Prof. Dr. Bettina Thormann, Prof. Dr. Marius Gros
Tz. 58
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Bis zum 31.12.2019 unterlagen nach § 106 WpHG der zuletzt festgestellte Jahresabschluss oder der zuletzt gebilligte Konzernabschluss – jeweils mit dem zugehörigen Lage- bzw. Konzernlagebericht sowie die den Finanzberichten zugrunde liegende Buchführung (vgl. zum Buchführungsfehler im Enforcement-Verfahren Lüdenbach/Freiberg, BB 2020, S. 811ff.; Müller, AG 2020, S. 83ff.) dem Enforcement. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie im Hinblick auf ein einheitliches elektronisches Format für Jahresfinanzberichte (ESEF-Umsetzungsgesetz, BGBl. I Nr. 38 vom 18.08.2020) sind die Jahresfinanzberichte kapitalmarktorientierter Unternehmen für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 01.01.2020 beginnen, im ESEF-Format zu erstellen und gemäß § 328 HGB offenzulegen. Mit Änderung des § 106 WpHG wurde der Prüfungsgegenstand im Enforcement-Verfahren auf die im ESEF-Format offengelegten Jahres- und Konzernabschlüsse und den nach § 325 Abs. 2a HGB aufgestellten IFRS-Einzelabschluss nebst zugehörigen (Konzern-)Lageberichten ausgeweitet. Bezüglich der Fragestellung, ob zukünftig die festgestellten bzw. gebilligten Abschlüsse oder die offengelegten Abschlüsse den primären Prüfungsgegenstand darstellen, wurde im Regierungsentwurf klargestellt, dass eine Prüfung der offengelegten Unterlagen im Regelfall genüge, da die offengelegten Abschlüsse und Lageberichte ansonsten den aufgestellten Unterlagen entsprechen müssten (§ 328 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB). Gleichwohl kann eine Prüfung der festgestellten/gebilligten Abschlüsse und der zugehörigen Lageberichte erforderlich werden, wenn offengelegte Unterlagen nicht oder nicht vollständig zur Verfügung stehen (vgl. BT-Drucks. 19/17343, S. 23). Ebenso unterliegen der verkürzte Abschluss und der Zwischenlagebericht der Halbjahresfinanzberichterstattung dem Enforcement. Seit dem Jahr 2016 können aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie auch die Zahlungs- oder Konzernzahlungsberichte von Unternehmen, die in der mineralgewinnenden Industrie tätig sind oder Holzeinschlag in Primärwäldern betreiben, einem Bilanzkontrollverfahren unterzogen werden.
Tz. 59
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Bei den vergleichsweise wenigen dem Enforcement unterliegenden Unternehmen, die keinen Konzernabschluss erstellen, wird zwangsläufig der Jahresabschluss mit zugehörigem Lagebericht im Enforcement-Verfahren geprüft. Mit Inkrafttreten des ESEF-Umsetzungsgesetzes wurde der Prüfungsgegenstand nach § 106 WpHG auch auf offengelegte IFRS-Einzelabschlüsse nebst zugehörigen Lageberichten (§ 325 Abs. 2a HGB) erweitert. Bei den übrigen Unternehmen stehen der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht im Mittelpunkt des Bilanzkontrollverfahrens, da die Kapitalmarktkommunikation idR über die Konzernfinanzberichterstattung erfolgt. Das hindert die BaFin aber nicht daran, bei entsprechender Indikation auch den Jahresabschluss zu prüfen. Die Entscheidung hierüber steht im Ermessen der BaFin. Als Indikation kommen etwa unplausible unterschiedliche Wertansätze im Vergleich des Jahresabschlusses mit dem Konzernabschluss oder Fehler im Konzernabschluss, die sich auch auf den Jahresabschluss beziehen, in Betracht.
Tz. 60
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Mit Einführung des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 11.04.2017 (BGBl. I Nr. 20 v. 11.04.2017, S. 802) wurde die Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289f HGB und § 315d HGB) erweitert sowie die Nichtfinanzielle Erklärung (§§ 289b–289e HGB sowie §§ 315b und 315c HGB) neu eingeführt. Diese Erklärungen können im (Konzern-)Lagebericht selbst oder – mit einem entsprechenden Hinweis im Konzernlagebericht – im Internet veröffentlicht werden. Diese Erklärungen unterliegen grundsätzlich keiner inhaltlichen Prüfung durch die BaFin; es erfolgt lediglich – im Gleichklang mit der Vorgehensweise des Abschlussprüfers – eine Prüfung auf Vorhandensein (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/11450, S. 46). Dasselbe gilt für die nach § 312 Abs. 3 AktG in den Lagebericht aufzunehmende Erklärung des Vorstands zum Abhängigkeitsbericht, soweit ein solcher zu erstellen ist. Fehlen die genannten Erklärungen bzw. die Hinweise auf die Veröffentlichung im Internet im (Konzern-)Lagebericht, ist der im Rahmen des Enforcement zu prüfende (Konzern-)Lagebericht insoweit fehlerhaft (vgl. hierzu IDW PS 350 nF A111f. und IDW Stellungnahme HFA 3/1991 III Nr. 3). Die Prüfung des Inhalts eines gemäß § 312 AktG aufzustellenden Abhängigkeitsberichts, wie sie dem Abschlussprüfer nach § 313 AktG obliegt, scheidet für das Enforcement aus. Gleiches gilt für die Prüfung des gemäß § 91 Abs. 2 AktG einzurichtenden und gemäß § 317 Abs. 4 HGB vom Abschlussprüfer zu prüfenden Risikofrüherkennungssystems.
Tz. 61
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Bei Unternehmen, die erstmals an die Börse gegangen sind, können auch Abschlüsse, die vor der erstmaligen Notierung des Unternehmens im o...