Nachfolgend werden aus dem gesamten M&A-Prozess mit Blick auf die Situation des mittelständischen Zielunternehmens 6 Themen angesprochen, die in der späteren PMI-Phase zu Problembereichen führen können.
4.1 Motivationslage klarlegen, Ziele definieren und Post-Exit-Phase antizipieren
Für einen Unternehmensverkauf im Mittelstand gibt es 3 wesentliche Gründen:
- Nachfolgeregelung,
- marktbedingte Wachstumsnotwendigkeiten,
- Sanierung/Restrukturierung.
Dementsprechend ergeben sich unterschiedliche Motivationslagen. Als potenzielle Erwerber treten typischerweise entweder strategische Erwerber oder Finanzinvestoren in Erscheinung. Während im Fall der Sanierung/Restrukturierung der Unternehmer oft "mit dem Rücken zur Wand" steht und daher keine großen Handlungsspielräume hat, liegt in den anderen beiden Fällen das Gesetz des Handelns noch stärker beim Unternehmer.
Gerade deshalb ist wichtig, dass das Unternehmen die eigene Motivationslage schonungslos analysiert, seine Position kritisch bewertet und auch die Post-Exit-Phase intensiv auch mit der eigenen Familie bzw. den im Unternehmen verbleibenden Mitarbeitern "durchspielt". Der oben erwähnte erste Praxisfall einer Nachfolgeregelung ist ein gutes Beispiel dafür, dass oft nur bis zum Vertragsabschluss gedacht wird und ein attraktiver Verkaufspreis den Blick auf die Realitäten "danach" verstellt. Besteht dagegen eine ganz konkrete und überzeugende Vorstellung für die Post-Exit-Phase, so kann dies auch für den Verkaufsprozess vertrauensbildend wirken. Die naturgemäß vorhandene Unsicherheit beim potenziellen Käufer wird dadurch reduziert, was den Verkaufsprozess vereinfachen und auch beschleunigen kann.
4.2 Externe und interne Unterstützung sichern
Für den mittelständischen Unternehmer ist eine anstehende Unternehmensveräußerung ein besonders heikles Thema. Aus Sorge über geschäftsschädigende Gerüchte tendiert man dazu, dieses Thema im möglichst kleinen und vertrauten Kreis zu behandeln. Dies kann – wie der zweite Praxisfall zeigt – fatale Auswirkungen haben. Der vertraute, externe Beraterkreis aus Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern verfügt oft nicht über ausreichende Expertise und Ressourcen, um einen M&A-Prozess professionell und zielorientiert durchzusteuern. Hier sollte auch nicht "am falschen Ende" gespart werden, sondern der vertraute Beraterkreis um professionelle M&A-Fachleute erweitert werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die hinzugezogenen Berater die Sprache und Denkweise der potenziellen Käufer verstehen und dadurch auch eine Mittlerrolle einnehmen können. Es ist nämlich durchaus ein Unterschied, ob man mit einem strategisch orientierten Großkonzern oder mit einem auf die finanziellen Treiber ausgerichteten Private-Equity-Haus spricht.
Mindestens genauso wichtig ist die Organisation der unternehmensinternen Unterstützung. Auch hier kostet es den mittelständischen Unternehmer oft Überwindung, interne Parteien, die über die notwendigen Kompetenzen verfügen, frühzeitig und offen in die Überlegungen einzubeziehen. Die Nominierung und offene Information eines Kernteams aus der bestehenden Führungsmannschaft ist unerlässlich. Die Kommunikationswege müssen klar abgesprochen und befolgt werden. Und vor allem muss mit dem Führungspersonal frühzeitig darüber gesprochen werden, was nach der Veräußerung "mit mir passiert". Die vage Aussage, dass man "gebraucht" wird und der Erwerber "ohne Euch" das Unternehmen nicht weiterführen kann, hilft nicht wirklich. Attraktive Incentives bei erfolgreichem Abschluss und – für den Fall der Fälle – großzügige Abfindungsregelungen bei "Change of Control" wirken entspannend und geben den Führungskräften die notwendige Rückenstärkung, um im Verkaufsprozess die Interessen des derzeitigen Arbeitgebers zu vertreten.
4.3 Vorvertragsphase professionell und zielorientiert durchsteuern
Mit Blick auf die Themenstellung erscheint es nicht erforderlich die Vorvertragsphase mit den üblichen Schritten von Vendor Due Diligence, Fact Book, Unternehmensbewertung, Ableitung von Kaufpreisvorstellungen sowie die verschiedenen Ausprägungen der Due Diligence (Finance, Tax, Legal, IT) dezidiert durchzugehen. Aufgrund einschlägiger Erfahrungen sind aber folgende Aspekte erwähnenswert:
"Fitnessgrad" der Finanzorganisation überprüfen
Bei einer M&A-Transaktion ist die Finanzorganisation des veräußerungswilligen Unternehmens in besonderem Maß gefragt, um den Informationsbedürfnissen der potenziellen Erwerber nachzukommen. Hier sind nicht nur Standing, Kompetenz und Einsatzbereitschaft der handelnden Personen gefragt. Oft sind die vorhanden Controlling- und Informationssysteme nicht darauf ausgelegt, umfangreiche und die weiter zurückliegende Vergangenheit betreffende Informationen schnell und in belastbarer Qualität bereitzustellen. Neben den Ressourcen für einen gut organisierten Planungs- und Forecast-Prozess fehlt im Mittelstand oft auch das Verständnis für dessen Notwendigkeit zur Unterstützung der Unternehmensführung. Der "Fitnessgrad" der Finanzorganisation sollte deshalb kritisch überprüft werden. Eine Nachsteuern, u. U. verbunden mit eine...