Kirsten Meynerts-Stiller, Dr. Christoph Rohloff
Aus der Beratungsperspektive betrachten wir am Anfang einer Integrationsbegleitung u. a., wie ausgeprägt die Integrationskompetenz einer Organisation ist. Integrationskompetenz wird dabei als eine Metakompetenz definiert, die 4 grundständige Managementkompetenzen umfasst: Strategische Kompetenz, Führungskompetenz sowie Projektmanagement- und Changemanagement-Kompetenz (s. Abb. 3).
Der Kompetenzbegriff bezieht sich hier sowohl auf Individuen, also das persönliche Verhaltens- und Handlungsvermögen von Führungskräften und Mitarbeitenden, als auch auf die organisationale Kompetenz, als Organisation bestimmte Wirkungen erzeugen und strukturiert managen zu können.
Je breiter und professioneller diese 4 Kompetenzen in einer Organisation ausgeprägt sind, desto höher sind die Chancen, den Ansprüchen einer Merger-Integration mit dem Aufbau entsprechender Integrationskompetenz auch gut begegnen zu können.
Abb. 3: Integration Excellence als Metakompetenz
10.1 Projektmanagement-Kompetenz
Die Projektmanagement-Kompetenz hat aus unserer Sicht eine zentrale Bedeutung: Es ist die hohe Kunst, riskante Vorhaben in einer temporären Managementumgebung verbindlich, zielgerichtet und wirksam, zudem parallel zu einer Linienorganisation und deren Funktionslogiken, zum gesamthaften Erfolg zu führen. Dabei gilt der Grundsatz: Eine Integration ist immer ein Projekt! Und die jeweilige Projektmanagement-Kompetenz entscheidet maßgeblich über die Erfolgschancen der Integration.
Das Projekt ist gleichsam das gemeinsame Vehikel, in dem die Integration gefasst und bewegt wird. Kluge Projektorganisationen, beteiligungsorientiertes "double boxing" bei der Besetzung der Projektrollen, klare Rollenbeschreibungen und eine organisationsweite Verbindlichkeit in der Ausübung der jeweiligen Rollen sind einige der wesentlichen Merkmale für eine hohe (Integrations-)Projektprofessionalität.
Im Umkehrschluss gilt, dass Unternehmen, die sich selbst eine eher mäßige organisationale Projektkompetenz attestieren würden, zumindest zum Einstieg keine allzu komplexen Deals anstreben sollten.
10.2 Führungskompetenz
Zunächst mag vielleicht überraschen, dass Führungskompetenz, "Leadership" eines der 4 zentralen Kompetenzfelder für Integrationserfolg sein soll. In Zeiten des Wandels und der Unsicherheit besteht die zentrale Funktion von Führung und Führungskräften jedoch darin, Orientierung und Sinn zu vermitteln sowie verstehbare und ankoppelbare Angebote an die Mitarbeitenden zu machen. Dann wird deutlich, dass keine Integration ohne das absolute Commitment und das beherzte Engagement der Führungskräfte gelingen kann.
Im Fokus stehen also nicht Führungsaufgaben des Alltags, sondern das "Führen im Wandel". Über diese spezifische Führungskompetenz sollte die Führungskräfte verfügen. Darüber hinaus muss Führungskompetenz auch als die Leistung eines gut aufeinander abgestimmten und eingespielten Führungssystems verstanden werden, das in der volatilen Integrationsphase mit einer Stimme spricht, gesamthaft Orientierung gibt und sich auch kollegial austauscht und stärkt.
10.3 Strategische Kompetenz
Strategische Kompetenz ist nicht nur für das Business Development und die Definition einer M&A-Strategie notwendig. Um eine kluge und anspruchsvolle Integrationsstrategie zu formulieren und umzusetzen, muss auch das Integrations-Team über wesentliche strategische Kompetenzen verfügen. Nur dann kann es den Business Case, das Marktumfeld, die Erwartungen von Mitarbeitenden und Kunden sowie die konkrete Realisierung der Synergiepotenziale in einen differenzierten und koordinierten Handlungsstrang verknüpfen und übersetzen.
Wirksam ist eine Integrationsstrategie und die entsprechende Integrationsplanung vor allem dann, wenn sie vom Kunden und vom Markt her gedacht wird. Ein solcher Ansatz geht weit über die bloße Wiederherstellung funktionaler Arbeitsfähigkeit hinaus. Die regelmäßigen Treffen der Workstream-Leads mit dem Integrationsbeauftragten sind bspw. einer der "intelligenten Orte" im Integrationsprojekt, an denen diese strategische Kompetenz immer wieder zum Einsatz kommen sollte, um im gemeinsamen Ringen den besten Weg zur Realisierung der Integrationsziele zu bahnen.
10.4 Change-Management-Kompetenz
Change Management im Allgemeinen und speziell in Merger-Integrationen bedeutet, anstehenden Wandel für die Mitarbeitenden in Käufer- und Zielunternehmen akzeptabel zu gestalten. Es geht um die professionelle Gestaltung dynamischer Akzeptanzbildungsprozesse, die vom Integrations-Team als durchgängiger Bestandteil der Integrationsplanung gedacht und entsprechend breit angelegt werden: in allen Workstreams, auf allen Ebenen des Integrationsprojekts sowie im Unternehmen insgesamt.
Change-Expertise kann in einer anstehenden Integration zwar durch externe Beratung in der Rolle bspw. eines Co-Lead zum Projektleiter gestärkt werden. Im Kern lässt sich die Verantwortung für die Gestaltung des Wandels aber nicht von den Integrationsverantwortlichen "wegdelegieren". Change-Kompetenz in der Integration heißt, Führung und Mitarbeitende in ihrer jeweiligen Rolle und Verantwortung zu unterstützen, diese kraftvoll und ...