Dr. Jochen Kurtz, Dr. Martin Binder
Ziel der BASF ist es, Treibhausgasemissionen in Richtung Netto-Null zu reduzieren. Somit spiegeln die aktuellen CO2-Fußabdrücke gleichzeitig die Reduktionspotenziale und -ambitionen für BASF in den jeweiligen Wertschöpfungsketten wider. Die Transparenz des CO2-Fußabdrucks auf Produktebene wird daher zu einem wichtigen Indikator und Geschäftsfaktor werden. Dabei ist ein CO2-Produkt-Fußabdruck die Summe der Treibhausgasemissionen, die ein Produkt in den verschiedenen Phasen seines Lebenszyklus verursacht. Mit jeder Verarbeitungsstufe kommen zusätzliche Emissionen hinzu. Die Lösung der BASF ermöglicht es dem Unternehmen, genaue und granulare produktspezifische Daten zu Treibhausgasemissionen von der Wiege bis zum Werkstor automatisiert bereitzustellen. BASF ist das erste Chemieunternehmen, das den CO2-Fußabdruck seines gesamten Portfolios von rund 45.000 Produkten berechnet hat, siehe Abb. 1.
Abb. 1: Input und Output von SCOTT
Bei der Entwicklung eines digitalen Tools zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks wurde eine Reihe von Herausforderungen gemeistert:
- Erfassung einer großen Anzahl relevanter Daten in unterschiedlichen Formaten a) aus verschiedenen BASF-Systemen wie dem globalen ERP-System, dem Global Business Warehouse und Spezialsystemen, z. B. Emissionsdaten, Stücklisten und Energieverbräuche, b) aus externen Datenbanken, z. B. für durchschnittliche PCFs von Rohstoffen und Frachten sowie c) von einzelnen Lieferanten, z. B. für eingekauften Strom.
- Aufbereitung der Daten in konsistenter und vergleichbarer Weise.
- Definition von Allokationsregeln in Übereinstimmung mit ISO-Normen und bestehenden Vereinbarungen von Industrieverbänden, ergänzt durch automatisierte Entscheidungsbäume, die logische und unvoreingenommene Allokationen z. B. im Falle mehrerer Nebenprodukte auswählen.
- Verbindung der einzelnen Produktionsschritte zu Wertschöpfungsketten mit Hilfe von Stücklisten, von Rohstoffen über Zwischenprodukte bis hin zu Verkaufsprodukten auf automatisierte Weise (Wertschöpfungsketten in der chemischen Industrie sind oftmals lang und komplex).
- Berechnung der Fußabdrücke für eine einzelne Produktion pro kg Output, indem Fußabdrücke für die eigene Produktion, eingekaufte Energien und Rohstoffe ins Verhältnis zur jeweiligen Produktionsmenge gesetzt werden. In einem zweiten Schritt werden diese einstufigen Fußabdrücke über die gesamte Wertschöpfungskette in einem automatisierten Prozess durchgerechnet, ähnlich der etablierten Produktkostenrechnung, angepasst an die Besonderheiten der PCF-Logik.
- Gleichzeitige Berechnung der so genannten "Cradle-to-Gate"-Fußabdrücke für 45.000 Produkte in einem durchgehenden Berechnungslauf.
- Datenvalidierung und Zertifizierung des Prozesses und der digitalen Lösung durch TÜV Rheinland.
Basis der Berechnung ist die Erfassung der Daten zu den direkten CO2-Emissionen im BASF-eigenen Produktionsnetzwerk an den BASF-Standorten. Dies umfasst die eigenen Produktionsanlagen sowie die Anlagen zur Erzeugung von Strom und Dampf. Zusätzlich werden externe Daten zu indirekten CO2-Emissionen, wie zum Beispiel von eingekaufter Energie, verarbeitet. Für die zu berücksichtigenden Emissionen durch Rohstoffe verwendet SCOTT derzeit hochwertige Durchschnittsdaten aus externen Datenbanken.
SCOTT führt alle Daten zusammen und nutzt einen intelligenten, immer wieder optimierten Algorithmus, um die CO2-Fußabdrücke für alle 45.000 BASF-Produkte schnell und einheitlich zu berechnen. Das gesamte Produktionsnetzwerk ist hoch komplex. Die bloße Aussage eines numerischen PCFs gibt dem Kunden Transparenz, ist jedoch für die interne Analyse und Optimierung nicht aussagefähig. Dazu wurden verschiedene Frontend-Darstellungen entwickelt (s. Abb. 2 – 4). Nutzer können die CO2-Emissionen ihrer Produkte einschließlich der Emissionsbeiträge entlang der Wertschöpfungsketten sehen. Diese Beiträge werden durch Nutzer-spezifische Tools mit Hilfe von Visualisierungen transparent gemacht, um Potenziale und Maßnahmen zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen zu identifizieren.
Abb. 2: Überblick über die Rohstoffe, die zum CO2-Fußabdruck eines bestimmten Produkts beitragen
Abb. 3: Überblick über die internen Prozesse und Betriebe, die zum CO2-Fußabdruck eines bestimmten Produkts beitragen
Abb. 4: Vollständige grafische Darstellung des Produktionsnetzwerks mit visueller Rückverfolgung der Emissionen durch die Produktionsstufen. Die Pfeildicke zeigt den Beitrag des jeweiligen Produktions- und Zukaufs-Strangs