Wesentlichkeitsanalyse

Die Wesentlichkeitsanalyse (Materialitätsanalyse) ist ein entscheidendes Instrument, um die Vielfalt von Nachhaltigkeit handhabbar zu machen, Prioritäten zu setzen und strategische Entscheidungen zu treffen. Sie ist ein Analysewerkzeug zur Identifikation relevanter Nachhaltigkeitsthemen einer Organisation und zentraler Ausgangspunkt für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Mithilfe der Analyse werden Themen identifiziert, die für Unternehmen wesentlich sind – aus der Wirkungsperspektive und/oder aus finanzieller Perspektive.

Um die Komplexität der verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen handhabbar zu machen, strategisch zu bewerten und entsprechende Programme zu entwickeln und umzusetzen, ist es notwendig, die Themen zu priorisieren. Die Identifizierung wesentlicher Nachhaltigkeitsaspekte erfolgt durch eine sog. Wesentlichkeitsanalyse oder Materialitätsanalyse. Neben den steigenden Erwartungen der verschiedenen Interessengruppen verlangen regulatorische Anforderungen wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) die Identifikation wesentlicher Nachhaltigkeitsthemen. Zudem beinhalten auch freiwillige Standards wie bspw. die Global Reporting Initiative (GRI) und der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) die Anforderungen einer Wesentlichkeitsanalyse.

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Online-Seminar zur Wesentlichkeitsanalyse: Materialität als zentrales Element der Nachhaltigkeit und der Berichterstattung
16.2.2023 | 14:00 Uhr (90 min.)

Mit einer sog. Materialitäts- bzw. Wesentlichkeitsanalyse legen Sie den strategischen Baustein für die Umsetzung von Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen. Im Materialitätsprozess identifizieren Sie die Nachhaltigkeitsthemen, welche für Ihre Organisation von besonderer Bedeutung sind. 

In diesem Online-Seminar lernen Sie die zentralen methodischen und inhaltlichen Anforderungen an die Materialitätsanalyse gem. CSRD kennen und erfahren insbesondere, wie Sie den Prozess praktisch angehen.

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Doppelte Wesentlichkeit: Inside-Out- und Outside-In-Auswirkungen

Die Wesentlichkeitsanalyse deckt wesentliche Themen sowie Chancen und Risiken einer Organisation auf, unter Einbezug der Erwartungen und Perspektiven der Stakeholder. Sie befähigt eine Organisation, zu erkennen, was die relevanten Nachhaltigkeits-Themenfelder sind, um eine fundierte Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, aktiv zu werden und zielgerichtet zu wirken. Im Zusammenhang mit der Wesentlichkeitsanalyse steht im europäischen Kontext häufig die Verwendung der doppelten Materialität. Hierbei werden Nachhaltigkeitsaspekte als wesentlich eingestuft, wenn sie entweder aus der Wirkungsperspektive oder aus der Finanzperspektive oder aus beiden Perspektiven wesentlich sind.

  • Wirkungsperspektive: Die Auswirkungen des Unternehmens auf die Gesellschaft und den Planeten werden als Inside-Out-Auswirkungen bezeichnet. Dazu gehören z. B. die Auswirkungen der Organisation durch Emissionen auf den Klimawandel.
  • Finanzperspektive: Die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsthemen auf die Organisation, ihre Position und Entwicklung werden als Outside-In-Auswirkungen bezeichnet, z. B. Risiken für das Geschäftsmodell und die Einnahmeströme der Organisation aufgrund des Klimawandels.

Die Schritte einer Wesentlichkeitsanalyse

Das konkrete Vorgehen kann durch die Verwendung verschiedener Methoden erfolgen. Allgemein gilt es, bei der Umsetzung einer Wesentlichkeitsanalyse folgende Schritte zu berücksichtigen, um den (zukünftigen) regulatorischen Anforderungen zu entsprechen, wie sie z. B. in der CSRD formuliert werden:

