Tz. 82
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Neben der Entscheidungsfundierung ist die Verhaltenssteuerung ein weiterer Hauptzweck des internen Rechnungswesens. Hierbei geht es nicht um die Fundierung eigener Entscheidungen, sondern um die Beeinflussung von Entscheidungen nachgeordneter Entscheidungsträger, so dass diese im Sinne der übergeordneten Unternehmensziele handeln. Es wird mithin ein Mehrpersonenkontext unterstellt, in dem zwischen Prinzipal und Agenten Zielkonflikte und Informationsasymmetrien bestehen. Die Informationen des internen Rechnungswesens müssen in dieser Situation geeignet sein, die richtigen Verhaltensanreize für den Agenten zu geben. Dies gilt für ein separates wie für ein integriertes Rechnungswesen gleichermaßen. Daher werden in der Literatur verschiedene Anforderungen an ein integriertes Rechnungswesen formuliert, vor allem die Kriterien der Anreizverträglichkeit (Zielkongruenz und Manipulationsresistenz) und Kommunikationsfähigkeit (Verständlichkeit und Akzeptanz) (vgl. für eine Übersicht Franz/Winkler 2006, S. 64ff.).
Tz. 83
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Die einzelnen IFRS erweisen sich im Hinblick auf diese Anforderungen nicht immer zielführend (vgl. zB Klein, krp 1999; Ewert 2006; Velthuis et al., KoR 2006; Wagenhofer 2006; Arnegger/Feldhaus, IRZ 2007; Pfaff 2011; Winkler 2011). So geht für Manager mit kurzfristigem Horizont von der Vollkostenbewertung der Vorräte nach IAS 2 bei freien Kapazitäten der Anreiz aus, auf Lager zu produzieren, da hierdurch in der aktuellen Periode ein besseres Ergebnis erzielt werden kann. Auch die Neubewertungsmethode nach IAS 16 und IAS 38 erweist sich unter Anreizgesichtspunkten als problematisch: Durch die erfolgsneutrale Verrechnung der Aufwertungen von Sachanlagen oder immateriellen Vermögenswerten und die anschließende erfolgswirksame Erfassung der Abschreibungen wird gegen das Kongruenzprinzip (clean surplus principle) verstoßen. Dies gilt ebenso für Finanzinstrumente, die in FVTOCI klassifiziert sind (IFRS 9), auch wenn eventuelle Werterhöhungen bei Abgang erfolgswirksam erfasst werden. Die Nichtbeachtung des Kongruenzprinzips führt in diesen Fällen dazu, dass die Residualgewinne (zB EVA) nicht mehr barwertkompatibel sind und somit die Zielkongruenz interner Performancemaße nicht gegeben ist. Verzerrende Effekte entstehen auch bei Renditekennzahlen (zB ROCE), da die Vermögensgröße im Nenner durch die erfolgsneutrale Werterhöhung steigt, die Erfolgsgröße im Zähler aber unberührt bleibt. Möglicherweise werden dadurch Fehlanreize induziert, die an sich vorteilhafte Investitionsprojekte verhindern. Aus Controllingsicht erweist sich die erfolgsneutrale Verbuchung von Wertschwankungen im Rahmen der Fair-Value-Bewertung somit als kritisch, auch wenn sie aus Sicht der externen Rechnungslegung gut begründet ist, da Wertänderungen am ruhenden Vermögen nicht mit Ergebnissen der operativen Tätigkeit vermengt werden sollen. Die geringe Verbreitung der Neubewertungsmethode in deutschen Unternehmen ist für die Anreizverträglichkeit eines integrierten Rechnungswesens insofern positiv.
Tz. 84
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Doch auch die erfolgswirksame Erfassung von beizulegenden Zeitwerten kann aufgrund der damit einhergehenden Ergebnisvolatilität aus dem Blickwinkel der Verhaltenssteuerung nachteilig sein (vgl. Wagenhofer 2006, S. 16). Höhere Volatilität von Ergebniskennzahlen lässt Marktunsicherheiten in die Erfolgsermittlung einfließen und führt zu tendenziell höheren Planabweichungen. Risikoaverse Manager, deren Entlohnung an die Ergebniskennzahlen gekoppelt ist, erwarten dadurch höhere Risikoprämien bei der Entlohnung, was kostentreibende Effekte bei den Personalkosten haben könnte.
Tz. 85
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Weiterhin sind die vielfältigen Ermessensspielräume in den IFRS unter dem Gesichtspunkt der Anreizverträglichkeit problematisch, da sie Möglichkeiten zur Manipulation mit sich bringen. Dies gilt zB regelmäßig für die Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts, wenn nicht auf an einem aktiven Markt beobachtbare Preise des Vermögenswertes zurückgegriffen werden kann. Ebenso ergeben sich bei der Goodwillbilanzierung nach IFRS 3 und der Aktivierung von Entwicklungskosten nach IAS 38 umfangreiche Gestaltungsspielräume.
Tz. 86
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Trotz dieser vielen kritischen Punkte können von einer Unternehmenssteuerung auf Basis der IFRS unter bestimmten Bedingungen auch vorteilhafte Verhaltensanreize ausgehen (vgl. Wagenhofer 2006, S. 16f.; Kajüter 2010, S. 51ff.; Trapp/Weide, Controlling 2012, S. 171). So führt zB die erfolgswirksame Fair-Value-Bewertung im Vergleich zur Bewertung zu Anschaffungs- und Herstellungskosten zu richtigen Investitions- und Desinvestitionsanreizen, da Wertänderungen genauso dargestellt werden, als ob das Vermögen verwertet worden wäre. Durch die Bewertung des Vermögens zum beizulegenden Zeitwert erhöhen Wertsteigerungen zugleich die Opportunitätskosten des Haltens des Vermögenswerts und machen ab einem gewissen Zeitpunkt die Desinvestition v...