Prof. Dr. Werner Gleißner
Zusammenfassung
Unter Monte-Carlo-Verfahren versteht man computergestützte Simulationsverfahren, mit deren Hilfe auf Grundlage erzeugter Zufallsvariablen komplexe Analysen durchgeführt werden. Angewandt wird die Monte-Carlo-Simulation beispielsweise bei der Risikoaggregation (im Risikomanagement oder auch bei Investitionsentscheidungen) und im Rahmen so genannter "stochastischer Planungstechniken".
1 Welche Möglichkeiten eröffnet die Simulation?
Zufällige Ereignisse können, wenn sie häufig genug stattfinden, dazu benutzt werden, die verschiedensten Fragen zu beantworten. Diese in der Wissenschaft schon sehr alte Erkenntnis erlangte im vergangenen Jahrzehnt mit dem Vormarsch der Computer eine neue Dimension der Anwendbarkeit, da es plötzlich möglich war, "zufällige" Ereignisse mit dem Computer zahlreich und kostengünstig zu erzeugen (zu simulieren). Da der Kern einer solchen Simulation das Erzeugen von "Zufall" ist, hat sich der Name Monte-Carlo-Simulation eingebürgert (analog zum Glücksspiel im Casino). Ohne Simulationen gibt es nur eine einzige Chance, ein Problem mit dem Computer zu berechnen: Man benötigt eine Lösung der zugrunde liegenden Theorie (oder zumindest eine Näherungslösung), d. h. einen analytischen Ausdruck (Formel).
Analytische Lösungen existieren meist nur für einfache bzw. stark vereinfachte Modelle der Realität (und sind dennoch dann bereits oft sehr kompliziert). Für die meisten real vorkommenden Probleme sind aufgrund der komplexen und teilweise nichtlinearen Wirkungszusammenhänge überhaupt keine analytischen Lösungen verfügbar. Man ist auf Experimente und Messungen (Marktbeobachtungen) angewiesen. Dies hat den entscheidenden Nachteil, dass man eben nur Dinge beobachten kann, die schon passiert sind.
Als Vorteile der Simulation sind allgemein zu nennen:
- die schnelle Lösung eines Problems durch Computerberechnungen,
- die Möglichkeit von Vorhersagen und Was-wäre-wenn-Analysen (Szenarioanalysen), da die ein Problem bestimmenden Parameter beliebig gesetzt werden können, also auch so, wie sie (bis jetzt) noch nie in der Realität vorkamen, und
- die viel leichtere Verständlichkeit im Vergleich zu den oft sehr komplizierten theoretischen Lösungsansätzen.
2 Wie geht man bei der Monte-Carlo-Simulation vor?
Die allgemeine Vorgehensweise zur Durchführung einer Monte Carlo-Simulation lässt sich wie folgt beschreiben:
- Erzeugen der für die Monte Carlo-Simulation benötigten Zufallszahlen.
- Umwandeln der Zufallszahlen in die benötigte Verteilung.
- Durchführen eines Schrittes einer Monte-Carlo-Simulation gemäß den gezogenen Zufallszahlen und der dahinter liegenden Verteilung.
- Wiederholen der Schritte 1, 2 und 3, bis eine ausreichende Anzahl von Simulationen (i. S. eines Random-Engineering, z. B. 10.000 Mal) generiert wurde, um hieraus stabile Verteilungen und Statistiken abzuleiten.
- Endauswertung: Bilden der Mittelwerte (Verteilungen) der gemessenen Größen, Berechnung des Value-at-Risk, Ermittlung der statistischen Fehler etc.
Zur Verdeutlichung wird im Folgenden ein einfaches Beispiel für eine Monte-Carlo-Simulation gegeben.
Einsatz bei zwei Risiken
Es seien beispielsweise zwei unabhängige Risiken R1 und R2 gegeben, mit jeweils fünf verschiedenen Ausprägungen (-2, -1, 0, 1, 2). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wert angenommen wird, betrage jeweils 20 %. Die gemeinsame Auswirkung der beiden Risiken, das Gesamtrisiko R, liegt im Bereich von - 4 bis 4 und wird durch Tabelle 1 beschrieben.
R2/R1 |
-2 |
-1 |
0 |
1 |
2 |
-2 |
-4 |
-3 |
-2 |
-1 |
0 |
-1 |
-3 |
-2 |
-1 |
0 |
1 |
0 |
-2 |
-1 |
0 |
1 |
2 |
1 |
-1 |
0 |
1 |
2 |
3 |
2 |
0 |
1 |
2 |
3 |
4 |
Tab. 1: Mögliche Szenarien für das Gesamtrisiko R
Man sieht, dass es 25 mögliche Szenarien gibt. Beispielsweise gibt es genau ein Szenario (Kombination von R1 und R2) mit einem Schadenswert für R von -4; aber es gibt 5 Szenarien mit einem Wert von 0. Ein Ausprägung des Gesamtrisikos R mit dem Wert 0 ist also wesentlich wahrscheinlicher als der Wert -4.
Die möglichen Ausprägungen von R mit den jeweiligen Häufigkeiten bzw. Eintrittswahrscheinlichkeiten zeigt Tabelle 2:
Wert ("Schaden") |
-4 |
-3 |
-2 |
-1 |
0 |
1 |
2 |
3 |
4 |
Häufigkeit |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
4 |
3 |
2 |
1 |
Wahrscheinlichkeit |
4 % |
8 % |
12 % |
16 % |
20 % |
16 % |
12 % |
8 % |
4 % |
Tab. 2: Eintrittswahrscheinlichkeit der möglichen Ausprägungen von R
Die analytische Lösung für den Erwartungswert für das Gesamtrisiko ist also E(R) = 0.
Bei der Monte-Carlo-Simulation löst man das Problem nicht analytisch, sondern mit Hilfe von Zufallszahlen. In diesem Fall benötigt man für jeden Simulationsdurchlauf zwei Zufallszahlen Z1 und Z2, die jeweils größer oder gleich 0 und kleiner 1 sind. Mit deren Hilfe bestimmt man realisierte Werte für R1 und R2. Dazu muss man eine Funktion generieren, die unter Beachtung der Eintrittswahrscheinlichkeiten einer Zufallszahl einen Wert für ein Risiko zuweist. Für das Beispiel sei eine solche Funktion durch Tabelle 3 charakterisiert:
Zi |
0 ≤ z < 0,2 |
0,2 ≤ z < 0,4 |
0,4 ≤ z < 0,6 |
0,6 ≤ z < 0,8 |
0,8 ≤ z < 1 |
Wert (Ri) |
-2 |
-1 |
0 |
1 |
2 |
Tab. 3: Zuweisung von Wahrscheinlichkeiten (Bandbreiten) zu den Ereignissen R
Werden also in einem Simulationsdurchlauf beispielsweise für Z1 die Zufallszahl 0,3584 und für Z2 0,8897 ...