Dipl.-Betriebsw. (FH) Christian Hidding
Im Folgenden werden Beispielsituationen aufgezeigt, bei denen die offensive Nutzung der Preisuntergrenzen zu einem Wettbewerbsvorteil führen kann.
2.1 Mangelnde Auslastung
Wenn das Unternehmen nicht ideal ausgelastet ist, stellt sich die Frage, worin die Gründe für die mangelnde Auslastung liegen. Zwangsläufig wird auch überprüft, ob die angebotenen Preise überhöht sind und somit keine Aufträge seitens der Kunden zugeteilt werden. Jeder weitere Auftrag, der verloren geht, führt jedoch dazu, dass die zukünftigen Aufträge mit noch höheren Zuschlägen kalkuliert werden müssen, da die Kosten des Unternehmens nun durch weniger Aufträge getragen werden müssen. Da sich aber die Zuschlagssätze erhöht haben, ist die Wahrscheinlichkeit, einen zusätzlichen Auftrag zu generieren noch geringer geworden. Dieser Prozess wird als Fixkostenprogression (im Gegensatz dazu siehe Fixkostendegression) bezeichnet und muss unterbrochen werden.
Stundensatzerhöhung durch geringere Auslastung vermeiden
In dem in Abb. 4 aufgeführten Beispiel führt die mangelnde Auslastung dazu, dass die anteilige Abschreibung pro Maschinenstunde um 2,50 EUR steigt. Im Normalbetrieb können ca. 1.000 Maschinenstunden verkauft werden. Aufgrund der mangelnden Auslastung können nur 800 Stunden verkauft werden. Da der Unternehmer sämtliche Kosten auch für den Fall der mangelnden Auslastung gedeckt wissen will, müssen die Kosten je Maschine um 2,50 EUR erhöht werden. Konsequenz: Es ist noch schwerer, Aufträge zu erzielen.
Abb. 4: Veränderung der anteiligen Abschreibung bei mangelnder Auslastung
Dieser Prozess kann durch die Ermittlung der kurzfristigen und langfristigen Preisuntergrenze unterbrochen werden. In die Berechnung der kurzfristigen Preisuntergrenze fließen nur die Kosten ein, die direkt in Verbindung zur Auftragsannahme stehen. Für das vorab aufgeführt Beispiel bedeutet dies, dass die Abschreibung der Maschinen unabhängig von der Auftragsannahme anfällt. Die anteilige Abschreibung je Maschinenstunde wird also nicht bei der Herleitung der kurzfristigen Preisuntergrenze berücksichtigt. Lediglich die Kosten, die direkt mit der Auftragsannahme in Verbindung stehen, wie z. B. Löhne, Material, Betriebsbedarf, Verschleiß etc., werden berücksichtigt. Da diese Kosten unabhängig von der Auslastung relativ gleich bleibend anfallen, ist die kurzfristige Preisuntergrenze bei mangelnder Auslastung tendenziell genauso hoch wie im Normalbetrieb.
Daraus resultiert, dass zunächst jeder Umsatz oberhalb der kurzfristigen Preisuntergrenze einen Deckungsbeitrag erwirtschaftet. Deckt die Summe der Deckungsbeiträge die fixen Kosten, hat die Unternehmung den Break-even-Punkt erreicht. Verschlechtert sich der durchschnittliche Deckungsbeitrag, müssen durch Wachstum zusätzliche Umsätze generiert werden, um somit die fixen Kosten decken zu können. Alternativ sind die fixen Kosten zu reduzieren. Beide Wege führen zur Erreichung des Break-even-Punkts.
2.2 Überstunden/Schichtausweitung
Anhand eines Berechnungsbeispiels in einem Handwerksbetrieb wird im Folgenden die offensive Nutzung der Preisuntergrenzen im Rahmen von Überstunden-/Schichtausweitungskalkulationen aufgezeigt. Die Planung von Überstunden bzw. einer Schichtausweitung setzt zunächst voraus, dass das Unternehmen über eine annähernde Vollauslastung verfügt. Jede weitere Annahme eines Auftrags führt zu Überstunden bzw. einer Schichtausweitung.
Der beispielhafte Handwerksbetrieb verfügt über einen Stundenverrechnungssatz von 40 EUR. In den Stundenverrechnungssatz wurden sämtliche Kosten (Vollkosten) eingerechnet.
Unter Berücksichtigung der vorab aufgeführten Annahmen stellt ein Kunde eine Angebotsanfrage. Daraufhin hat der Unternehmer das Angebot in Abb. 5 erstellt.
Abb. 5: Angebot im Beispiel
Der Kunde hat das Angebot erhalten. Nach entsprechender Durchsicht ist dieser maximal bereit, 3.750 EUR zu bezahlen. Dem Unternehmer stellt sich die Frage, ob er den Auftrag annehmen soll oder nicht. Einerseits wird offensichtlich kein Gewinn erwirtschaftet. Andererseits kann es dennoch sein, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme des Auftrags interessant sein kann. Häufig ist hier die klassische Entscheidungsgrundlage der Unternehmerbauch.
Um die Frage der Auftragsannahme zielsicher beantworten zu können, muss der Stundenverrechnungssatz von 40 EUR in variable und fixe Kosten unterteilt werden. Nur die variablen Kosten wie z. B.
- Lohn für Überstunden,
- Treibstoff für Fahrzeug,
- Verschleiß an Maschinen,
- Betriebsstoffe,
- Energiekosten,
- etc.
fallen erst an, wenn der Auftrag angenommen wird. Die in den 40 EUR enthaltenen fixen Kosten fallen unabhängig von der Auftragsannahme an. So wird die Auftragsannahme keinen Einfluss auf die Höhe der Kostenpositionen
- Mietkosten,
- Geschäftsführergehalt,
- Leasingraten,
- Abschreibungen,
- Versicherungskosten,
- Verwaltungskosten,
- etc.
haben.
Im vorliegenden Beispiel bedeutet dies für den Stundenverrechnungssatz, dass dieser sich wie folgt aufteilt:
Abb. 6: Aufteilung des Stundensatzes in die fixen und variablen Bestandteile
In Kenntnis dieser Kostenaufteilu...