Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Dr. Kathrin Köhling
Tz. 18
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Bei der Bestimmung des beizulegenden Zeitwertes sind sämtliche spezifischen Charakteristika eines Vermögenswertes bzw. einer Schuld zu berücksichtigen, falls diese von beliebigen Marktteilnehmern in die Preisfindung am Bewertungsstichtag einbezogen werden (IFRS 13.11). Dies ist indes nicht so zu verstehen, dass auch unternehmensspezifische Besonderheiten, die nicht unweigerlich mit dem zu bewertenden Vermögenswert bzw. der zu bewertenden Schuld verbunden sind, in die Wertermittlung einfließen dürfen. Vielmehr ist strikt zwischen unternehmensspezifischen und objektspezifischen Eigenschaften zu differenzieren, wobei nur Letztere bei der konsequent einzunehmenden Veräußerungsfiktion zu berücksichtigen sind (vgl. Lüdenbach/Hoffman/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Kommentar, 16. Aufl., § 8a, Tz. 17f.). Ob es sich bei einem Charakteristikum um eine unternehmensspezifische oder objektspezifische Eigenschaft des zugrunde liegenden Vermögenswertes oder der Schuld handelt, muss demnach auf Basis des jeweiligen Sachverhalts festgelegt werden. Dies kann im Falle einer expliziten vertraglichen Bestimmung eindeutig sein (zB vgl. Tz. 19); in anderen Fällen wird indes Ermessen von Seiten des berichterstattenden Unternehmens erforderlich sein (vgl. EY, International GAAP 2018, S. 924).
Tz. 18a
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Ein Bilanzposten bietet nur dann entscheidungsnützliche Informationen, wenn er als Aktivum ein Einzahlungspotenzial und als Passivum ein Auszahlungspotenzial abbildet und diese jeweils im Umfang der erwarteten Zahlungsströme ausgewiesen werden. Der Umfang des erwarteten Zahlungsstroms wird nur dann zutreffend abgebildet, wenn vermögenswertspezifische bzw. schuldspezifische Eigenschaften im Wertansatz berücksichtigt werden, da diese den Betrag der Zahlungsströme beeinflussen (vgl. dazu Bieker, PiR 2007, S. 132). So sind bspw. der Zustand und die geographische Lage der zu bewertenden Position unmittelbar bewertungsrelevant (IFRS 13.11 (a)). Potenzielle Transportkosten zum Markt der Transaktion sind zu berücksichtigen, falls der Standort ein spezifisches Merkmal des Vermögenswertes bzw. der Schuld ist (IFRS 13.26; bspw. bei Terminkontrakten für Rohstoffe mit physischer Erfüllung, vgl. Tz. 36). Transaktionskosten sind dagegen nicht einzubeziehen, da diese ein Merkmal der Transaktion, nicht jedoch des Vermögenswertes bzw. der Schuld sind (IFRS 13.25; vgl. Tz. 35). Bei finanziellen Vermögenswerten und finanziellen Verbindlichkeiten, die nicht erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden, ist der beizulegende Zeitwert für den Bilanzansatz indes um solche direkt zurechenbaren Transaktionskosten zu adjustieren, die auf den Zugang entfallen (IFRS 9.5.1.1).
Tz. 19
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Etwaige Einschränkungen hinsichtlich der Veräußerung oder der Nutzung der entsprechenden Position zählen ebenfalls explizit zu den spezifischen Eigenschaften (IFRS 13.11 (b)), sofern sämtliche Marktteilnehmer diesen unterliegen und die konkreten Ausprägungen im Rahmen der Preisfindung berücksichtigt werden (IFRS 13.12). Ein Unternehmen kann zB im Besitz eines Eigenkapitalinstrumentes sein, dessen Veräußerung für einen bestimmten Zeitraum rechtlich bzw. vertraglich untersagt ist; speziell die Veräußerung an Käufer, die nicht sog. qualifizierte institutionelle Investoren sind, wird zum Schutz der Anleger durch verschiedene nationale Börsengesetze unterbunden. So kann bspw. auch bei vinkulierten Namensaktien die Gesamtheit der potenziellen Erwerber durch die ausgebende Gesellschaft beschränkt werden, sodass diese Verkaufsrestriktion auch für den Sekundärmarkt ein objektspezifisches Charakteristikum ist (vgl. Wieland-Blöse/André, in: Internationales Bilanzrecht, IFRS 13, Tz. 127). Die Verkaufsbeschränkung ist dabei ein Charakteristikum des Finanzinstrumentes und würde demnach auch auf einen anderen Marktteilnehmer übertragen werden (so auch EY, International GAAP 2018, S. 924f.).
Der beizulegende Zeitwert kann dann ermittelt werden, indem der beobachtbare Preis eines identischen Eigenkapitalinstrumentes desselben Emittenten herangezogen wird, das einer solchen Beschränkung nicht unterliegt. Der Preis muss in diesem Fall allerdings zwingend um den Effekt der Verkaufsrestriktion korrigiert werden. Marktteilnehmer müssten nämlich für die Übernahme des Risikos kompensiert werden, da auch bei negativen Preisentwicklungen eine verpflichtende Haltedauer besteht. Diese Kompensation muss in der Preisanpassung erfasst werden. Die Anpassung hängt dabei von mehreren Faktoren ab (IFRS 13.IE28):
- von der Art und der Dauer der Veräußerungsrestriktion,
- vom Ausmaß, in dem Käufer durch das Verbot eingeschränkt werden (bspw. können auf einem Markt viele (potenzielle) Käufer qualifizierte institutionelle Investoren sein),
- von den qualitativen und quantitativen Faktoren bzgl. des Emittenten und des Instrumentes (bspw. von der Preisvolatilität des Instrumentes).
Tz. 19a
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Weiterhin sind objektspezifische ...