Eine Vision allein ist wie der Traum von der Südsee ohne zu wissen wie man hinkommen kann. Aber dennoch sind Ziel-Destination und Reisegründe ("Reasons why") unabdingbare Voraussetzungen vor dem Start in eine langjährige Transformationsreise, um am Ende nicht "nur" ein technisches Upgrade von R/3 auf S/4 abzuliefern.
Nachdem die Vision formuliert war, folgte im nächsten Schritt die Entwicklung des Fachkonzepts welches
- in die langfristige Vision einzahlt,
- die Möglichkeiten und Notwendigkeiten der neuen Technologie kennt und berücksichtigt,
- der aktuellen Ausgangssituation Rechnung trägt zur Gestaltung der langjährigen "Hybrid"-Phase (Mix aus R/3 und S/4 ERP-Entitäten).
Das erarbeitete Fachkonzept hat natürlich sehr viele Facetten. Alle umfassend zu beleuchten würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Außerdem können viele Detailausprägungen erst während der Transformationsreise finalisiert werden. Diese Vorgehensweise entspricht dem oft bemühten aber v.a. im FICO-Bereich selten tatsächlich gewagten Ansatzes eines Minimum Viable Products.
Zwei Kernbotschaften
Das S/4-Grundkonzept des Universal Ledgers zwingt dazu, die v.a. im deutschsprachigen Raum oft noch für unmöglich gehaltene "Fusion" von externem (Accounting) und internem Rechnungswesen (Controlling) möglich zu machen. Dies gelingt, wenn man Controlling als eine Art "Darin-Info"-Erweiterung der Accounting-Daten denkt, welche die GuV-Zeilen granularer schneidet UND eine deutlich höhere Merkmalsausprägung zu bedienen hat als eine reine IFRS-Orientierung erfordern würde. Das zentrale, verbindende Element ist hierbei der New Chart of Account (Abb. 3).
Abb. 3: Die S/4-Elemente des BSH-Projekts im Überblick
Addiert man zu GuV und bilanzieller Sicht konzeptionell noch die Cash-Flow-Perspektive, dann wird deutlich, dass man im Zuge der ERP-Umstellung auf S/4 die einmalige Chance hat, das "betriebswirtschaftliche Triptychon" aus Bilanz, GuV (P&L) und Cash-Flow datentechnisch zusammenzuführen, wo heute auf Ebene Konzern meist drei getrennte Datenwelten betrieben werden müssen. Dass die drei Elemente in direktem Zusammenhang stehen, ist unbestritten, auf lokaler Ebene systemische Selbstverständlichkeit, aber auf (Groß-)Konzernebene fehlte bis dato noch das umsetzungstechnische "Wie". Eine Grundvoraussetzung ist die stringente, eineindeutige Strukturierung aller zur Verfügung stehenden Informationselemente über den gesamten Konzern hinweg (Legostein-Analogie). Das ist DIE Kärrnerarbeit, welche einem keine Software abnehmen wird. Als Belohnung winkt jedoch die Aussicht auf eine Google-Search-ähnliche Zukunft (Abb. 4).
Abb. 4: Eine einzige Datenquelle als Basis für vielfältige Berichts-Perspektiven
Statische Reports durch dynamische Views ersetzen
Eine eineindeutig strukturierte Datenlandschaft in Kombination mit der entsprechenden Datenverarbeitungskapazität und -geschwindigkeit moderner ERP-Systeme wird es ermöglichen, statische Reports durch dynamische Views zu ersetzen. Damit kann in Zukunft eine für externe IFRS-Berichtszwecke benötigte Strukturierung der Konzern-GuV nach Funktionsbereichen aus demselben "Legostein-Pool" erzeugt werden wie beispielsweise die – merkmalstechnisch deutlich tiefer gehende – Frage nach der konsolidierten Marge eines in Land A produzierten und in Land B verkauften Artikels. Der Zugriff auf beide Sichten kann zeitgleich-parallel erfolgen. Es bedarf künftig nur adäquate Suchfilter, aber keine getrennten, vorkonfigurierten Reports in der heute gewohnten Form mehr. Dies wird erlauben, in direktem "Drill-Down" von einer Konzernberichterstattung bis hinunter zu allen darunterliegenden Merkmalsebenen zu gelangen.
Aber bedarf es denn überhaupt noch einer mühsamen Daten-Strukturarbeit in einer Welt, in welcher KI auch mit unstrukturierten Daten wunderbar arbeiten kann? Diese Frage lässt sich wie folgt beantworten: Ein Google Search-Ergebnis muss keinen testierbaren, internationalen Rechnungslegungsvorschriften gerecht werden. D.h. solange "Circa"-Bilanzen oder "Circa"-P&Ls nicht hinreichend sind, macht es durchaus Sinn, alle IFRS-relevanten Buchungs- und Konsolidierungsvorgänge "at source" strukturiert mit allen jeweils vorhandenen, zur Steuerung notwendigen Zusatzinformationen zu versorgen. Das erspart sehr viel Interpretations- und Vermutungsaktivitäten auf Ebene der nachgelagerten Konzernberichterstattung und Performanceanalyse. Unstrukturierte Umfeld-Daten/-Vorhersagen können dann additiv zum Zwecke automatisierter Szenario-Rechnungen für Forecast und Planung mit dem systemisch-strukturiert berechenbaren Konzern-Werttreiberbaum kombiniert werden. So wird die dynamische "Routenführung" a la Google Maps vorstellbar.