Prof. Dr. Ronald Gleich, Dipl.-Kfm. Markus Brenner
3.1 Anforderungen an ein Prozesscontrolling
Für eine umfassende und systematische Darstellung der Aufgaben und Instrumente des Prozesscontrollings ist es zielführend, zunächst die Anforderungen an den Ansatz zu strukturieren.
Als Adressaten an prozessbezogene Steuerungsinformationen sind prinzipiell verschiedene Stakeholder denkbar. Sind im Unternehmen Prozessverantwortliche etabliert ("Process Owner") bzw. weitere prozessuale Rollen wie bspw. Prozessmanager oder Prozessexperten, sind deren jeweilige Steuerungserfordernisse zu berücksichtigen. Diese sind i. d. R. die Ziele des jeweiligen Prozesses sowie die zur Messung der Zielerreichung erforderlichen Kennzahlen.
In Unternehmen, in denen eine End-to-End-Prozessverantwortung aufgebaut ist, welche oftmals über mehrere Einheiten hinweg wirkt, müssen ebenfalls über funktionale Grenzen hinweg Steuerungsinformationen bereitgestellt werden. Neben Informationen zu den Zielen des Prozesses sind zusätzlich unterstützende Prozessinformationen relevant. Diese fokussieren sich z. B. auf die Art der Prozessdurchführung.
Typische Fragestellungen lauten: Wird der Prozess gemäß der Soll-Vorgaben durchgeführt? Sind die Möglichkeiten einer Automatisierung und Digitalisierung genutzt? Für Verantwortliche von funktional ausgerichteten Organisationseinheiten sind prozessbezogene Steuerungsinformationen ebenfalls von hoher Bedeutung. Während hierbei weniger durchgehend vereinbarte Prozessziele im Vordergrund stehen, sind u. a. Informationen über die im Verantwortungsbereich durchgeführten Aktivitäten (= Prozesse) und deren Ergebnisse (= Output der Prozesse) von Relevanz.
Auch für eine explizite Steuerung der "Customer Experience", z. B. durch Monitoring der Durchlaufzeit von Kundenanfragen/-aufträgen bzw. deren internen Bearbeitung ("Durchlaufzeit der Auftragsabwicklung"), bildet ein Prozesscontrolling die Grundlage. Im digitalen Zeitalter stellt hierbei die Bereitstellung von Echtzeitinformationen zunehmend eine Kernanforderung dar.
3.2 Überblick: Prozesscontrolling-Framework zur Aufgabensystematisierung
Für eine umfassende und systematische Darstellung der vielfältigen Aufgaben des Prozesscontrollings bietet es sich an, ein Framework zu skizzieren.
Das verwendete Prozesscontrolling-Framework baut zum einen auf den im vorherigen Abschnitt genannten grundsätzlichen Anforderungen auf. Darüber hinaus werden etablierte Controlling-Systematisierungen genutzt, um eine einfache Übertragbarkeit in die Praxis zu ermöglichen. Hierzu werden die Definitionen der International Group of Controlling (ICG) sowie die Controlling-Standardprozessbeschreibungen genutzt.
Zudem soll das Prozesscontrolling aus Sicht eines Unternehmens umfassend dargestellt werden. Dies bedeutet, dass nicht nur entsprechende Tätigkeiten einer Controllingeinheit und damit Controllingaufgaben im engeren Sinne betrachtet werden, sondern auch Themenfelder, welche durch andere Einheiten bzw. durch organisatorische Regeln in der Organisation realisiert werden.
Zu diesem Zweck wird der sogenannte Management Control System (MCS) Package-Ansatz verwendet, der das Controlling umfassend betrachtet. Er beinhaltet Methoden und Werte, welche dazu dienen, das Verhalten von Mitarbeitern zu steuern. Neben den Controlling-Kernaktivitäten Planung und Steuerung werden auch weitere Komponenten betrachtet: das Anreizsystem, organisatorische Aspekte und Kultur. Ebenso werden innovative technologische Methoden betrachtet, welche sich aus der Digitalisierung ergeben. Hierbei ist insbesondere Process Mining hervorzuheben.
Auf Basis dieser Überlegungen ist das Prozesscontrolling-Framework (s. Abb. 1) aufgebaut. Hierbei wird zwischen strategischen, operativen und unterstützenden Elementen des Prozesscontrollings unterschieden.
Abb. 1: Prozesscontrolling-Framework zur Systematisierung der Aufgaben
3.3 Planung von Prozessen: Aufgaben und Instrumente
Der Ausgangspunkt für eine angemessene Berücksichtigung von Prozessen in Unternehmen stellt deren Abbildung in der Planung dar. Prozesse sind dabei sowohl in der strategischen als auch in der operativen Planung zu berücksichtigen.
3.3.1 Prozessfokus/-ziele in der strategischen Planung
Für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens bildet eine gut ausgearbeitete Strategie und ihre konsequente Umsetzung die Grundvoraussetzung. Strategien haben dabei in den meisten Fällen einen direkten Bezug zu den Kernprozessen eines Unternehmens: von der Entwicklung der Produkte über die Beschaffung und die Logistik bis hin zur Erstellung der Produkte und Dienstleistungen und deren Vermarktung sowie der erforderlichen Serviceleistungen.
Bedeutung einer Digitalisierungsstrategie
Ein Unternehmen, welches dessen Digitalisierung als ein strategisches Ziel verfolgt, wird alle Kernprozesse gezielt auf entsprechende Möglichkeiten überprüfen. Darauf aufbauend werden für alle relevanten Kernprozesse entsprechende strategische Ziele definiert. Neben einer Ausformulierung der Ziele (z. B. "vollautomatische Abwicklung von Kreditanfragen bei einer Bank") werden an dieser Stelle auch konkrete Ziel...