Clemens Jungsthöfel, Katharina Rohde
Tz. 210
Stand: EL 54– ET: 10/2024
IFRS 17 verfolgt den Anspruch, den Berichtsadressaten einen zu jedem Zeitpunkt realistischen und aktuellen Blick auf die Profitabilität und zukünftige Ertragskraft des Unternehmens zu ermöglichen (vgl. Tz. 9–12). Dafür essenziell ist eine ökonomische Bewertung unter Anwendung von aktuellen versicherungstechnischen Annahmen (etwa zu biometrischen Risiken) und unter Berücksichtigung möglichst realistischer Marktparameter (etwa zu Zinsen).
Tz. 211
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Vor allem im Bereich der Schaden-/Unfallversicherung wurden in der vorherigen Rechnungslegung die versicherungstechnischen Rückstellungen in der Regel mit keiner Diskontannahme unterlegt (vgl. Tz. 62–66). Der nun erstmalig konsequent etablierte Ansatz zum aktuellen Zeitwert und der korrespondierende diskontierte Ausweis von Schadenaufwendungen im Geschäftsjahr ermöglicht einen unverstellten Profitabilitätsvergleich über Spartengrenzen hinweg. Longtail- und Shorttail-Sparten können auf ökonomischer Basis mit klassischen KPIs wie der Combined Ratio gegenübergestellt werden. Die Verzahnung von klassischen Reserveparametern (wie erwarteten Auszahlungspattern) und Asset-Liability-Management wird offensichtlich aufgezeigt.
Gleichzeitig geht diese fundamentale Änderung im Ausweis naturgemäß auch mit initialer Unsicherheit zur Interpretation einher. Insbesondere das Zusammenspiel und der Zeitversatz in der Realisierung von Diskonteffekten im service result einerseits und der korrespondierenden gegenläufigen interest accretion im finance result andererseits erforderten eine holistische Sicht auf die einzelnen Profittreiber – und brachte somit zweifelsohne auch Komplexität mit sich.
Tz. 212
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Da die Einführung des Standards in eine Zeit signifikanter Zinssteigerungen fiel, erschien das Konzept der Diskontierung auch als Treiber für Volatilität. Es ist zu erwarten, dass sowohl die Versicherungsindustrie als auch die Konsumenten der Finanzberichterstattung mit zunehmenden Erfahrungswerten Sicherheit in Interpretation und Anwendung gewinnen und somit diese ökonomische Sichtweise zu einer transparenten Profitabilitätsmessung beiträgt.
Für den Bereich der Lebensversicherung war die Diskontierung zwar bereits zu weiten Teilen etabliert, allerdings wurde in einigen Sparten – genau wie hinsichtlich biometrischer Annahmen – an den locked-in-Parametern zu Vertragsbeginn festgehalten. Adverse Entwicklungen wurden somit nicht transparent nachgehalten und sorgten zum Zeitpunkt der Vertragserfüllung für hohe Experience Variances. Zwar boten sog. Loss Recognition Tests vermeintliche Hürden, unrealistische Annahmen aufrechtzuerhalten. Diese konnten aber – im Gegensatz zu den fein geschnittenen Group of insurance contracts des IFRS 17 (vgl. Tz. 25) – auf aggregierter Ebene stattfinden und führten somit nicht immer zu adäquaten Annahmen-Updates.
Tz. 213
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Im IFRS 17 sind die versicherungstechnischen Rückstellungen sowohl hinsichtlich ökonomischer als auch biometrischer Annahmen in jedem Abschluss auf Ebene der GIC zu reviewen und ggf. zu aktualisieren (vgl. Tz. 46). Updates in den versicherungstechnischen Rahmenbedingungen sind (auf dem future service) zwar mit der CSM erfolgsneutral verrechenbar, jedoch werden sie in den umfangreichen Veränderungsanalysen transparent (vgl. Tz. 116) – und im Falle der vollständigen Eliminierung der CSM sofort GuV-wirksam (vgl. Tz. 82). Im VFA sieht der Standard sogar die Abbildung von Marktwertschwankungen der Underlying Items und ihren Impact auf die Gewinnmarge des Unternehmens unmittelbar in der CSM vor, sodass Abhängigkeiten zur ökonomischen Entwicklung sofort sichtbar werden (vgl. Tz. 89–98).
Tz. 214
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Sowohl in der Schaden- als auch in der Lebensversicherung haben obige neu eingeführte Anforderungen zu deutlichen Effekten at transition geführt, die sich in der Eigenkapitalposition niedergeschlagen haben. Der Standard hat auf diesem Wege in nahezu allen Sparten einen starken Beitrag hin zu einer deutlich transparenteren und aktuellen Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen geleistet. Naturgemäß kann ein Rechnungslegungsstandard nicht die Profitabilität eines Versicherungsunternehmens in der Totalperiode verändern. Aber für den externen Leser und auch die interne Steuerung gewinnt die IFRS-Berichterstattung deutlich an Verlässlichkeit und wendet vermeidbare Volatilität in der periodenweisen Ertragsermittlung durch eine konsequent verankerte stetig aktualisierte ökonomische Sichtweise ab.