Zusammenfassung
- Die Integration umweltorientierter Aspekte in klassische Controllinginstrumente etabliert sich zusehends, bspw. in Form einer entsprechenden Ergänzung der Lebenszykluskostenrechnung.
- Die Lebenszykluskostenrechnung (Life cycle costing) in ihrer Grundform kann für strategische Produktentscheidungen als ein führendes Controllinginstrument angesehen werden. Die Erweiterung durch die umweltorientierte Sichtweise unterstreicht diese Stellung noch zusätzlich.
- Die umweltorientierte Produktlebenszykluskostenrechnung ist das einzige Controllinginstrument, das sowohl externe CSR-Anforderungen als auch unternehmensinterne Forderungen an Qualität, Kosten und Zeit berücksichtigt.
- Die Lebenszykluskostenrechnung bietet den Vorteil, dass die beteiligten Parteien hinsichtlich strategischer Entscheidungsparameter zu einer expliziten Stellungnahme "genötigt" werden.
1 Ausgangssituation und Relevanz der umweltorientierten Lebenszykluskostenrechnung
In den letzten Jahren haben die Anforderungen an Unternehmen hinsichtlich Corporate Social Responsibility stetig zugenommen. Dies liegt am steigenden Umweltbewusstsein der Öffentlichkeit, hinzugekommene ökologische und sozioökonomische Berichtsanforderungen bzw. am gewachsenen Kundenbewusstsein hinsichtlich nachhaltiger Produkte. Diese externen Ansprüche müssen gedeckt werden, um unternehmerisch erfolgreich zu agieren. Als zusätzliche Herausforderung kommt die Einhaltung des "magischen Dreiecks" hinzu, die i. d. R. von der Unternehmensführung verlangt wird:
- hohe Qualität der erbrachten Leistungen und Produkte,
- hohes Kostenbewusstsein unter Berücksichtigung des gesamten Produktlebenszyklus,
- Beachtung aller zeitrelevanten Aspekte im Rahmen der Beschaffung und des Absatzes.
Um diese Ansprüche mit validen Zahlen zu versorgen, trifft man in der Praxis vieler Controllingabteilungen auf Rahmenbedingungen, die die Darlegung eines Produktlebenszyklus nicht oder nur unzureichend unterstützt. Das klassische Produktcontrolling wird vielfach im Rahmen einer mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung abgedeckt, die allerdings mehrere der o. a. Informationsansprüche nicht bedienen kann. So besteht i. d. R. eine Fokussierung auf die Produktrentabilität pro Periode ohne Berücksichtigung der Produktlebenszyklusphasen. Bei der Betrachtung der Produktkalkulationen liegen vielfach Planwerte zugrunde, die auf Basis eines begrenzten (und systemimmanenten) Planungshorizonts von einem Jahr beruhen. Die finanzielle Planung der Produktrentabilität beginnt in den meisten Fällen erst im Stadium der Produktion und aus Sicht der Unternehmensfunktionen wird die Controllingabteilung in der Ideenfindungs- und Entwicklungsphase der Produkte meistens nicht involviert.
Unternehmenskulturelle oder systemimmanente Punkte lassen sich natürlich nicht ad-hoc ändern, aus Sicht der Controllinginstrumente steht allerdings eine Variante zur Verfügung, die eine Vielzahl der aufgeführten Änderungen berücksichtigt: die Produktlebenszykluskostenrechnung, inklusive der Integration ökologischer und sozioökonomischer Aspekte.
2 Historie und Grundlagen der Lebenszykluskostenrechnung
Die umweltorientierte Lebenszykluskostenrechnung entspricht einer um Umweltaspekte erweiterten Form der Lebenszykluskostenrechnung (engl. "Life Cycle Costing"). Bei einer allgemeinen Lebenszykluskostenrechnung dominiert oftmals der Produktbezug, dann spricht man von einer produktbezogenen Lebenszykluskostenrechnung, wobei keinerlei konzeptionelle Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen der Lebenszykluskostenrechnung bestehen. Daher wird im weiteren Verlauf des Beitrags von einer Produktlebenszykluskostenrechnung gesprochen.
Die Produktlebenszykluskostenrechnung ist eine der ältesten Formen der Controllinginstrumente und wurde bereits in den Dreißigerjahren als Grundlage für Investitionsentscheidungen vom obersten Rechnungshof der USA bei der Beschaffung von Traktoren eingesetzt. Neben den Investitionskosten werden auch die Wartungs- und Betriebskosten berücksichtigt, was im Vergleich zur reinen Anschaffungskostenbetrachtung einen realistischeren Blick auf die zu erwartenden Gesamtkosten zulässt. Die Anschaffungskosten werden von den Betriebs- und Folgekosten oftmals um ein Vielfaches überstiegen. Die Systemgrenzen der Produktlebenszykluskostenrechnung umfassen den gesamten Lebenszyklus des Produktes von der Wiege bis zur Bahre und beinhalten somit die Kosten ab der Entwicklung, über die Herstellung und der laufenden Unterhaltung bis zur Entsorgung des betrachteten Produktes.
Die Produktlebenszykluskostenrechnung ist keine eigenständige Methode, sondern ein Sammelsurium mehrerer Methoden, die überwiegend aus der Investitionsrechnung entstammen, wie z. B. Methoden der Systembewertung, Verfahren der Kostenprognose sowie Methoden zur Berücksichtigung des Risikos, der Inflation und der Diskontierung.
Das Hauptziel der Produktlebenszykluskostenrechnung ist, die Gesamtkosten eines Produktes, die über den Lebenszyklus entstehen, zu minimieren und neuen Produkten bereits im Entwicklungsstadium einer Wirtschaftlichkeitsanalyse zu unterziehen, um eine bestmögliche Vergleichsbasis alternativer Prod...