Jörg Hanken, Guido Kleinhietpaß
Zusammenfassend kann nach Ansicht der Autoren folgendes Fazit gezogen werden:
Als übergeordneter Grundsatz sollte stets gelten, dass bei einer Optimierung bzw. Veränderung von Wertschöpfungsketten sowohl betriebswirtschaftliche als auch steuerliche Effekte (z. B. Verrechnungspreise, Umsatzsteuer, Zoll) berücksichtigt werden sollten. Die betriebswirtschaftliche Zielsetzung ist die Maximierung des Konzerndeckungsbeitrags. Die steuerliche Fokussierung besteht in der Reduzierung bzw. Vermeidung von steuerlichen Risiken (Cashflow und Compliance) sowie der Optimierung der Nachsteuerrendite. Der kritische Fall liegt vor, wenn aus steuerlicher Sicht VP-Methoden zulässigerweise gewählt werden müssen, sodass sich daraus VP und letztlich Finanzkennzahlen z. B. für eine Vertriebsgesellschaft ergeben, die daran selbst (d. h. auf Basis ihrer eigenen GuV) nicht mehr erkennen kann, ob ihre Entscheidung hinsichtlich Preis-Mengen-Mix bzw. Deckungsbeitragsmaximierung auch aus Konzernsicht richtig oder falsch ist. In diesen Fällen ist eine konsolidierte Sicht nötig, um erkennen zu können, ob die Entscheidung der Vertriebsgesellschaft zu einem maximalen Konzerndeckungsbeitrag führt. Beispiele haben gezeigt, dass (unbewusste und ungewollte) Fehlentscheidungen des Vertriebs zu einer Schwächung des Konzerndeckungsbeitrags führen können. Der geschilderte kritische Fall liegt sehr häufig bei 1-Preis-Systemen vor.
Daraus folgt die Empfehlung, VP in den Legal Books gemäß steuerlichen Vorschriften zu ermitteln und zu buchen und idealerweise die Steuerung und Performance-Messung aus Controllingsicht auf Basis konsolidierter (Ergebnis-/Produktkosten- bzw. ggfs. auch Herstellungskosten-)Kennzahlen oder auf Basis von nicht VP-induzierten Legal-Entity-KPI durchzuführen. Die Granularität der Konsolidierung auf folgenden Ebenen ist je nach Konzernführungsphilosophie und je nach Homo-/Heterogenität der weltweit eingesetzten ERP-Landschaft zu analysieren und festzulegen: Konzern, BUs, Segmente, Produktgruppen, Produkte, Vertriebswege, Einsatzzwecke etc.
Der Klarheit halber sei jedoch auch erwähnt, dass die Autoren sich nicht anmaßen zu beurteilen, welche der beiden folgenden Führungsphilosophien nachhaltig zu höheren Konzerndeckungsbeiträgen führen. Dabei spielen zu viele andere Faktoren (Produktportfolio, Wert des Produkts vs. Logistikkosten, Art des Wettbewerbs, Organisationsaufbau, EDV-Systemlandschaft, Führungskultur etc.) eine Rolle. Nachfolgend werden zwei gegensätzliche Führungsphilosophien kurz dargestellt:
- ›Jede Gesellschaft agiert als eigenständiger Unternehmer‹: Hier ist gewünscht, dass die Gesellschaften untereinander stark über (konzerninterne) Geschäfte, Preise und Konditionen verhandeln, um sich jeweils möglichst selbst zu optimieren. Der Gedanke ist dabei, dass die Summe der Deckungsbeiträge, die jeder Unternehmer/jede Gesellschaft liefert, zu einem maximalen Konzerndeckungsbeitrag führt. Hier stellt sich die Frage, wie hoch die konzerninternen Verhandlungs-/Prozesskosten sind und wie die Gefahr von möglichen Reibungsverlusten und Fehlsteuerungen gemanagt wird. Eine plausible Einschätzung kann mithilfe des im Buch vorgestellten Transaktionskostenansatzes erfolgen.
- ›Eine gesellschaftsübergreifende Einheit/Wertschöpfungskette agiert als unternehmerisches Team gegenüber dem Markt‹: Dieser Ansatz fokussiert auf den ›durchgerechneten/ konsolidierten‹ Deckungsbeitrag z. B. eines Produkts, einer Produktgruppe oder einer BU, der um (Zwischen-) Ergebniseffekte von steuerlichen – wie auch immer ermittelten – VP bereinigt ist. Die verwendeten Kennzahlen beziehen sich unmittelbar auf Größen, die der Konzern z. B. im Bereich Produktion und Vertrieb gegenüber den konzernfremden Marktteilnehmern beeinflussen sollte. Die Motivation und Incentivierung des zentralen Managements erfolgt konsequenterweise ohne Bezug auf das EBIT der einzelnen Konzerngesellschaft, sondern z. B. auf das EBIT oder die Earnings Per Share des Gesamtkonzerns. Die Motivation und Incentivierung des dezentralen Managements erfolgt idealerweise auf Basis des EBITs des Bereichs/der BU oder – soweit technisch möglich – auf ein um steuerliche VP-Effekte bereinigtes EBIT der lokalen Konzerngesellschaft.
Da die Regierungen weltweit krisenbedingt versuchen, ihre Steuereinnahmen zu maximieren, wird der Druck auf steuerliche angemessene VP weiter steigen. Die im Oktober 2015 veröffentlichen finalen BEPS-Berichte der OECD gegen konzerninterne Gewinnverschiebungen und gegen doppelte Nichtbesteuerung von Einnahmen, die neuen BEPS-2.0-Vorschläge sowie die umgesetzten ATAD-Regelungen werden das internationale Steuerrecht massiv und nachhaltig verändern. Die Streitigkeiten zwischen den Unternehmen und den Finanzbehörden sowie zwischen den Letztgenannten werden mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in ihrer Anzahl und in der Dauer der Verfahren stark zunehmen. Bedauerlicherweise werden wie so oft bei der Einführung von ›Anti-Missbrauchsregelungen‹ nicht die einzelnen schwarzen Schafe, sond...