Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Eva Bracht
Tz. 44
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
IFRS 11.6 unterscheidet zwei Arten von gemeinschaftlichen Vereinbarungen:
1) |
Gemeinschaftliche Tätigkeiten (joint operations), bei denen die Parteien der gemeinschaftlichen Vereinbarung unmittelbare Rechte an den Vermögenswerten und Pflichten hinsichtlich der Schulden bzw. Anteile an den Aufwendungen und Erträgen haben. IFRS 11.15 und IFRS 11.A bezeichnen die Parteien in diesem Fall als gemeinschaftliche Betreiber (joint operators). |
2) |
Gemeinschaftsunternehmen (joint ventures), bei denen die Parteien keinen unmittelbaren Zugriff auf die einzelnen Vermögenswerte und Verpflichtungen für die Schulden haben, sondern als Gesellschafter am Reinvermögen beteiligt sind (IFRS 11.16). In diesem Fall werden die Parteien als Partnerunternehmen (joint venturers) benannt. |
Tz. 45
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Das zentrale Unterscheidungsmerkmal ist also, ob die Parteien Rechte und Pflichten an den Vermögenswerten bzw. für die Schulden oder am Reinvermögen der gemeinschaftlichen Vereinbarung haben. Konsequent werden dann bei gemeinschaftlichen Tätigkeiten die anteiligen Vermögenswerte und Schulden bilanziert, bei Gemeinschaftsunternehmen wird die Beteiligung abhängig von der anteiligen Eigenkapitalveränderung fortgeschrieben.
Tz. 46
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Gemäß dieser Differenzierung ist für die Klassifizierung der gemeinschaftlichen Vereinbarung zunächst ausschlaggebend, wie die Rechte und Pflichten der Parteien gestaltet sind und damit die wirtschaftliche Substanz der Vereinbarung (IFRS 11.14). Die für die gemeinschaftliche Vereinbarung gewählte Rechtsform ist hingegen für die Klassifizierung nicht maßgeblich.
Tz. 47
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Nach IFRS 11.B16 ist eine gemeinschaftliche Vereinbarung immer als gemeinschaftliche Tätigkeit zu klassifizieren, wenn sie nicht als eine separate Einheit strukturiert ist.
Tz. 48
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Im Unterschied zu IAS 31 sieht IFRS 11 keine formalrechtliche Betrachtungsweise mehr vor. Vielmehr sind anhand von zusätzlichen Merkmalen vor dem Hintergrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Vermögenswerte und Schulden den Parteien zuzuordnen (vgl. Galbiati/Baur, IRZ 2011, S. 318). Obwohl eine eigenständige Einheit existiert, kann daher uU die gemeinschaftliche Vereinbarung eine gemeinschaftliche Tätigkeit sein.
Tz. 49
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Ferner ist jede gemeinschaftliche Vereinbarung im Hinblick auf folgende Klassifizierungsmerkmale individuell zu beurteilen (IFRS 11.17 iVm. IFRS 11.B15):
- die Struktur der gemeinschaftlichen Vereinbarung;
- ggf. die Rechtsform der separaten Einheit;
- vertragliche Bestimmungen der gemeinschaftlichen Vereinbarung sowie
- sonstige relevante Tatsachen und Umstände.
Aus diesen Merkmalen ergibt sich das folgende Prüfschema (vgl. IFRS 11.B33 und KPMG (Hrsg.), Accounting Insights, S. 14):
Abb. 1: Prüfschema zur Klassifizierung von gemeinschaftlichen Vereinbarungen
Tz. 50
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Zudem enthält der Standard detaillierte Illustrative Examples für bestimmte Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungsbereiche, so zB für Bauleistungen, den gemeinsamen Betrieb eines Einkaufszentrums, die gemeinsame Herstellung und den Vertrieb eines Produktes aus einem produzierenden und handelnden Gewerbe, den gemeinsamen Betrieb einer Bank, Tätigkeiten im Rahmen der Förderung und Verarbeitung von Rohstoffen sowie der Energiewirtschaft.