Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 229
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Die Bilanzierung von Eventualschulden wird grundsätzlich in IAS 37 geregelt. Sie werden definiert als (IFRS 3.23; IAS 37.10):
1) |
eine mögliche Verpflichtung, die aus vergangenen Ereignissen resultiert und deren Existenz durch das Eintreten oder Nichteintreten eines oder mehrerer unsicherer künftiger Ereignisse, die nicht vollständig unter der Kontrolle des Unternehmens stehen, erst noch bestätigt wird oder |
2) |
eine gegenwärtige Verpflichtung, die auf vergangenen Ereignissen beruht, jedoch nicht erfasst wird, weil
- ein Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen zur Erfüllung dieser Verpflichtung nicht wahrscheinlich ist oder
- die Höhe der Verpflichtung nicht ausreichend verlässlich geschätzt werden kann.
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In IFRS 3 wurde auf eine Wiederholung der Definition einer Eventualschuld aus IAS 37 verzichtet. Nach IAS 37.27 besteht für sie ein Passivierungsverbot mit Pflicht zur Anhangangabe (ausführlich vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 37, Tz. 62 ff.).
Tz. 230
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Eventualschulden, die im Zuge eines Unternehmenszusammenschlusses erworben wurden, sind allerdings aus dem Anwendungsbereich von IAS 37 ausgeschlossen und werden nach IFRS 3 bilanziert (IAS 37.5; ebenso IFRS 3.23). Eventualschulden, die im Zuge eines Unternehmenszusammenschlusses erworben wurden, sind nach IFRS 3.23 zwingend anzusetzen, wenn es sich um eine gegenwärtige Verpflichtung aufgrund eines vergangenen Ereignisses handelt und der beizulegende Zeitwert verlässlich ermittelt werden kann. Die in IAS 37 zusätzlich definierte Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses ist nach IFRS 3 nicht erforderlich, da sie bereits bei der Bewertung zu berücksichtigen ist (vgl. Tz. 163 ff.). Das grundsätzliche Prinzip in IFRS 3, dass nur solche Vermögenswerte oder Schulden separat vom Goodwill anzusetzen sind, welche die Definitionskritierien des Rahmenkonzepts erfüllen (IFRS 3.BC272), gilt auch für Eventualschulden. Mögliche Verpflichtungen (Fall 1) sind daher nicht als Eventualschuld im Rahmen eines Unternehmenserwerbs anzusetzen (IFRS 3.BC275).
Tz. 231–232
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
(einstweilen frei)
Tz. 233
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Gemäß IFRS 3.B64(j) sind für Eventualschulden dieselben Angaben zu machen wie für jede Klasse von Rückstellungen nach IAS 37. Kann der beizulegende Zeitwert nicht verlässlich bestimmt werden, so ist die Eventualschuld nach IFRS 3 nicht anzusetzen. In diesem Fall sind die in IAS 37 geforderten Anhangangaben für Eventualschulden anzugeben (IFRS 3.B64(j); ausführlich zu den Angabepflichten vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 37, Tz. 133 ff.). In diesem Fall erhöht sich der Goodwill um den nicht angesetzten Betrag bzw. der bargain purchase reduziert sich um diesen Betrag.
Tz. 234
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Die Passivierungspflicht gilt nicht für Eventualschulden, die aus Verträgen resultieren, die nach IAS 39 (bzw. künftig nach IFRS 9) bilanziert werden (IFRS 3.56). Aus dem Anwendungsbereich von IAS 39 bzw. IFRS 9 ausgeschlossene Kreditzusagen (loan commitments), die keine Zusagen für Kredite unter dem Marktzinssatz sind, werden dagegen als Eventualschulden des erworbenen Unternehmens bilanziert, wenn es zum Erwerbszeitpunkt nicht wahrscheinlich ist, dass ein Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen zur Erfüllung der Verpflichtung erforderlich ist, oder wenn der Betrag der Verpflichtung nicht verlässlich genug bewertet werden kann. Allerdings gilt auch in diesem Fall, dass eine solche Kreditzusage nur dann beim Unternehmenszusammenschluss getrennt angesetzt wird, wenn ihr beizulegender Zeitwert verlässlich bewertet werden kann (IFRS 3.BC243 ff.).
Tz. 235
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Im Gegensatz zu Eventualschulden sind Eventualforderungen (contingent assets) angesichts der hohen inhärenten Unsicherheit wie in der gesamten IFRS-Rechnungslegung auch nach IFRS 3 nicht anzusetzen (vgl. auch IAS 37.31; vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 37, Tz. 68 ff.). Insofern kommt es nach IFRS 3 zu einer asymmetrischen Berücksichtigung von künftigen ungewissen Chancen und Risiken. Während die Risiken in Form der Eventualschulden zu berücksichtigen sind, sind die Chancen nicht zu berücksichtigen. Allerdings ermöglicht der Verzicht auf das Wahrscheinlichkeitskriterium bei immateriellen Vermögenswerten (vgl. Tz. 163), dass bereits nach den Regelungen des IFRS 3 einige Eventualforderungen als immaterielle Vermögenswerte klassifiziert werden und angesetzt werden können. Durch den Verzicht auf das Wahrscheinlichkeitskriterium bei der Bilanzierung von immateriellen Vermögenswerten ist die Unterscheidung zwischen immateriellen Vermögenswerten und immateriellen Eventualforderungen "konturenlos" geworden (vgl. Hommel/Benkel/Wich, BB 2004, S. 1273). In IFRS 3 bestimmt der IASB die Bilanzierung von Eventualforderungen (ebenso wie die Bilanzierung von Eventualschulden) anhand der Definitionskriterien eines Vermögenswerts (bzw. bei Eventualschulden anhand der Definitionskriterien einer Schuld). Eventualforderungen gem. IAS 37 sind allerding...