Prof. Dr. Henry Schäfer, Stephan Eckert
Mittelstand sucht Wachstumsfinanzierung
Trotz der mittlerweile deutlichen konjunkturellen Erholung in Deutschland steht die Frage der Kreditversorgung der deutschen Wirtschaft, speziell des deutschen Mittelstands, weiterhin stark im Fokus. Im Rahmen aktueller Umfragen, wie u. a. von der HANNOVER-Finanz-Gruppe in Zusammenarbeit mit dem Finanzmagazin Finance oder der Stiftung Familienunternehmen in Verbindung mit PWC kürzlich veröffentlicht, rechnen die befragten Unternehmen für die kommenden Jahre mit signifikanten, teilweise überdurchschnittlichen Wachstumsraten ihres Umsatzes. Dieses Wachstum erfordert eine entsprechende begleitende Finanzierung, wobei die Wahl der adäquaten Finanzierungsalternativen eine entscheidende Rolle für die Realisierung der Wachstumsprognosen spielt.
Achillesferse Fremdkapitalfinanzierung
Historisch gesehen beruht das deutsche Finanzierungsmodell im Wesentlichen auf zwei Säulen. Zum einen auf der Bildung von Eigenkapital durch die Innenfinanzierung, meist durch die Einbehaltung von Gewinnen, zum anderen durch die Außenfinanzierung, bei der Fremdkapital durch Kredite einer (Haus-)Bank beschafft wird. Zwar hat sich die Innenfinanzierung durch einbehaltene Gewinne in der Zeit der Finanzkrise als sehr viel schwieriger dargestellt, als erste Schätzungen prophezeiten, und zudem nachfolgend zu teilweise erheblichen Eigenkapitalerosionen gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen geführt. Insgesamt aber hat sich dieses Modell der Eigenkapitalbeschaffung über Jahrzehnte bewährt und viele Unternehmen durch die Finanzkrise gebracht.
Dies ist sicherlich nach wie vor auch ein Grund, warum der deutsche Aktienmarkt auch in Zukunft keine vergleichbar bedeutende Rolle für die Eigenkapitalbeschaffung spielen wird, wie es vor allem im angelsächsischen Raum der Fall ist. Allerdings stellt das deutsche Modell der Fremdkapitalfinanzierung über die Kreditaufnahme bei Banken die Achillesferse der Finanzierung für viele deutsche Unternehmen dar.
Der gut ausgebaute Bankenmarkt und das deutsche Hausbank-Modell stellten über Jahrzehnte hinweg gut verfügbare Kredite für deutsche Unternehmen bereit. Dieser Prozess wurde durch die Finanzkrise schlagartig und massiv gestört. Das hat bei Unternehmen zu einer mittlerweile gewandelten Einstellung zur von Banken abhängigen Finanzierung geführt und für das Aufkommen neuer, von Banken eher unabhängigen Finanzierungspraktiken gesorgt. Das ist eine Entwicklung, die schon einmal zu Beginn des Jahrtausendwechsels im Zuge der Einführung der Basel-II-Regelungen bei Kreditinstituten und der dadurch ausgelösten verschärften Transparenzanforderungen bei Kreditbeurteilungen und höheren Kreditrisikozuschlägen tendenziell in Gang gesetzt wurde.
Kreditvergabesituation trotz Besserung weiterhin kritisch
Zwar hat sich die Kreditvergabesituation im Nachgang zur Finanzkrise wieder deutlich verbessert, das Niveau vor der Finanzkrise ist aber zum jetzigen Zeitpunkt noch lange nicht erreicht. Unternehmen bemängeln vor allem
- die lange Dauer, bis Kredite von den Banken bewilligt sind,
- den deutlich gewachsenen Wunsch der Banken nach höheren Kreditsicherheiten und
- die markant höheren Risikoaufschläge im Vergleich zur Zeit vor der Krise.
Ohnehin sehen sich die Unternehmen seit der Einführung des bankinternen Ratings (Stichwort Basel II) mit zusätzlichen Dokumentationspflichten konfrontiert. Verschärft wird die damit angespannte Situation der Bankenfinanzierung für Unternehmen durch die demnächst greifenden strengeren Eigenkapitalregeln für Kreditinstitute (Stichwort Basel III) und den Ausleseprozess bei den meisten krisengeschüttelten Landesbanken.
Diversifizierung der Finanzierungsalternativen notwendig
All diese Faktoren führten dazu, dass nicht nur bei Großunternehmen, sondern auch im Mittelstand ein Trend weg von der traditionellen Finanzierung über die Hausbank (sog. "Arm's Length Principle"), hin zu einer stärkeren Diversifizierung der Finanzierungsalternativen zu beobachten ist.
Dieser Trend birgt durchaus bislang verkanntes Potenzial, bieten sich doch bei der richtigen Wahl der Finanzierungsalternativen niedrigere (explizite) Kapitalkosten und weitere Vorteile wie geringere sog. implizite Kapitalkosten (wie sie z. B. als Abhängigkeit von Banken für Unternehmen entstehen). Die Wahl der Finanzierungsart ist insofern deutlich strategisch bestimmt und von jedem Unternehmen individuell zu treffen. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die aktuellen Trends im Bereich der Finanzierung geben sowie ausgewählte strategische und operative Finanzierungsalternativen zeigen.
Operativ getriebene und strategisch wirkende Finanzierungsformen
Unternehmen, vor allem in mittelständischer und familiengeführter Form, steht in Deutschland ein breites Spektrum an Finanzierungsmöglichkeiten grundsätzlich, aber in zeitlich wechselnder Bedeutung zur Verfügung. Der Beitrag stellt zunächst auf operativ getriebene Finanzierungsformen ab, die seit dem Jahrtausendwechsel und erst recht seit der Finanzkrise ei...