Autoren: Jörg Hanken, Dr. Isabel Ruhmer-Krell, Sandra Ahrens
Am 10. Dezember 2019 hat das Bundesministerium der Finanzen einen Referentenentwurf zur Umsetzung der sog. "EU Anti Tax Avoidance Directive" (kurz ATAD) veröffentlicht. Die ATAD-Richtlinie enthält wesentliche Maßnahmen zur Verhinderung von Steuervermeidungspraktiken im EU-Binnenmarkt und steht im engen Zusammenhang mit dem im Oktober 2015 beschlossenen OECD-Aktionsplan zu "Base Erosion and Profit Shifting" (BEPS).
Nach Bekanntgabe des überarbeiteten Referentenentwurfs im März 2020 wurde genau ein Jahr später, am 24. März 2021, ein Regierungsentwurf für das ATAD-Umsetzungsgesetz vom Bundeskabinett beschlossen. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung wurde am 21. Mai 2021 vom Bundestag angenommen. Der Bundesrat hat dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz schließlich in seiner Sitzung vom 25.6.2021 zugestimmt.
Während mit dem Referentenentwurf zum ATAD-Umsetzungsgesetz neben neuen Regelungen in Bezug auf hybride Gestaltungen und die Hinzurechnungsbesteuerung, welche die Kernelemente der ATAD-Richtlinie darstellen, auch wesentliche Inhalte der BEPS-Aktionspunkte 8-10 adressiert wurden, beschränkt sich das vom Bundestag verabschiedete Gesetz (kurz: ATAD-UmsG) nun lediglich auf die Erweiterung der Definition der "nahestehenden Person". Daneben wurden lediglich kleinere redaktionelle Änderungen des § 1 AStG eingeführt.
Große Teile der Neufassung des § 1 AStG, die noch im Referentenentwurf enthalten waren, sind jedoch Teil des Gesetzes zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer (Abzugssteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes – kurz: AbzStEntModG) geworden, das am 8. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde. Ziel dieses Gesetzes ist es, das Kapitalertragssteuer-Entlastungsverfahren zu verbessern und damit zusammenhängenden Missbrauch und Steuerhinterziehung zu verhindern. Allerdings werden im AbzStEntModG nun auch eine wesentliche Überarbeitung und Neufassung des § 1 AStG, eine neue Preisanpassungsklausel für Funktionsverlagerungen und nationale Regelungen zu Vorabverständigungsverfahren vorgesehen.
Die in das AbzStEntModG aufgenommenen Änderungen im Bereich Verrechnungspreise unterscheiden sich dabei nur unwesentlich von den im Referentenentwurf des ATAD UmsG enthaltenen Regelungen.
Die aus Verrechnungspreissicht teilweise sehr weitreichenden Änderungen des ATAD UmsG und des AbzStEntModG für deutsche Steuerpflichtige werden im Folgenden kurz tabellarisch vorgestellt und kritisch gewürdigt.
Gesetz |
Wesentliche Neuerungen |
Kritische Würdigung |
ATAD UmsG |
§ 1 Abs. 2 AStG n. F.: Erweiterte Definition der nahestehenden Person |
Erweiterung der Definition der "nahestehenden Person" um Personen, die Anspruch auf mindestens 25 % des Gewinns oder Liquidationserlöses haben. |
Der vom Bundesrat angenommene Gesetzesentwurf enthält bzgl. § 1 Abs. 2 AStG keine Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf aus März 2020. Die Ausweitung des Begriffs der nahestehenden Person sollte für die meisten Unternehmen keine wesentliche Änderung bedeuten. |
Gesetz |
Wesentliche Neuerungen |
Kritische Würdigung |
AbzStEntModG |
§ 1 Abs. 3 AStG n. F.: Fremdvergleichspreise und Methodenwahl |
Erstmalige Legaldefinition des Fremdvergleichspreises. Abstellen auf den Zeitpunkt der Vereinbarung des Geschäftsvorfalls. Abkehr von der Methodenhierarchie (bisher Vorrang der Standardmethoden, d. h. der Preisvergleichs-, Wiederverkaufspreis- und Kostenaufschlagsmethode), stattdessen wird auf die Methode abgestellt, die bezogen auf den einzelnen Sachverhalt nach Datenlage am besten geeignet ist. |
§ 1 Abs. 3 AStG war zunächst Teil des Referentenentwurfs des ATAD-UmsG und wurde nun in das AbzStEntModG aufgenommen. Bis auf redaktionelle Änderungen ergeben sich jedoch keine Abweichungen in den Regelungen. Im Rahmen der Beantwortung einer Anfrage der FDP Fraktion vom 19. März 2020 hat die Bundesregierung klargestellt, dass durch die neue Regelung kein ex ante Ansatz bei der Verrechnungspreisbildung gesetzlich vorgesehen sein soll. Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Vereinbarung des Geschäftsvorfalls bekräftigt jedoch noch einmal die Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, die bereits in der VGV von 2005 und der GAufZV von 2017 diesen Ansatz hervorgehoben hatte. Im internationalen Zusammenspiel ergeben sich aus der verstärkten Fokussierung auf den Price-Setting-Ansatz diverse Doppelbesteuerungsrisiken, die in Kapitel 11.6 ausführlich diskutiert werden. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, ob die Finanzbehörden den Price-Setting-Ansatz auch in Fällen deutscher Routinegesellschaften (z. B. Auftragsfertiger oder Vertriebsgesellschaften mit geringen Risiken) konsequent verfolgen werden, selbst wenn dieser zu geringeren Ist-Nettomargen geführt hat. Die Abkehr von der Methodenhierarchie und somit Angleichung an die OECD VP-RL ist im Sinne einer internationalen Harmonisierung durchweg zu begrüßen. |
NEU: § 1 Abs. 3a AStG: Vorschrift zu Bandbreiten bei eingeschrä... |