Prof. Dr. Werner Gleißner, Prof. Dr. Rainer Kalwait
Zusammenfassung
- Die primäre Aufgabe des Controllings ist die Vorbereitung und "betriebswirtschaftliche Rationalitätssicherung" unternehmerischer Entscheidungen. Die große Herausforderung besteht dabei in einer nicht sicher vorhersehbaren Zukunft (Entscheidung unter Risiko/Unsicherheit). Ein Controllingsystem ohne fundierte quantitative Informationen über bestehende Risiken kann seinen wesentlichen Aufgaben nicht gerecht werden.
- Entscheidungsgrundlage müssen "erwartungstreue" Planwerte sein, die sich "im Mittel" realisieren lassen (und nicht etwa z. B. ambitionierte Zielwerte). Die Berechnung von Erwartungswerten erfordert die Analyse bestehender Chancen und Gefahren (Risiken) sowie deren Aggregation.
- Ein entscheidungsorientiertes Controlling muss daher Methoden der quantitativen Risikoanalyse und Risikoaggregation bei der Erstellung von Entscheidungsvorlagen an-wenden und/oder entsprechende Analysen des Risikomanagements nutzen. Notwendig ist damit eine enge Verknüpfung oder gar Integration von Risikomanagement und Controlling.
- Um bei Vorbereitung von Entscheidungen erwartete Erträge und Risiken gegeneinander abwägen zu können, benötigt man ebenfalls eine Quantifizierung des Umfangs möglicher Planabweichungen (Planungssicherheit), wie es bspw. auch die "Grundsätze ordnungsgemäßer Planung" fordern.
- Eine enge Abstimmung und Integration von Risikomanagement und Controlling ermöglicht vielfältige Synergien, z. B. wenn durch das Aufdecken unsicherer Planannahmen oder bei Abweichungsanalysen unmittelbar Risiken identifiziert (und quantifiziert) werden.
1 Einführung: Controlling und Risikomanagement
Zielorientierte Unternehmenssteuerung auf unterschiedlichen Ebenen gewährleisten
Wenngleich das Controlling in Unternehmen durchaus recht vielfältige Aufgaben wahrnimmt, sollte man doch die primäre Aufgabe nicht aus dem Auge verlieren: Das Controlling dient der betriebswirtschaftlichen Rationalitätssicherung durch Entscheidungsvorbereitungen. Der zu erwartende Erfolg eines Unternehmens hängt maßgeblich von der Qualität der Entscheidungen ab, die Vorstand bzw. Geschäftsführung treffen. Entscheidungen zu treffen, ist die primäre Aufgabe der Unternehmensführung und die Vorbereitung dieser Entscheidungen ist die primäre Aufgabe des Controllings. Dieses sollte zur Vorbereitung anstehender Entscheidungen der Unternehmensführung eine adäquate Methodik auswählen, die für diese notwendigen Informationen beschaffen und damit einen transparenten und fundierten Entscheidungsvorschlag unterbreiten. Mindestanforderungen dazu regelt sogar der Gesetzgeber durch § 93 Aktiengesetz, wo die angemessenen Informationen als Entscheidungsgrundlage gefordert werden. Es ist erwähnenswert, dass bei einer derartig entscheidungsorientierten Ausrichtung des Controllings viel mehr erwartet wird als das Reporting "irgendwelcher" Informationen. Es sollten eigentlich genau die für eine bestimmte Entscheidung relevanten Informationen bereitgestellt und durch die entscheidungsunterstützenden Methoden ausgewertet werden.
Die Aufgabe des Controllings, die Entscheidungsvorbereitung für die Unternehmensführung zu unterstützen, wäre ziemlich einfach, wenn man die Zukunft sicher vorhersehen könnte. Es sind die aus einer nicht sicher vorhersehbaren Zukunft resultierenden Chancen und Gefahren, die zu einer großen Bandbreite möglicher Zukunftsszenarien führen (und Abweichungen von jeder Planung verursachen können). Diese Aufgabe des Controllings ist damit nicht lösbar, wenn man nicht Chancen und Gefahren explizit betrachtet und deren Implikationen beurteilt. Deterministische (einwertige) Planungen, Scheingenauigkeit und die von den Psychologen regelmäßig festgestellte Kontrollillusion, helfen nicht weiter. Ein entscheidungsorientiertes Controlling muss geeignete Methoden haben (und diese anwenden), die
- systematisch Chancen und Gefahren (Risiken) identifizieren und quantifizieren helfen,
- quantifizierte Einzelrisiken zum Gesamtrisikoumfang aggregieren und
- die Implikationen der Planung und der Risiken, die Planabweichungen auslösen können, für (a) Eigentümer (Performancemaß) und (b) Gläubiger (Rating) beurteilen können.
Controlling benötigt Werkzeuge des Risikomanagements
Man sieht unmittelbar, dass hier genau die Werkzeuge des Risikomanagements gefordert sind. Es geht darum systematisch unsichere Planannahmen und exogene Risiken (z. B. durch die unsicheren Auswirkungen technologischer Trends oder Veränderungen der Wettbewerbskräfte) zu erfassen. Diese müssen durch geeignete Wahrscheinlichkeitsverteilungen beschrieben werden (im einfachsten Fall durch Angabe von Mindestwert, wahrscheinlichstem Wert und Maximalwert einer Planungsposition). Und da die Risiken nicht addierbar sind, benötigt man eine Monte-Carlo-Simulation zur Risikoaggregation, d. h., es ist erforderlich eine große repräsentative Anzahl von Zukunftsszenarien zu bestimmen, um so auf die Bandbreite der Zukunftsentwicklung von Cashflows und Erträgen zu schließen. Anstelle einer einwertigen Planung, von der niemand weiß, wie weit man abweichen kann, tritt eine Bandbreiten...