Am 14. November 2019 wurde in Deutschland das "Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/1852 des Rates vom 10. Oktober 2017 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungs-streitigkeiten in der Europäischen Union" (kurz: "EU-DBA-Streitbeilegungsgesetz") verabschiedet.
Das Ziel des EU-DBA-Streitbeilegungsgesetzes ist es, einen Einigungszwang zwischen den Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Doppelbesteuerungsstreitigkeiten zu gewährleisten und die Dauer der Verständigungsverfahren zu reduzieren. Wenngleich dieses Verfahren gegenüber dem (bisherigen) Verständigungsverfahren auf Basis der EU-Schiedskonvention kleinere Vorteile aufweist, so dürften diese dennoch im Regelfall in der Praxis überschaubar sein (siehe hierzu weiter unten).
Grundsätzlich gilt, dass bei diesem Verfahren nur der doppelt besteuerte Gewinn entsprechend gegenkorrigiert wird. Das heißt, in der Praxis entspricht die Steuernachzahlung des einen Landes i. d. R. nicht der Steuererstattung des anderen Landes, soweit die Steuersätze voneinander abweichen. Und in der Praxis bleiben die Unternehmen auf Zinsen und Strafen sitzen, weil diese nicht Gegenstand des Verfahrens sind.
Im Gegensatz zum EU-Schiedsverfahren ermöglicht das EU-DBA-Streitbeilegungsgesetz einen weitergefassten Anwendungsbereich und ist nicht vorwiegend auf Verrechnungspreisfragen beschränkt. Das Gesetz findet auf Streitbeilegungsbeschwerden Anwendung, die ab dem 1. Juli 2019 für Streitfragen eingereicht werden und in einem Steuerjahr, das am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnt, entstehen. Sofern auch Jahre vor 2018 betroffen sind (bspw. ein Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.12.2018), kann nach deutscher Verwaltungsauffassung die Streitbeilegungsbeschwerde nach dem EU-DBA-Streitbeilegungsgesetz auch für diese Jahre eingereicht werden, sofern die zuständigen Behörden dem zustimmen.
Der Aufbau des Gesetzes folgt dem tatsächlichen Verfahrensverlauf und untergliedert sich in drei Teilabschnitte: Streitbeilegungsbeschwerde (§ 4 bis 12 EU-DBA-SBG), Verständigungsverfahren (§ 13 bis 16 EU-DBA-SBG) und Schiedsverfahren durch den beratenden Ausschuss (§ 17 bis 20 EU-DBASBG).
Abb. 157: Ablauf nach dem EU-DBA-Streitbeilegungsgesetz
Streitbeilegungsbeschwerde
Die Streitbeilegungsbeschwerde ist von der Person, die von der Doppelbesteuerung betroffen ist, bei den zuständigen Behörden gleichzeitig und mit gleichen Angaben einzureichen. Betroffene Person ist jede nach einem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige Person oder jedes Unternehmen eines Mitgliedstaats im Sinne des Übereinkommens vom 20. August 1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (90/436/EWG; EU-Schiedskonvention). Insoweit sind auch Personengesellschaften und Betriebsstätten erfasst.
Die Beschwerde ist spätestens drei Jahre nach der ersten Mitteilung über die Maßnahme, die im Ergebnis zur Doppelbesteuerung geführt hat, einzureichen. Um ergänzende Informationen kann die zuständige Behörde binnen drei Monaten nach Eingang der Beschwerde ersuchen. Das Bundeszentralamt für Steuern als zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland hat innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Streitbeilegungsbeschwerde die Entscheidung über ihre Zulassung oder Zurückweisung zu treffen. Andernfalls gilt die Beschwerde als zugelassen. Einer Zurückweisung kann die betroffene Person durch Antrag auf Einberufung eines sog. Beratenden Ausschusses begegnen, wenn nicht alle beteiligten Staaten die Beschwerde zurückgewiesen haben.
Verhandlung zwischen Behörden
Wenn alle zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten die Streitbeilegungsbeschwerde zugelassen haben, sind die Behörden damit beauftragt, die Streitbeilegungsbeschwerde zu lösen. Ab Zugang der Mitteilung über die Zulassung der Streitbeilegungsbeschwerde durch die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten beträgt die Einigungsfrist zwei Jahre. Die Einigungsfrist kann um ein Jahr verlängert werden.
Sobald die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten innerhalb der Einigungsfrist eine Einigung darüber erzielt haben, wie die Streitfrage gelöst werden soll, gilt diese Einigung für die Behörde als verbindliche und für die betroffene Person als durchsetzbare Entscheidung.
Scheitern der Einigung
Haben die zuständigen Behörden innerhalb der Einigungsfrist keine Einigung darüber erzielen können, wie die Streitfrage gelöst werden soll, werden dem Antragsteller die Gründe des Scheiterns unverzüglich mitgeteilt, sodass dieser die Einsetzung eines Beratenden Ausschusses beantragen kann. Der Beratende Ausschuss gibt im Rahmen des sog. Schiedsverfahrens eine Stellungnahme zur Lösung der Doppelbesteuerung ab.
Schiedsverfahren durch den Beratenden Ausschuss
Die betroffene Person hat den Antrag auf Einsetzung des Beratenden Ausschusses schriftlich und innerhalb von 50 Tagen (ab dem Tag der Mitteilung über die...