Wenn die Entscheidung ansteht, ob der Maschinenpark erneuert werden soll, ob also eine Investition getätigt werden soll, dann drängt es sich förmlich auf, das Werkzeug der Investitionsrechnung anzuwenden. Offen ist noch, ob das Kostenvergleichsverfahren ausreichend ist oder das Discounted-Cash-Flow-Verfahren angewendet werden soll. Mit der Kostenvergleichsrechnung wird geklärt, welches Herstellungsverfahren günstiger ist – der alte Maschinenpark kann dem neuen gegenübergestellt werden oder auch zwei neue Alternativen können miteinander verglichen werden. Dazu wird man die Kostenveränderung im Herstellungsprozess betrachten: Die neue Maschine wird vermutlich die Herstellung im Prozess beschleunigen, vielleicht können Arbeitsschritte eingespart und somit Personalkosten pro Stück verringert werden, vermutlich haben die neuen Maschinen auch geringere laufende Kosten (Energieverbrauch, Wartung, Werkzeugverschleiß, ...). Die Herstellungskosten können also mit der neuen Anlage im Vergleich zur alten Anlage vermutlich verringert werden, vielleicht sogar gravierend.
Doch damit ist noch nicht geklärt, ob sich die Investition rechnet. Die Einsparung pro Jahr muss über die Nutzungszeit der Anlage der Investitionsausgabe gegenübergestellt werden. Da die Einsparungen der Zukunft der Investition der Gegenwart gegenübergestellt werden müssen, sind die zukünftigen Einsparungen abzuzinsen – somit müsste das "Discounted-Cash-Flow-Verfahren" angewendet werden. Die Kostenvergleichsrechnung reicht also nicht aus. Es ist die Frage zu klären, ob sich diese Investition amortisiert. Bis wann sich die Investition lohnt, hängt neben den Beschaffungskosten sehr stark von der Auslastung der Maschine ab. Weitere Hebel sind die angesetzte Nutzungszeit und der verwendete Abzinsungsfaktor/Diskontierungsfaktor. Die Berechnungen könnten nun aufzeigen, dass sich die Investition eindeutig rechnet. Vielleicht aber werden die Amortisationsziele auch nicht so klar erreicht, dann kann es auch mal passieren, dass die Zahlen so lange geschönt werden, bis man die Amortisation innerhalb der Lebensdauer der Maschine erreicht hat und am Ende wird die Maschine gekauft, weil diese halt jemand haben möchte. Im Nachgang weiß man zwar, dass alles nur "schöngerechnet" wurde – wenn es keine Investitions-Nachbetrachtung gibt, fällt das aber auch nicht weiter auf. Das Gefühl bleibt vielleicht hängen, dass die Entscheidungsfindung im Unternehmen noch zu verbessern ist.
Im Prozess der Entscheidungsfindung wird oft über operative Einflussfaktoren und Themen diskutiert – so, wie ich mich hier in operative Einzelheiten über das DCF-Verfahren oder das Kostenvergleichsverfahren verliere, so verliert man sich in den Unternehmen auch in vielen Detaildiskussionen. Sie sind "operativ gefangen", es passiert einfach mit Ihnen und der Blick auf das Wesentliche geht verloren.
Würde man gezwungen sein, noch bevor man über all die operativen Hebel spricht, zu klären, ob diese Investition auch einen strategischen Aspekt hat, dann muss die Fragestellung mit anderen Instrumenten bearbeitet werden. Noch bevor man eine Investitionsrechnung mit dem DCF-Verfahren beginnt, ist die strategische Frage zu klären, ob das Produkt, das man mit dieser Maschine herstellt, auch tatsächlich über die gesamte Nutzungszeit vom Kunden nachgefragt wird bzw. ob alternativ ein anderes Nachfolgeprodukt damit hergestellt werden kann. Zu klären ist auch, ob man als Unternehmen selbst das Produkt tatsächlich so lange anbieten möchte. Nicht die Maschine soll einen dazu zwingen, das Produkt herstellen zu müssen (weil doch die teure Maschine ausgelastet werden muss).
Zu Beginn sollte die Frage geklärt werden, ob diese Investition auch tatsächlich strategisch sinnvoll und gewollt ist. Bei Unklarheit können alternative Investitionsmöglichkeiten geprüft werden. Vielleicht ist eine sinnvolle Alternative die Produktion zu verlagern, die Wertschöpfung zu verringern und zukünftig nicht mehr selbst zu produzieren oder die Finanzmittel auch komplett anders einzusetzen und eine Schnapsbrennerei zu eröffnen (Anmerkung des Autors: die "Schnapsbrennerei" steht für die Beliebigkeit einer Alternative). Ist in einem Unternehmen ein Strategieentwicklungsprozess etabliert, folgt die Investitionsfrage aus der Strategie und der strategische Aspekt ist bereits geklärt – es braucht "nur noch die Amortisationsrechnung" erstellt werden. Wird aber im Unternehmen noch wenig strategisch gearbeitet, dann sollte der Prozess der Entscheidungsfindung auch solche strategischen Fragestellungen vorsehen und noch bevor man sich in operative Diskussionen verliert, müsste der Prozess erzwingen, dass auch der strategische Aspekt geklärt wird.
Der strategische Aspekt muss zuerst geklärt werden
Die Kategorisierung in strategisch / operativ soll bewirken, dass man vom System her dazu gezwungen wird, den strategischen Aspekt nicht aus dem Blickfeld zu verlieren – dort wo es sinnvoll bzw. nötig ist.