Kirsten Wüst, Bernd Kuppinger
Merkmale von Losgrößenverfahren
Deterministische Verfahren gehen davon aus, dass die Nachfrage nach den Endprodukten bekannt ist. Die Verfahren unterscheiden sich hinsichtlich der im Modell getroffenen Annahmen:
- Höhe der Nachfrage: Ist die Nachfrage konstant über alle Perioden oder kann sie von Periode zu Periode schwanken?
- Kapazitäten: Werden die Maschinenkapazitäten als unbeschränkt angenommen oder werden realistische Kapazitätsgrenzen modelliert?
- Anzahl der mit der Maschine zu produzierenden Produkte: Wird die Losgrößenbestimmung für jedes Produkt getrennt vorgenommen oder wird die Abhängigkeit zwischen den Artikeln mit in die Optimierung aufgenommen?
- Anzahl der Produktionsstufen: Wird jeweils nur eine Stufe des Produktionsprozesses isoliert betrachtet oder erfolgt eine Berücksichtigung der möglichen Mehrstufigkeit von Produktionsprozessen?
5.1.1 Andlersches Losgrößenmodell bei regelmäßigem Bedarf
Klassisches Losgrößenmodell
Das klassische Losgrößenmodell (auch als Andler- oder Harris-Formel bezeichnet) geht aus von
- einer konstanten und kontinuierlichen Nachfrage D (wie engl. demand) pro Periode,
- unbegrenzter Kapazität der Ressource,
- der Produktion eines Produkts,
- einem sofortigen Lagerzugang des gesamten Loses, d. h. einer unendlichen Produktionsgeschwindigkeit,
- Rüstkosten von s pro Rüstvorgang,
- einem Lagerkostensatz von c_l pro Stück und Periode.
Die optimale Losgröße L ergibt sich, indem man die Summe aus Rüstkosten und Lagerkosten minimiert. Mit zunehmender Anzahl an Losen steigen dabei die Rüstkosten; hat man eine kleine Anzahl von Losen bei großer Losgröße, sind die Lagerkosten hoch. Ein Minimum der Gesamtkosten ergibt sich bei einer Losgröße von
Werden also etwa 1.000 Teile im Jahr benötigt und betragen der Lagerkostensatz 75 EUR/Jahr sowie die Rüstkosten 100 EUR pro Rüstvorgang, ergibt sich eine optimale Losgröße von 52 Teilen. Es müsste 1.000 Teile / 52 Teile = 19,23-mal im Jahr umgerüstet werden.
5.1.2 Losgrößenbestimmung bei schwankendem Bedarf
Über das Jahr gleichmäßiger Bedarf unrealistisch
Die Voraussetzung eines über das ganze Jahr gleichmäßigen Bedarfs ist allerdings unrealistisch. In der Praxis treten oft Schwankungen der Nachfrage, z. B. saisonale Schwankungen etc., auf. Die Nachfrage wird dann auf kleinere Perioden als ein Jahr, z. B. auf Wochen, heruntergerechnet.
Ein Beispiel für Bedarfsgrößen in fünf aufeinanderfolgenden Wochen ist in Tab. 2 gegeben. Im weiteren Verlauf gehen wir bei der Nachfrage von einem zu Beginn der ersten Periode leeren Lager aus; dadurch entfällt die Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettobedarf.
Woche |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
Nachfrage |
40 |
8 |
14 |
12 |
37 |
Tab. 2: Nachfrage nach einem Produkt für fünf aufeinanderfolgende Wochen
Es stellt sich hier die Frage, welcher Produktionsplan aufgestellt werden soll. Soll die Losgröße jeweils so gewählt werden, dass der Bedarf für eine Woche abgedeckt wird oder sollen mehrere Wochenbedarfe zu einem Los zusammen gefasst werden, auch wenn dieses bedeutet, dass fertige Produkte gelagert werden müssen? Die Rüstkosten bleiben bei 100 EUR, die Lagerkosten betragen – bei einem Ansatz von 50 Wochen im Jahr – 1,5 EUR/Woche.
Los-für-Los-Fertigung
Die einfachste Idee besteht darin, den Bedarf in jeder Woche getrennt zu fertigen. "Los für Los". Im Beispiel in Tab. 2 würden also in den einzelnen Wochen 40, 8, 14, 12 und 37 Teile zu einem Los zusammengefasst. Dadurch entstehen in jeder Woche Rüstkosten. Lagerkosten ergeben sich nicht, da davon ausgegangen wird, dass der Bedarf einer Woche direkt nach der Produktion verkauft wird. Die Gesamtkosten belaufen sich so auf 500 EUR. Dieser Wert kann sicherlich noch verbessert werden.
Heuristik nach Andler bei schwankendem Periodenbedarf
Übertragung des klassischen Modells auf schwankenden Bedarf
Man kann natürlich in diesem Fall auch hergehen und einen durchschnittlichen Bedarf pro Woche ausrechnen. Dieser beträgt 22,2 Produkte pro Woche. Setzt man diesen Wert in die Andlersche Losgrößenformel ein, ergibt sich eine optimale Losgröße von 54,4 Teilen und damit eine Rüsthäufigkeit von 54,4 Teile / 22,2 Teile/Woche = 2,45 Wochen. Da auf Wochenbasis geplant wird, muss die Rüsthäufigkeit ganzzahlig sein und wird hier zu "alle zwei Wochen" bestimmt. Es wird dann jeweils so viel produziert, wie in den nächsten zwei Wochen gebraucht wird. Damit ergibt sich der in Tab. 3 dargestellte Verlauf der Bestände sowie der Kosten.
Woche |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
Nachfrage |
40 |
8 |
14 |
12 |
37 |
Lagerbestand zu Beginn der Woche |
0 |
8 |
0 |
12 |
0 |
Produktion |
48 |
0 |
26 |
0 |
37 |
Lagerbestand am Ende der Woche |
8 |
0 |
12 |
0 |
0 |
Rüstkosten |
100,00 EUR |
0,00 EUR |
100,00 EUR |
0,00 EUR |
100,00 EUR |
Lagerkosten |
12,00 EUR |
0,00 EUR |
18,00 EUR |
0,00 EUR |
0,00 EUR |
Gesamtkosten |
112,00 EUR |
0,00 EUR |
118,00 EUR |
0,00 EUR |
100,00 EUR |
Tab. 3: Losgrößenbestimmung über die Andlersche Losgrößenformel bei schwankenden Bedarfen
Insgesamt betragen die Kosten also 330 EUR. Es ist zu beachten, dass über die Andlersche Losgrößenformel nur die Umrüsthäufigkeit ausgerechnet werden kann. Die Losgröße kann nicht fest vorgegeben werden. Würde man in diesem Beispiel alle zwei Wochen 55 Teile produzieren, würden sich teilweise unnötig...