Sarah Müller, Prof. Dr. Stefan Müller
Rz. 7
An bislang noch nicht durch § 289b HGB oder die CSRD verpflichtete Unternehmen werden aktuell bereits von vielen Seiten Ansprüche an eine wie auch immer auszugestaltende Nachhaltigkeitsberichterstattung gestellt. Einige Ansprüche sind dabei sogar auf Basis regulatorischer Vorgaben, andere entspringen dem generellen Trend zu einem stärkeren Nachhaltigkeitsbewusstsein. Dabei können die Intensität der Ansprüche und das Drängen der Anspruchsteller selber zwischen den Unternehmen höchst unterschiedlich sein. Abb. 2 zeigt schematisch die denkbaren Ansprüche an das Unternehmen aus Sicht der Stakeholder.
Abb. 2: Ansprüche an Nachhaltigkeitsinformationen der Stakeholder und Regulierungsebenen (in Anlehnung an Müller/Otter/Tjin, BC 2021, S. 464).
Das Unternehmen ist eingebunden in verschiedene Wertschöpfungsketten, produziert verschiedene Produkte und hat es mit einer Vielzahl von Unternehmensexternen zu tun, die hier grob in Gruppen zusammengefasst sind. Die ggf. regulatorisch abgesicherten Ansprüche sind in Abb. 1 mit etwas breiteren und nummerierten Pfeilen dargestellt.
- Es kann zu einer direkten Verpflichtung zum Nachhaltigkeitsbericht kommen. Aktuell betrifft dies zwar noch nicht die offenlegungspflichtigen Nachhaltigkeitsberichte (diese ist für kapitalmarktorientierte KMU erst ab dem Geschäftsjahr 2026 geplant) aber ggf. besteht die Notwendigkeit, aufgrund von bestimmten Energiesteuern, der Teilnahme am Emissionshandel, dem Verpackungsrecht, dem Abfallwirtschaftsrecht, o. Ä. zumindest bereits relevante Nachhaltigkeitsinformationen staatlichen Stellen zu übermitteln oder zumindest für Prüfungen vorzuhalten.
- Ein Unternehmen kann zu der Generierung von Nachhaltigkeitsinformationen verpflichtet sein, wenn es sich in einer Wertschöpfungskette mit Unternehmen befindet, die nach § 289b HGB zu einer nichtfinanziellen Berichterstattung oder nach der CSRD zu einer Nachhaltigkeitserklärung verpflichtet sind, wie in Abb. 2 Kunde 1 und Lieferant n. Analog kann auch ein zur Überwachung der Lieferkette verpflichtetes Unternehmen Informationsansprüche stellen.
- Unter dem Stichwort Sustainable Finance besteht ein Trend zur (weiteren) Regulierung der Finanzwirtschaft für Kredit- oder Versicherungsvergabe. Somit können Unternehmen sich Ansprüchen im Rahmen der Kreditvergabe oder der Sicherung eines Versicherungsschutzes ausgesetzt sehen.
Darüber hinaus entspringen – häufig für den Fortbestand des Unternehmens nicht minder gefährliche – Ansprüche auch von anderen Stakeholdern. Zentral ist zunächst die lange Zeit als selbstverständlich angesehene "licence to operate", die für einige Geschäftsmodelle aber zunehmend in Gefahr gerät. Hier wirkt die Öffentlichkeit – häufig zusammen mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – entweder direkt auf die Unternehmen oder indirekt über die Politik und erreicht damit beispielsweise Abstandregelungen von Produktionsanlagen von Wohnsiedlungen, die eine Geschäftstätigkeit fast ausschließt, wie etwa bei den Abstandregeln für Windkraftanlagen zu beobachten.
In Zeiten von Fachkräftemangel hat auch das Bild des Unternehmens in der Öffentlichkeit und bei (potenziellen) Arbeitnehmern eine steigende Bedeutung. Somit haben mögliche Bewerber auch ggf. regional und fachspezifisch höchst unterschiedliche Ansprüche an die Transparenz über Nachhaltigkeitsaspekte. Dies gilt auch für Lieferanten und Kunden, die teilweise auch ohne Verpflichtung eine eigene Nachhaltigkeitsagenda verfolgen. Zunehmend sind ganze Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Die internationale Kommunikationsberatung FleishmanHillard weist beispielsweise in vielen Veröffentlichungen auf die enorm gestiegene Relevanz von Nachhaltigkeit bei Kaufentscheidungen hin.
Für die Eigenkapitalgeber, die direkt oder über einen Aufsichtsrat das Unternehmen mit überwachen und die Dienste des Wirtschaftsprüfers zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Unternehmensberichterstattung nutzen, gilt es eigene Ansprüche an die Nachhaltigkeit durchzusetzen und natürlich auch darauf zu achten, dass die Ansprüche der übrigen Stakeholder beachtet werden.
Schließlich führt das auch dazu, dass das Unternehmen selber eigene Ansprüche an die Nachhaltigkeit entwickeln muss – einerseits auf Basis ökonomischer Notwendigkeiten, andererseits aber auch auf Basis eigener Überzeugungen, die sich ggf. erst sehr viel später positiv (auch im Sinne von Absicherung) in den finanziellen Größen niederschlagen.
Auf nationaler und europäischer Ebene wird diese indirekte Auswirkung der Regulierung allerdings zunehmend als überbordende Bürokratie insbesondere für die KMU angesehen. Daher plant die EU-Kommission, getrieben von EU-Rat offenbar noch weitergehende Schutzmaßnahmen für KMU, wobei die KMU natürlich letztlich auch die Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft gehen müssen. Ob tatsächlich mit den neuen politischen Mehrheiten im EU-Parlament und im EU-Rat sowie der neuen Zusammensetzung der EU-Kommission die Regulierung wieder rückabgew...