Tz. 17
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Durch die sog. IAS-Verordnung (VO (EG) Nr. 1606/2002) wurden die herkömmlichen IFRS als relevantes Rechnungslegungssystem für die Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen in Europa verpflichtend festgelegt (zur Umsetzung der IAS-Verordnung vgl. im Einzelnen IFRS-Komm., Teil A, Kap. III, Tz. 2ff.). Aufgrund verschiedener Wahlrechte in der Verordnung hatten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die herkömmlichen IFRS zusätzlich auf Ebene des Einzelabschlusses bzw. auf Konzernabschlussebene für nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen optional zuzulassen oder zwingend vorzuschreiben (vgl. VO (EG) Nr. 1606/2002, Art. 5). In Deutschland ergibt sich außer für die Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen keine Verpflichtung zur Anwendung der IFRS. Eine freiwillige Anwendung der IFRS ist für die Jahresabschlüsse aller Unternehmen möglich. Die Offenlegung eines IFRS-Abschlusses hat eine befreiende Wirkung. Das Unternehmen muss nicht zusätzlich einen HGB-Abschluss veröffentlichen (vgl. § 325 Abs. 2a, 2b). Eine Befreiung von der Erstellung eines HGB-Abschlusses ergibt sich jedoch nicht, da dieser für die Zwecke der Ausschüttungs- und Steuerbemessung erforderlich ist.
Tz. 18
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Mit der Entwicklung des IFRS für KMU geht die Frage einher, ob der Standard nach seiner Verabschiedung durch den IASB in Europa eine unmittelbare Rechtswirkung entfalten kann. Zur Übernahme in europäisches Recht durchlaufen die IFRS ein spezielles Anerkennungsverfahren, auch Endorsement-Prozess genannt (zum Ablauf des Verfahrens im Einzelnen vgl. IFRS-Komm., Teil A, Kap. III, Tz. 62 ff.). Dieser Prozess ist in der IAS-Verordnung festgeschrieben (vgl. VO (EG) Nr. 1606/2002, Art. 6; Beschluss des Rates 1999/468/EG, Art. 5–7). Sofern der IFRS für KMU unter die IAS-Verordnung fiele, wäre zur Übernahme in europäisches Recht lediglich die Anerkennung im Rahmen des Endorsement-Prozesses erforderlich. Der verpflichtende Geltungsbereich der IAS-Verordnung beschränkt sich jedoch ausschließlich auf die Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen. Diese Unternehmen sind vom Anwendungsbereich des IFRS für KMU aber ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. Tz. 23). Da die IAS-Verordnung auf die Vereinheitlichung von Rechnungslegungsregeln mit dem Zweck einer Verbesserung des Kapitalmarktes abstellt, wird der IFRS für KMU nicht von der IAS-Verordnung erfasst (vgl. Beiersdorf/Davis, BB 2006, S. 989f.).
Tz. 19
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Eine Übernahme in europäisches Recht würde daher andere Maßnahmen erfordern. Möglichkeiten wären hier eine Einbindung in bereits bestehende Richtlinien, eine Ausweitung der IAS-Verordnung auf KMU oder die Schaffung einer gesonderten EU-Verordnung. Für eine Einbindung in eine bereits bestehende Richtlinie käme die Bilanzrichtlinie (2013/34/EU) in Frage (vgl. Tz. 20). Die Entwicklung einer EU-Verordnung würde aller Voraussicht nach gegen europarechtliche Prinzipien, insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, verstoßen (vgl. Fülbier/Windthorst, 2010, S. 64f.).
Tz. 20
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Die EU-Kommission hat eine Anwendbarkeit des IFRS für KMU innerhalb der Europäischen Union bisher abgelehnt, da seine Einführung weder der Vereinfachung und der Reduzierung des Verwaltungsaufwands europäischer KMU dienlich sei, noch ausreichend Erfahrungen mit der Umsetzung des relativ neuen Standards weltweit gemacht worden seien. Darüber hinaus stünden nach Auffassung der EU-Kommission Unterschiede zwischen der neuen Bilanzrichtlinie (2013/34/EU) und dem IFRS für KMU dessen Anwendung innerhalb der EU entgegen (Vgl. Beiersdorf/Schubert, IRZ 2013, S. 401 ff.). Nach Meinung des Verbandes der europäischen Wirtschaftsprüfer (FEE) sind die Unterschiede zwischen der EU-Richtlinie und dem IFRS für KMU von geringer Relevanz. Laut einer offenen Konsultation der EU-Kommission zum IFRS für KMU aus dem Jahr 2010 befürwortet die Mehrheit der EU-Länder ein Mitgliedstaatenwahlrecht zur Anwendung des IFRS für KMU (vgl. Europäische Kommission, Summary Report of the Responses received to the Commission’s Consultation on the IFRS for SMEs, 2010, S. 11). Besonders aus deutscher Sicht wird eine Einführung des IFRS für KMU allerdings kritisch gesehen, wenngleich die angelsächsischen und skandinavischen Länder dem Standard überwiegend positiv gegenüberstehen (vgl. Blöink, WPg 2012, S. 300).