von Mindestwert, wahrscheinlichstem Wert und Maximalwert einer Planungsposition). Und da die Risiken nicht addierbar sind, benötigt man eine Monte-Carlo-Simulation zur Risikoaggregation, d. h., es ist erforderlich eine große repräsentative Anzahl von Zukunftsszenarien zu bestimmen, um so auf die Bandbreite der Zukunftsentwicklung von Cashflows und Erträgen zu schließen. Anstelle einer einwertigen Planung, von der niemand weiß, wie weit man abweichen kann, tritt eine Bandbreitenplanung. Der Risikogehalt wird ausgedrückt durch ein Risikomaß (wie z. B. Standardabweichungen der Erträge oder den Value-at-Risk), das wiederum ein einfaches "Rechnen mit Risiken" ermöglicht. So können bei der Entscheidungsvorbereitung erwartete Erträge und Risiken gegeneinander abgewogen werden. Dies geschieht über die Methoden einer risikogerechten Bewertung und zur Erfüllung der Anforderungen des Kontroll- und Transparenzgesetzes wird untersucht, ob sich durch Kombinationseffekte von Risiken bestandsgefährdende Entwicklungen ergeben könnten (z. B. wenn die Mindestanforderungen an das Rating oder Covenants verletzt werden). Controlling muss Methoden der Risikoanalyse nutzen; eine stochastische Planung ist die gemeinsame Grundlage.
Aber wie sieht die Situation in der Praxis aus? Eine Vielzahl empirischer Studien belegt leider, dass die notwendige Zusammenarbeit zwischen Risikomanagement und Controlling – oder einfach die Nutzung von Risikomanagementmethoden im Controlling – weiter unterentwickelt ist.
Controlling ist damit nicht in der Lage seine wichtigste Aufgabe adäquat zu erfüllen. Entscheidungsvorbereitung ohne Beachtung von Risiken ist schlicht unsinnig. Selbst die gesetzlichen Mindestanforderungen der Business Judgement Rule (§ 93 AktG) werden dann nicht erfüllt. Natürlich sind es bei einer nicht sicher vorhersehbaren Zukunft gerade die Informationen über die Risiken, die den Kern der vom Gesetz geforderten "angemessenen Informationen" darstellen.
Gewöhnlich kümmert man sich im unternehmerischen Controlling eher wen...