Dr. Matthias Michael Nelde, Prof. Dr. Reinhold Hölscher
Zahlungsreihe der Investition und Zahlungsreihe der Finanzierung müssen einbezogen werden
Der enge Zusammenhang zwischen Investition und Finanzierung sollte auch bei der Investitionsentscheidung seine Berücksichtigung finden. So sollten stets die auf die Investition und die Finanzierung zurückgehenden Zahlungswirkungen in die Beurteilung einer Investition einfließen. In die Analyse muss folglich sowohl die Zahlungsreihe der Investition als auch die Zahlungsreihe der Finanzierung einbezogen werden. Nur dann ist ein Urteil über die Vorteilhaftigkeit einer Investition möglich.
Unterschiedliche Investitions- und Finanzierungsmodelle
Eine Berücksichtigung sowohl der Investitions- als auch der Finanzierungsperspektive setzt im Rahmen der Investitionsrechnung den Einsatz simultaner Kalküle voraus. Vor diesem Hintergrund wurden zahlreiche simultane Investitions- und Finanzierungsmodelle entwickelt. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang bspw. das Modell von Albach oder der Ansatz von Hax und Weingärtner. Die Problematik dieser Ansätze besteht darin, dass diese sehr komplex sind und einen hohen Berechnungsaufwand aufweisen. Folglich werden diese Modelle in der Praxis nur sehr selten eingesetzt.
Aus diesem Grund bedient man sich in der Investitionsrechnung häufig bestimmter Vereinfachungen. In der klassischen Investitionsrechnung wird bspw. mit dem vollkommenen Kapitalmarkt ein theoretisches Konstrukt eingeführt, welches die Investitionsbeurteilung deutlich vereinfacht. Der vollkommene Kapitalmarkt ist durch folgende Merkmale charakterisiert:
- Kapital ist ein homogenes Gut, d. h. auf dem vollkommenen Kapitalmarkt wird nicht zwischen Eigen- und Fremdkapital unterschieden.
- Der Preis (Zinssatz) für die Kapitalüberlassung und -aufnahme ist identisch. Aus dieser Eigenschaft folgt, dass die Kapitalanbieter und -nachfrager ohne Zwischenschaltung weiterer Intermediäre (z. B. Banken) direkt interagieren. Daher fallen auf dem vollkommenen Kapitalmarkt auch keine Transaktionskosten an.
- Alle Marktteilnehmer verfügen über identische Informationen, es bestehen keine Informationsasymmetrien. Aus den verfügbaren Informationen resultieren homogene Erwartungen der Marktteilnehmer.
- Sämtliche Marktteilnehmer sind Preisnehmer, d. h. sie sind nicht in der Lage durch bewusste Aktionen den Preis zu beeinflussen.
- Es kann jedes beliebige Kapitalvolumen und der damit verbundene Zahlungsstrom gehandelt werden. Daneben sind Zahlungsströme beliebig teilbar, der Zinssatz ist unabhängig vom gehandelten Volumen.
- Auf dem vollkommenen Kapitalmarkt fallen schließlich keine Informationskosten und Steuerzahlungen an.
Unter der Annahme des vollkommenen Kapitalmarktes muss sich die Unternehmung nicht mehr um die Finanzierung kümmern, da eine Finanzierung immer zum sog. Kalkulationszinssatz möglich ist.
Eine Reihe von Investitionsrechnungsverfahren versuchen, die sehr strikten und realitätsfremden Prämissen des vollkommenen Kapitalmarktes teilweise aufzuheben. So unterstellen bspw. die dynamischen Endwertverfahren einen gespalteten Zinssatz. Damit wird der in der Praxis üblicherweise anzutreffenden Trennung von Soll- und Habenzins Rechnung getragen. Der Sollzins entspricht dem Zinssatz für eine Kreditaufnahme, der Habenzins dem Zins für eine Kapitalanlage.
Die klassischen Kalküle der Investitionsrechnung unterstellen, dass die Zinssätze für die Kapitalaufnahme und -anlage unabhängig von der Fristigkeit immer gleich hoch sind. Dies ist in der Realität jedoch nicht der Fall, denn am Geld- und Kapitalmarkt gelten für unterschiedliche Laufzeiten der Geschäfte auch verschiedene Zinssätze. I. d. R. ist dabei der Zinssatz für eine langfristige Kapitalbeschaffung höher als für eine kurzfristige Aufnahme der Mittel. Die Marktzinsmethode der Investitionsrechnung unterstellt im Gegensatz zu einem einheitlichen, über die gesamte Laufzeit des Projektes konstanten Kalkulationszinssatz die zum Entscheidungszeitpunkt gültigen, laufzeitabhängigen Marktzinssätze. Vergleichbar der klassischen Kapitalwertmethode kann auch mit dem Marktzinsmodell der Investitionsrechnung ein Kapitalwert berechnet werden. Der zentrale Unterschied zum klassischen Kapitalwertkriterium ist, dass bei der Bewertung nicht ein über die Laufzeit konstanter, pauschaler Kapitalkostensatz, sondern das am realen Geld- und Kapitalmarkt beobachtbare Marktzinsgefüge zugrunde gelegt wird.
Die Unzulänglichkeiten des vollkommenen Kapitalmarktes der klassischen Investitionsrechnungsverfahren treten insbesondere bei projektbezogenen Finanzierungsmaßnahmen zu Tage. In diesem Fall stammen die für ein bestimmtes Projekt benötigten finanziellen Mittel zumindest teilweise aus ganz spezifischen, eindeutig projektbezogenen Finanzierungsmaßnahmen. Bei einem Verzicht auf dieses Investitionsprojekt unterbleiben gleichzeitig die entsprechenden Finanzierungsmaßnahmen.
In folgenden Fällen sind projektbezogene Finanzierungsmaßnahmen denkbar:
- Ein Investitionsprojekt kann teilweise im Rahmen eines öffentlichen Förderprogramms durch...