Matthias Sellinger, Prof. Dr. Dieter Thomaschewski
Zusammenfassung
- Selbstorganisation in Organisationen nimmt immer mehr zu, auch außerhalb des ursprünglichen Bereichs der Software-Entwicklung.
- Erfolgreiche Selbstorganisation stellt zahlreiche Anforderungen an Führung, Kultur, Kompetenzen und Organisation.
- Diese Organisationsform hat auch Auswirkungen auf das Controlling und die Steuerung von Projektteams.
- Der Beitrag zeigt die Bedeutung von selbstorganisierten Teams sowie Implikationen für das Controlling auf. Anhand aktueller Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis wird gezeigt, wie Steuerungshilfen, Steuerungsmetriken und die Rolle des Controllings anzupassen sind. Der Leser erhält zudem praxisrelevante Empfehlungen und Hinweise für die Steuerung von selbstorganisierten Teams.
1 Neuer Trend: Selbstorganisation
In der Praxis haben sich in den letzten Jahren agile Organisationsformen weit verbreitet. Die Selbstorganisation von Teams ist im Rahmen der agilen Transformation dabei ein zentraler Bestandteil. Das Thema Selbstorganisation ist zwar schon länger bekannt, die auf Holland basierende Annäherung zur Selbstorganisation über den Ansatz der Komplexitätstheorie ist jedoch eher wissenschaftlichen Kreisen vorbehalten und findet nur in einigen wenigen Fällen Berücksichtigung in der Praxisliteratur.
Aus unternehmenspraktischer Sicht ist es daher eher sinnvoll, sich der Selbstorganisation über aktuell herrschende Managementtrends zu nähern. Vor diesem Hintergrund spielen vor allem die zunehmende Verbreitung agiler Arbeitsformen und der grundlegende Trend der "Arbeitswelt 4.0" eine entscheidende Rolle. Auf der einen Seite wurde die Selbstorganisation in einer Vielzahl von Studien als ein entscheidender Erfolgsfaktor im Rahmen der agilen Arbeitsweise identifiziert. Auf der anderen Seite verändert sich der Arbeitsalltag hin zu der sogenannten Arbeitswelt 4.0, die vor allem durch die Digitalisierung geprägt ist. Prozesse werden digital unterstützt oder komplett automatisiert, Menschen können zeit- und ortsunabhängig arbeiten und die gesamte Wirtschaft ist global miteinander vernetzt.
2 Erste Voraussetzung für den Einsatz von selbstorganisierten Teams: Projektform
Um selbstorganisierte Teams innerhalb einer Organisation etablieren zu können, ist es im ersten Schritt notwendig einen funktionierenden Rahmen zu konzipieren. Schließlich ist nur in den wenigsten Fällen eine vollständige Selbstorganisation über alle Prozesse und Organisationsbereiche wirtschaftlich, da mit zunehmenden Handlungsspielräumen für Mitarbeiter auch die erforderlichen Kompetenzen und Anforderungen wachsen.
Dementsprechend scheint ein beidhändiger Ansatz vielversprechend, bei dem die richtige Balance aus hierarchisch strukturierten und selbstorganisierten Unternehmensbereichen geschaffen wird. Bei der Wahl der Aufgaben oder Prozesse, die selbstorganisiert abgewickelt werden können, lohnt es sich, auf den Methodeneinsatz in Abhängigkeit von Komplexität und Unsicherheit nach Stacey zurückzugreifen. Dieser bietet einen einfachen Ordnungsrahmen zur Abgrenzung von einfachen, komplizierten, komplexen und chaotischen Aufgaben. Die Matrix bietet eine klare Portfolio-Strukturierung und hilft bei der Entscheidung, welches Vorgehen beim Management von Projekten und Prozessen zielführend sein kann. Dementsprechend lässt sich diese Vorgehensweise auch problemlos auf die Entscheidungsfindung zwischen den Alternativen fremdorganisierter und selbstorganisierter Teams übertragen (s. Abb. 1).
Abb. 1: Wann ist Selbstorganisation sinnvoll?
Der Einsatz von selbstorganisierten Teams kann bei einem bestimmten Grad der Unsicherheit bzgl. der Projektanforderungen und der angewandten Technik durchaus nützlich sein. Dementsprechend ist die Selbstorganisation gerade für komplizierte oder komplexe Projektvorhaben eine ernstzunehmende Alternative zum klassisch fremdorganisierten Projektaufbau. Bei relativ "einfachen" Projektvorhaben hingegen ist es effizienter, auf klar definierte und im Wesentlichen fremdorganisierte Strukturen zurückzugreifen.
Bei extremer Unsicherheit ("Chaos") empfiehlt es sich, entweder auf das Projektvorhaben zu verzichten oder auch hier mit einer klar definierten Struktur (z. B. hinsichtlich Budgetierung, Projektterminierung etc.) vorzugehen. Hierdurch wird das für diesen Bereich geltende hohe Verlustrisiko minimiert.
Diese praxisrelevante Vorgehensweise verwendet bspw. einer der Marktführer aus der Branche der Elektrowerkzeuge. Während z. B. einfache Produktmodifikationen wie die leichte Optimierung eines Akkuschraubers, nach wie vor in klassischen Projektorganisationsformen abgewickelt werden, existieren für komplexere Projektvorhaben, z. B. bei neuen Serienprodukten oder gänzlich neuen Innovationen, durch selbstorganisierte Projektteams Erfolgspotenziale.
3 Weitere Voraussetzung: Führung, Kultur, Kompetenzen und Organisation
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