Dipl.-Kffr. Andrea Kämmler-Burrak, Rainer Bauer
Am Anfang gilt es, Transparenz über die eigene Nachhaltigkeitsambition herzustellen: Wo steht das Unternehmen heute und wo will es morgen stehen? Welche grundlegenden Motivationen bzgl. Erträge und Veränderungsumfang liegen der Transformation zugrunde?
Darauf ist ein klassischer Strategieprozess – mit einer strategischen Analyse, mit einem strategischen Rahmen und mit einem strategischen Zielsystem – zu durchlaufen, in dem allerdings explizit und durchgängig Nachhaltigkeitskriterien integriert werden. Abb. 2 zeigt den grundlegenden Strategieprozess auf, verdeutlicht die erweiterte Sicht auf alle 3 Perspektiven der Nachhaltigkeit und zeigt die Integration eines zentralen neuen Instruments, das der Wesentlichkeitsanalyse.
Abb. 2: Klassischer Strategieprozess, erweitert um Aspekte der Nachhaltigkeit
Der Wesentlichkeitsanalyse kommt eine große Bedeutung zu, da sie das Fundament für das zu integrierende Nachhaltigkeitsverständnis bildet und damit richtungsweisend für die Umsetzung ist. Aufgabe der Wesentlichkeitsanalyse als Teil der strategischen Analyse ist die Identifikation und Klassifikation potenzieller nachhaltiger Einflussfaktoren seitens Politik, Markt/Kunde, Mitarbeiter, Wissenschaft und Regulatorik sowie weiterer Stakeholder und die Bewertung dieser, hinsichtlich ihrer Relevanz bzw. Wesentlichkeit für das Unternehmen. Hierbei sind sowohl die Auswirkungen (Impacts) des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft (inside-out-Betrachtung), als auch die Auswirkungen (Dependencies) von Umwelt und Gesellschaft auf das Unternehmen und Wertschöpfungsketten (outside-in-Betrachtung) zu betrachten ("Prinzip der doppelten Materialität"). Eine solche Analyse hilft Unternehmen zu verstehen, welche Prioritäten im Feld der Nachhaltigkeit zu setzen sind, um diese dann entsprechend in die Geschäftsstrategie einfließen lassen zu können. Sie ist die Basis, um Ressourcen Themen zuzuordnen und der Gefahr der Bezichtigung eines "Greenwashings" zu begegnen. Gleichermaßen bildet sie auch das Fundament für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und ist mit dem Reporting zu verzahnen.
Zu beachten ist allerdings, dass den bestehenden Berichtsstandards unterschiedliche Definitionen von "Materialität" zugrunde liegen und damit unterschiedliche Anforderungen bestehen, über was zu berichten ist. Hierzu und zum Ansatz der doppelten Materialität gibt es eine angeregte Diskussion.
Angesichts der zentralen Bedeutung ist Unternehmen zu raten, eine fundierte Analyse sicherzustellen und einen robusten Prozess zu implementieren. Dabei sind mehrere Instrumente und Prozesse wie z. B. Trend- und Wettbewerbsanalysen, Regulatorik, Risikobewertung, Stakeholder-Befragung, ESG-Standards (wie z. B. GRI, SASB), Frameworks (wie z. B. SDGs) und Ratings einzubeziehen. Zur frühzeitigen Identifikation aufkommender Risiken und Chancen sowie Verschiebungen von Prioritäten und zur effektiven Zuordnung von Ressourcen wird dringend empfohlen, die Analyse als laufenden Prozess zu installieren.
Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse ist ein unternehmensspezifisches ESG bzw. Sustainability Framework, welches die wesentlichen Handlungs-/Impact-Felder mit Blick auf die Geschäftstätigkeit zusammenfasst und einen konkreten Handlungsbedarf des Unternehmens aufzeigt. Diese Handlungsfelder sind in das Kerngeschäft zu integrieren, um so die Geschäftstätigkeit im Sinne der Produkt- und Wertschöpfungskette eines Unternehmens nachhaltig zu entwickeln.
Die Ergebnisse sämtlicher Analysen fließen in die Definition bzw. Validierung von Purpose, Mission und Vision. Die Nachhaltigkeitsthemen werden entlang des Geschäftsmodells mit Blick auf klassische Businessziele wie Compliance, Erträge/Kosten, Wertsteigerung sowie auf gesellschaftliche Ziele bewertet und mit der bestehenden Strategie abgeglichen bzw. integriert.