  • Identifikation und Analyse wesentlicher Stakeholder: Zu unterscheiden sind u. a. betroffene Stakeholder, die also direkt oder indirekt das Unternehmen beeinflussen oder von Unternehmenshandlungen beeinflusst werden, Nutzer der Nachhaltigkeitsberichterstattung oder interne und externe Experten. Zudem ist es notwendig, unterschiedliche Kommunikationsmethoden zu berücksichtigen.
  • Integration aller erforderlichen Nachhaltigkeitsaspekte, welche durch Regularien und Standards vorgegeben werden.
    1. Durch die regulatorischen Entwicklungen auf EU-Ebene sind hierbei alle Themen aus den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zu erörtern. Dazu gehören sektorunabhängige Nachhaltigkeitsthemen, die durch die Kennzahlen spezifiziert werden.
    2. Im zweiten Schritt geht es um eine Sektor-Analyse im Vorfeld, um sektorspezifische Nachhaltigkeitsaspekte identifizieren zu können.
    3. Schließlich ist es notwendig, unternehmensspezifische Nachhaltigkeitsaspekte zu identifizieren, z. B. durch die Durchführung von Analysen und Bewertungen der Organisation und ihres geschäftlichen Kontextes unter Verwendung kundenorientierter Ansätze und Methoden.
    4. Den europäischen Regularien liegt das Konzept der doppelten Wesentlichkeit zugrunde. Doppelte Wesentlichkeit zeigt auf, dass Nachhaltigkeitsaspekte aus 2 Perspektiven betrachtet werden müssen. Die Wirkung der Umfeld-Faktoren auf die Organisation, also die Outside-In-Auswirkungen, muss genauso betrachtet werden wie die Wirkung der Organisation auf ihr Umfeld, die sog. Inside-Out-Auswirkungen. Für jeden der o. g. Nachhaltigkeitsaspekte (sektor-agnostisch, sektorspezifisch und unternehmensspezifisch) ist die Wesentlichkeit zu bewerten.

Praxis-Beispiel: Outside-In- und Inside-Out-Wirkung

Es gibt verschiedene Nachhaltigkeitsthemen, auf die ein Unternehmen einen Einfluss haben kann. Im Falle eines Textilunternehmens können dies bspw. die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden (z. B. Gehalt, Arbeitszeiten, Sicherheit etc.) sein. Man betrachtet hier den Einfluss, den das Unternehmen auf die Umwelt und die Gesellschaft hat (Inside-Out-Wirkung). Gleichzeitig können die Umwelt und die Gesellschaft einen Einfluss auf das Unternehmen haben. So kann es bspw. zu Reputationsschäden bei dem Unternehmen kommen, wenn öffentlich werden würde, dass in den Textilfabriken widrige Arbeitsbedingungen herrschen oder Kinderarbeit betrieben werden würde. Hier betrachtet man somit den Einfluss, den die Gesellschaft auf das Unternehmen hat (Outside-In-Wirkung).

Das Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse

Das Ergebnis ist eine begründete und fundierte Auflistung und Beschreibung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen der Organisation sowie eine Auflistung der wichtigsten Interessengruppen einschließlich ihrer Ansichten, Interessen und Erwartungen. Die Informationen stellen alle relevanten Aspekte der Nachhaltigkeit eines Unternehmens dar und werden für zahlreiche Handlungen nutzbar. Die Liste wesentlicher Themen bildet somit die Grundlage für die relevanten Handlungsfelder eines Unternehmens im Bereich ESG.

Das Konzept der doppelten Wesentlichkeit und die verbindlichen Vorgaben zu den verschiedenen zu berücksichtigenden Elementen erfolgen durch die Verabschiedung der CSRD und der ESRS. Bislang gab es keine verbindlichen Vorgaben für die Materialitätsanalyse, was die Vergleichbarkeit durch den hohen Freiheitsgrad entsprechend einschränkte. Häufig erfolgte die Darstellung der Ergebnisse in Matrix-Form.

Praxis-Tipp: Jährliche Wiederholung der Wesentlichkeitsanalyse

Die wesentlichen Themen für ein Unternehmen ändern sich über die Zeit. Dies wird in der CSRD und den ESRS berücksichtigt. Um CSRD-konform zu handeln, sollte die Wesentlichkeitsanalyse jährlich durchgeführt werden, um die Aktualität der relevanten Themen sicherzustellen und jeweils aktuell darüber zu berichten.

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