Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 62
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Im Februar 2008 hat der IASB eine Änderung an IAS 32 bewirkt, mit der Instrumente, die ein Rückgaberecht an den Emittenten vorsehen, unter bestimmten Umständen als Eigenkapitalinstrument klassifiziert werden können (s. a. Blaum 2009, S. 121 ff.; Deloitte LLP 2015, S. 99 ff.; DRSC, RIC 3; KPMG 2008, S. 126 ff.; KPMG IFRG 2014/15, Tz. 7.3.70 ff.; Löw/Antonakopoulos 2008, S. 268 ff.; Mentz 2009, Rn. 139 ff.; Schmidt 2013, S. 209 f.; Truxius 2014, S. 409 ff.). Der Board rückte damit von seiner strengen Linie ein Stück weit ab, wonach das Bestehen jedweder Zahlungsverpflichtungen, derer sich ein Emittent nicht entziehen kann, zwingend zu einem Ausweis (und einer Bewertung!) als finanzielle Verbindlichkeit führe. Er sah dies dann als gerechtfertigt an, wenn das dem Unternehmen zur Verfügung gestellte gesellschaftsrechtliche (Risiko-)Kapital unter Ausklammerung des Put-Rechts ansonsten alle Eigenschaften aufweist, die auch bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft anzutreffen seien (bspw. Teilnahme am laufenden Ergebnis, Anspruch auf einen Anteil am Reinvermögen im Falle der Liquidation; s. u.).
Tz. 63
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Wie bereits vorstehend erwähnt, ist diese Änderung in Deutschland in erster Linie für Personenhandelsgesellschaften von Bedeutung (s. a. Baetge/Winkeljohann/Haenelt 2008, S. 1519 ff.; Barckow 2015, S. 268 ff.; Barckow/Schmidt 2006, S. 626 ff.; Coenenberg/Berger/Joest 2007, S. 152; HFA 45.48 ff.; Haufe IFRS-Kommentar 2015, § 20 Rz. 29 f.; Hennrichs et al. 2007, S. 63 ff.; Hennrichs 2009, S. 1066 ff.; KPMG 2006, S. 88 ff.; Kuhn/Hachmeister 2015, S. 683 ff.; Mentz 2009, Rn. 151 ff.; Rückle 2007, S. 489 ff.; ders. 2008, S. 227 ff. Zwirner/König 2013, S. 2 ff.). Zwar garantieren die Änderungen beileibe nicht jeder OHG oder KG den Eigenkapitalausweis, weil der IASB die Bedingungen in dem Wunsch, Missbrauch und Strukturierungen zu unterbinden, bewusst hart gefasst hat; insbesondere größere, kapitalistisch geprägte Personenhandelsgesellschaften können sich aber uU. über die bewirkten Änderungen "ans rettende Ufer" bringen (aA offenbar Mentz, der der Ansicht ist, dass es den Personengesellschaften "im Regelfall wieder möglich sein" sollte, einen Eigenkapitalausweis zu erreichen; Mentz 2009, Rn. 194). Es sei allerdings an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass ein Eigenkapitalausweis nicht möglich ist, wenn es sich bei der Personenhandelsgesellschaft um ein Tochterunternehmen handelt, dass zwar mehrheitlich, aber nicht vollständig im Eigentum des Mutterunternehmens steht: Die sich infolge der Kapitalkonsolidierung ergebenden Anteile nicht-beherrschender Gesellschafter müssen entgegen der allgemeinen Regelung in IAS 1 und IFRS 10 (weiterhin) zwingend im Fremdkapital ausgewiesen und entsprechend bewertet werden (s. a. IFRIC Update November 2013, S. 3 f.; Blaum 2009, Rz. 47 ff.; Mentz 2009, Rn. 230 ff.). Insofern ist die Thematik nicht nur für die betreffende Personenhandelsgesellschaft, sondern auch für die ihr ggf. übergeordnete Kapitalgeellschaft von Bedeutung. Bevor die Änderungen eingehender dargestellt werden, sollen zunächst noch einmal die Rechtsfolgen aufgezeigt werden, die die bestehende (und in vielen Fällen weiterhin gültige) Vorschrift, wonach bedingte Zahlungsverpflichtungen dem Grunde nach zu einem Fremdkapitalausweis führen, nach sich zieht.
Tz. 64
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Erfüllt ein Unternehmen nicht die in Tz. 65 ff. aufgeführten Bedingungen (vgl. Tz. 65 ff.), kann es das ihm gewährte Gesellschaftskapital – anders als im HGB-Abschluss – nach IAS 32 nicht als Eigenkapital ausweisen, sondern hat dieses in das Fremdkapital umzugliedern. Was vordergründig lediglich nach einer Ausweisänderung aussieht, entpuppt sich als eine fundamental andere Form der Bilanzierung (s. a. IAS 32.BC50; ergänzend Dürr 2007, S. 192 ff.): Ausgehend von dem allgemeinen Grundsatz, wonach Eigenkapital grundsätzlich keiner Folgebewertung zu unterziehen, Fremdkapital aber zu jedem Stichtag zu bewerten ist, bedingt die andere Einstufung als finanzielle Verbindlichkeit nunmehr die Pflicht zur Anwendung der Bewertungsvorschriften in IAS 39 (IAS 32.36; IDW RS HFA 45.5). Dort sieht der IASB für die Bilanzierung von Finanzschulden grundsätzlich einen Ansatz zu fortgeführten Anschaffungskosten vor, es sei denn, diese werden zu Handelszwecken gehalten oder freiwillig einer erfolgswirksamen Bewertung zum beizulegenden Zeitwert zugeführt (sog. Fair Value Option). Beides dürfte bei Gesellschaftskapital regelmäßig nicht der Fall sein, so dass eine Bewertung des Kapitals zu "fortgeführten Anschaffungskosten" angezeigt ist (IAS 39.47). Was dies konkret bedeutet, ist weniger eine bilanz-, sondern primär eine gesellschaftsrechtliche Frage, die in Abhängigkeit vom Gesellschaftsvertrag und den diesem zugrundeliegenden Rechtsnormen zu klären ist. Unter der Annahme, ein Unternehmen regele im Gesellschaftsvertrag nur das tatsächliche Regelungsbedürftige und verweise ansonsten auf die gesetzlichen Normen...