Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 332
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Häufig kommt es allerdings vor, dass das erwerbende Unternehmen bereits einen nicht beherrschenden Anteil am zu erwerbenden Unternehmen hält, bevor es die Kontrolle erlangt. Der Erwerb des Unternehmens als Übergang der Kontrolle über das erworbene Unternehmen erfolgt somit nicht in einem Schritt, sondern sukzessive in mehreren Schritten (zB durch sukzessiven Anteilserwerb an der Börse). Während die nicht beherrschenden Anteile zuvor abhängig davon, ob ein assoziiertes Unternehmen, ein Gemeinschaftsunternehmen oder lediglich eine Beteiligung vorlag, nach IAS 28, IFRS 11 oder IFRS 9 zu bilanzieren waren, liegt mit dem Erwerb der Kontrolle ein Unternehmenszusammenschluss gemäß IFRS 3 vor, der nach den Regelungen in IFRS 3 zu bilanzieren ist. Im Fall eines sukzessiven Unternehmenszusammenschlusses ergibt sich indes das Problem, dass sich der Wert des erworbenen Unternehmens zwischen den einzelnen Anteilserwerben verändern kann, etwa durch die erzielten Gewinne oder durch Veränderungen der beizulegenden Zeitwerte der zugrunde liegenden Vermögenswerte oder Schulden. Zur Bilanzierung eines sukzessiven Anteilserwerbs enthält IFRS 3 daher gesonderte Vorschriften.
Tz. 333
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Mit der Veröffentlichung von IFRS 3 (rev. 2008) hat sich die Bilanzierung von sukzessiven Unternehmenszusammenschlüssen wesentlich geändert. Hintergrund dieser Änderung ist die grundsätzliche Intention des IASB, dass Unternehmenszusammenschlüsse zum beizulegenden Zeitwert zum Erwerbszeitpunkt abzubilden sind. Während bisher nach IFRS 3 (2004) die jeweiligen Tranchen eines sukzessiven Unternehmenszusammenschlusses bei der Bilanzierung und damit bei der Ermittlung des Goodwills noch einzeln zu berücksichtigen waren, sind gem. IFRS 3.42 nun die bisher gehaltenen Anteile zum Erwerbszeitpunkt mit ihrem beizulegenden Zeitwert zu bewerten und ein dabei entstehender Gewinn oder Verlust ergebniswirksam zu erfassen. Der Goodwill ist damit auf Basis des beizulegenden Zeitwerts der bisherigen Anteile zum Erwerbszeitpunkt zu bestimmen (vgl. Tz. 258 ff.). Sofern Wertänderungen bisher erfolgsneutral innerhalb des Eigenkapitals als Teil des sog. other comprehensive income erfasst wurden (zB bei Finanzinstrumenten, die als "zur Veräußerung gehalten" klassifiziert waren (available for sale)), sind die entsprechenden Beträge ebenso zu bilanzieren, als wenn die entsprechenden Anteile direkt veräußert worden wären (IFRS 3.42), dh., sie sind ergebniswirksam aufzulösen (in einem Konzernabschluss nach HGB bzw. DRS ist die tranchenweise Kapitalkonsolidierung unter Zugrundelegung der Wertverhältnisse der einzelnen (historischen) Erwerbsschritte ebenfalls nicht zulässig, allerdings ist die Neubewertung bereits vorhandener Anteile zum beizulegenden Zeitwert ausgeschlossen; DRS 23.9).
Tz. 333a
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Der IASB hat am 28. Juni 2016 einen Änderungsentwurf zu IFRS 3 veröffentlicht (ED/2016/1 Definition of a Business and Accounting for Previously Held Interests), in dem ua. die Bilanzierung zuvor gehaltenen Beteiligungen klargestellt werden soll. Der IASB befasst sich mit diesem Thema auf Empfehlung vom IFRS Interpretation Committee, das verschiedene Sachverhalte zu diesem Thema erhielt und erörterte. IFRS 3.42A idF des Änderungsentwurfs stellt nun klar, dass der Erwerb der Beherrschung über eine gemeinsame Geschäftstätigkeit, die ein Geschäftsbetrieb ist, ein sukzessiver Unternehmenszusammenschluss ist und damit ein bedeutendes wirtschaftliches Ereignis, das eine Neubewertung der zuvor gehaltenen Anteile zum Erwerbszeitpunkt erfordert (ED/2016/1.BC2).
Tz. 334
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Der IASB begründet die Regelung in IFRS 3.42 damit, dass der Erwerb der Beherrschung eine wesentliche Änderung der Art und Weise der bisherigen Beziehung zum nun beherrschten Unternehmen darstellt, die eine Änderung in der Klassifizierung und der Bewertung der Beteiligung rechtfertigt. Mit dem Erwerb der Beherrschung ist der Erwerber nicht mehr bloß Anteilseigner am Unternehmen, sondern übt beherrschenden Einfluss über sämtliche Vermögenswerte und Schulden des erworbenen Unternehmens und seiner Geschäftstätigkeit aus (IFRS 3.BC384).
Tz. 335
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Mit IFRS 3 wird die Bilanzierung eines Unternehmens einfacher, da künftig nur noch eine einmalige Ermittlung des Goodwills erforderlich ist.
Tz. 336
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Der sukzessive Anteilserwerb mit erstmaliger Erlangung der Kontrolle an einem Teilkonzern ist analog zum sukzessiven Anteilserwerb an einem Tochterunternehmen zu bilanzieren. Im Erwerbszeitpunkt ist der für den Teilkonzern ermittelte Wertansatz für Zwecke der Ermittlung des Goodwills sowie der Dotierung von Anteilen konzernfremder Gesellschafter auf die Beteiligungen innerhalb des Teilkonzerns zu verteilen. Diese Fair-Value-Aufstockung der Beteiligungen ist Bestandteil der Verteilung der übertragenen Gegenleistung und somit erfolgsneutral (vgl. Küting/Wirth, KoR 2010, S. 366 f.).
Tz. 337–339
Stand: EL ...