Prof. Dr. Peter Wollmert, Prof. Dr. Peter Oser
Tz. 40
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
Im Rahmen der Offenlegung konnte für Geschäftsjahre, die vor dem 1. Januar 2022 begannen, nach § 325 Abs. 2a HGB bei der Bundesanzeigerpublizität an die Stelle eines HGB-Jahresabschlusses ein IFRS-Einzelabschluss treten, sofern bestimmte inhaltliche und formale Voraussetzungen erfüllt waren (vgl. Tz. 42ff.). Der handelsrechtliche Jahresabschluss war allerdings nur von der Bekanntgabe im Bundesanzeiger befreit. Er musste dennoch gem. §§ 325 Abs. 2 Nr. 3 iVm. Abs. 1 Satz 2 HGB aF (zusammen mit dem IFRS-Einzelabschluss und den übrigen offenlegungspflichtigen Rechnungslegungsunterlagen) beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht werden. Während der IFRS-Einzelabschluss im (elektronischen) Bundesanzeiger bekannt gemacht und anschließend an das Unternehmensregister übermittelt wurde, leitete der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers den handelsrechtlichen Jahresabschluss ohne Bekanntmachung an das Unternehmensregister weiter (§ 325 Abs. 2b Nr. 3 iVm Abs. 2a HGB aF, § 8b Abs. 3 iVm. Abs. 2 Nr. 4 HGB aF, vgl. Tz. 49). Diese für IFRS-Einzelabschlüsse doppelte Publizitätspflicht bestand seit dem Gesetz über elektronische Handelsregister, Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10. November 2006 (BGBl. I 2006, S. 2553) größenunabhängig für alle offenlegungspflichtigen Unternehmen.
Tz. 41
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
Das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG, BGBl. I 2021, S. 3338) hat die bisherige Doppelpublizität beendet. Für nach dem 31. Dezember 2021 beginnende Geschäftsjahre erfolgt die Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen nunmehr unmittelbar und ausschließlich beim Unternehmensregister (Art. 88 Abs. 2 EGHGB). Hierzu haben die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs die offenlegungspflichtigen Unterlagen direkt an die das Unternehmensregister führende Stelle (www. publikations-plattform.de) elektronisch zur Einstellung zu übermitteln (§ 325 Abs. 1 Satz 2 HGB nF). Eine Bekanntmachung im Bundesanzeiger entfällt (§ 325 Abs. 2 HGB aF aufgehoben). Infolgedessen wurde der Befreiungstatbestand in § 325 Abs. 2a Satz 1 HGB nF des Inhalts angepasst, dass bei einer befreienden Offenlegung eines IFRS-Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB dieser statt des handelsrechtlichen Jahresabschlusses über die Internetseite des Unternehmensregisters veröffentlicht werden muss. Der handelsrechtliche Jahresabschluss wird nunmehr beim Unternehmensregister nur noch zur dauerhaften Hinterlegung eingestellt (§ 325 Abs. 2b Nr. 3 HGB nF). Seine Einsichtnahme erfolgt ausschließlich auf Antrag durch Übermittlung einer Kopie (§ 9 Abs. 6 Satz 3 HGB nF).
a. Inhaltliche Anforderungen
Tz. 42
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
Für eine befreiende Offenlegung werden an einen IFRS-Einzelabschluss kumulativ folgende inhaltliche Anforderungen gestellt:
- Es müssen sämtliche von der Europäischen Union übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards vollumfänglich beachtet werden (vgl. Tz. 43);
- darüber hinaus sind auch die in § 325 Abs. 2a Satz 3 HGB abschließend genannten handelsrechtlichen Vorschriften zu beachten (vgl. Tz. 45) und
- ein gegebenenfalls aufzustellender und offenzulegender handelsrechtlicher Lagebericht iSd. §§ 289–289f HGB muss "in dem erforderlichen Umfang" auf den IFRS-Einzelabschluss Bezug nehmen (vgl. Tz. 46).
Tz. 43
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
§ 325 Abs. 2a Satz 1 iVm. § 315e Abs. 1 HGB fordert eine vollumfängliche Einhaltung aller von der Europäischen Union übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards. Eine nur teilweise Beachtung ist unzulässig. Dieses Vollständigkeitspostulat wird durch Satz 6 des § 325 Abs. 2a HGB flankiert, der eine befreiende Wirkung für einen IFRS-Einzelabschluss ausschließt, wenn infolge der verpflichtenden Anwendung des § 286 Abs. 1 HGB iVm. § 325 Abs. 2a Satz 2 HGB eine Berichterstattung insoweit unterbleiben muss, als es für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist, und der Abschluss infolgedessen den nach den IFRS gebotenen Berichtspflichten unter Beachtung der Wesentlichkeitsgrundsätze nicht genügt. In diesem Fall entfällt die Befreiungsmöglichkeit und es muss zwingend der handelsrechtliche Jahresabschluss offengelegt werden (§ 325 Abs. 2a Satz 6 HGB).
Tz. 44
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
Eine vollständige Compliance mit den von der EU übernommenen IFRS hat auch zur Folge, dass bei der Bewertung von assoziierten Unternehmen nach IAS 28 und Joint Ventures nach IFRS 11 zu unterscheiden ist, ob es sich um einen separaten IFRS-Einzelabschluss nach IAS 28.44 bzw. IFRS 11.26f. oder um einen isolierten IFRS-Einzelabschluss (individual financial statements) handelt. Diese Unterscheidung ist dem HGB fremd. Sie ist jedoch von Bedeutung, da bei einem separaten IFRS-Einzelabschluss die Anteile an assoziierten Unternehmen oder Gemeinschaftsunternehmen nach IAS 27.10 wahlweise mit ihren Anschaffungskosten (IAS 27.10a), als Finanzinstrumente gem. IFRS 9 (IAS 27.10b) oder gem. IAS 28 nach der Equit...